In ihren Filmen untersucht Yalda Afsah die Beziehung zwischen Mensch und Tier – in München erstmals zu sehen im Kunstverein.

Yalda Afsha im Kunstverein

Freund oder Feind

yalda afsha

Yalda Afsah: »Vidourle« (Filmstill) | Courtesy die Künstlerin

Mit der Domestizierung von Tieren vollzieht sich vor etwa 11.000 Jahren ein entscheidender Entwicklungsschritt: Der Mensch erhebt sich zum Herrscher über die Natur. Eine Synergie aus Nähe und Gewalt prägt seither die wechselseitige und vielschichtige Beziehung. Wie ambivalent diese Beziehung ist und welche Formen sie annehmen kann, zeigt Yalda Afsah auf eindrückliche Weise an den Beispielen der Pferdedressur, dem Züchten von Tauben und dem Stierkampf. Mit der Präsentation von vier Kurzfilmen unter dem Titel »Every Word was once an Animal« würdigt der Kunstverein die deutsch-iranische Künstlerin in ihrer ersten institutionellen Einzelausstellung.

Gern wird darüber geschmunzelt, dass sich Herrchen und Hund im Lauf der Jahre einander äußerlich angleichen. Die grotesken Züge, die die enge Symbiose zwischen Mensch und Tier annehmen kann, bringen aber auch das Widernatürliche dieser Beziehung zum Vorschein. Im Fall des Hundes erscheint es harmlos, doch auch Pferd und Reiter können ästhetisch verschmelzen, wie der »Centaur«, das mythologische Mischwesen aus Mensch und Pferd, suggeriert. Im gleichnamigen Film von Yalda Afsah stehen sich die beiden Protagonisten in ihrer gleichsam kapriziösen Haltung wie Erscheinung in nichts nach: Hier die widernatürlichen Schrittfolgen und die hoch- ästhetische Schönheit des Pferdes, dort die strenge Haltung und übertriebene Eleganz des Dresseurs. Die Vorführung dieser bizarren Dressurstunde zerlegt die hohe Schule der Reitkunst in ihre Bestandteile aus enger Symbiose, strengster Disziplin, Unterwerfung, Sensibilität, Eitelkeit und Perfektionismus. Die wechselnden Perspektiven zwischen Totale mit Blick auf die Szenerie und Nahaufnahme von Fell und Hand, Mähne und Gesicht kehren das symbiotische Verhältnis zusätzlich ins Groteske.

Mit ästhetischen Bildern operiert auch der zweite Film »SSRC«: Wunderschön anzusehen, wie Scharen von Tauben vor dem blauen Himmel fliegen und sich immer wieder in eigenwilligen Kapriolen ein paar Meter hinabstürzen, um dann ihren Flug wie gewohnt fortzusetzen. Doch anders als bei der Pferdedressur stehen hier Tier und Züchter in einem scheinbar widersprüchlichen Verhältnis zueinander: Die Gruppe der eher grob wirkenden Typen, die ihre Blicke gen Himmel richten, die dressierten Tauben auf dem Arm versammeln, füttern sowie vorsichtig und stolz das schöne Gefieder präsentieren, scheinen eher einer rohen Straßengang anzugehören, als fürsorgliche und sensible Vogelzüchter zu sein. Tatsächlich sind die Clubs der »Roller Pigeons« – der »purzelnden Tauben«, denen ein Überschlag im Flug antrainiert wird – ein Phänomen der schwarzen Communitys im südlichen Kalifornien, die sich gebildet haben, um soziale Gegenräume zur Ganggewalt zu schaffen. Mit Hilfe der Tiere gelingt es hier, stereotype Geschlechterrollen aufzubrechen.

Männliche Rollenbilder – die Protagonisten aller Filme sind ausschließlich Männer – werden auch im dritten Beispiel, »Tourneur«, verhandelt. Testosterongesteuerte Machtspiele sind der Zündstoff zu einer Form von Stierkampf, bei dem sich eine Horde junger Männer dem zunehmend gereizten Gebaren eines Stieres aussetzt und sich vor der Kamera eine theatralische Performance aus Risikobereitschaft, Angst, Kampfeslust und Männlichkeitsgehabe liefert. Und das alles vor einer Wand aus Schaum und mit Plastikreifen zum Schutz vor Verletzung, was dem Ganzen den Eindruck einer absurden Schaumschlacht verleiht und das Tier zum Spielball degradiert.

Noch surrealer wird die Szenerie dann im vierten Film, »Vidourle«, und den sollte man sich wirklich bis zuletzt aufheben: Hier sieht man die aufgedrehten Provokateure, wie sie in ihrer ganzen zur Schau gestellten eitlen Maskulinität in den Wellen posieren und in einer wie inszeniert wirkenden Choreografie aus Vor und Zurück mit einem unsichtbar bleibenden Gegner spielen. Was die vier Filme so eindrucksvoll macht, ist ihr spezieller Blick auf das Thema: Weit über das rein Dokumentarische hinausgehend gelingt es Yalda Afsah durch die gezielte Inszenierung – sowie mit filmkünstlerischen Stilmitteln wie Bildausschnitt, Kameraführung, Zeitlupe, Licht und Ton – Mensch und Tier so zu spiegeln, dass die Frage, wer von wem abhängig ist und wer hier wen beherrscht, eigentlich ständig ins Gegenteil kippt und das Verhältnis der Protagonisten in seiner ganzen Absonderlichkeit und Absurdität entblößt wird. Anstelle eines Kommentars – lediglich die Taubenzüchter erklären ihre Rolle – ist der Ton so bearbeitet, dass die Naturgeräusche und Stimmen überzeichnet und unausgewogen wirken, was den artifiziellen Charakter der Bilder verstärkt.

1983 in Berlin geboren, hat Yalda Afsah an der Universität der Künste (UdK) in Berlin, an der Burg Giebichenstein in Halle sowie dem California Institute of the Arts studiert. Ihre Filme wurden auf internationalen Filmfestivals sowie im Rahmen von Kunstausstellungen gezeigt. Die Präsentation im Kunstverein ist eine Kooperation mit der Halle für Kunst Steiermark in Graz, wo die Ausstellung von Juni bis September zu sehen sein wird. ||

YALDA AFSAH. EVERY WORD WAS ONCE AN ANIMAL
Kunstverein München | Hofgarten, Galeriestr. 4 | bis 3. April | Di bis So 12–18 Uhr
Buchpräsentation der ersten umfassenden Publikation zu Yalda Afsah im März

Weitere Artikel zu Ausstellungen in München finden Sie in der kompletten Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.

 


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