Eine außergewöhnliche, noch nie gezeigte Privatsammlung von Landschaftsbildern romantischer Künstler ist in Fürstenfeldbruck unter dem Titel »Der romantische Blick« zu entdecken.
Der romantische Blick. Werke aus der Sammlung Maibaum Lübeck
Mondschein und Wolkenleben
Mondbeglänzte Zaubernacht und Waldeinsamkeit – reine Gefühlssache? Die Romantik wird als Gegenbewegung zur Rationalität der Aufklärung verstanden, dabei hat sie Teil an vielen Prämissen und Fragen dieser großen Epoche. Carl Gustav Carus zum Beispiel, ein Freund Caspar David Friedrichs, den er sehr bewunderte und an dessen Motive er als Maler anknüpfte, ist bekannt für seine Mondschein-Motive, Baum- und Wolken-Landschaften sowie seine kunsttheoretischen »Neun Briefe über Landschaftsmalerei«. Gemälde von Carus sind aktuell in der Romantiker-Ausstellung in Fürstenfeldbruck zu sehen. Im Hauptberuf freilich war Carus Naturwissenschaftler: Mit 22 schon doppelt promoviert und habilitiert in Philosophie (über allgemeine Lebenslehre) und Medizin (»De uteri rheumatismo«), profilierte er sich auf diversen medizinischen und naturkundlichen Feldern, war Leibarzt dreier sächsischer Könige, Mitglied und Präsident der Leopoldina. Er widmete sich auch »magischen« Phänomenen und erfand den Begriff des »Un-Bewußten«. Ein Carus-Bild aus der Lübecker Sammlung Maibaum fällt in der Ausstellung »Der romantische Blick« besonders auf: eine alte Wassermühle im unwirtlichen Hochgebirge, kein wohlbestalltes oder gastliches Haus, in nächtlichem Mondlicht.
Eines der Fensterchen ist erleuchtet, der Weg dorthin führt über eine schwache, müde Brücke, über den tosenden Fluss. Der eben zwischen dramatischen Wolken erscheinende Vollmond, seine Reflexionen, das fahle Licht im kahlen Felsenreich erzeugen eine düstermelancholische, ja visonäre Stimmung. Carus malte »Mondscheinbilder«, weil er dabei die Hauptaufgabe der Landschaftsmalerei verwirklichen konnte, die Entsprechung von »Zuständen der Natur« und »Stimmungen des Gemüthslebens«. Der Mond hat, so Carus in seinen »Briefen über Landschaftsmalerei«, nicht nur physikalische Auswirkungen, sondern auch auf »den Herzschlag unseres Seelenlebens«. Wenn Carus als Naturwissenschaftler von »Naturleben«, »Erdleben« und dem atmosphärischen »Wolkenleben« spricht, zielt er auf das dynamische Zusammenwirken der Naturkäfte und ihre Wahrnehmung als Einheit ab. In der Auffassung der »Stimmung« realisiert sich dementsprechend die »Erdlebenbildkunst« des Landschaftsmalers. Deshalb auch nobilitierte sich im 19. Jahrhundert das ehemals niedere Genre der Landschaftsmalerei: als gleichsam wissenschaftliche Naturgeschichte durch die Augen der Künstler und zugleich spirituelle Lebensästhetik für das Gemüt, als experimentierfreudiges sowie populäres, einträgliches Arbeitsfeld.
Die Sammlung konzentriert sich auf romantische Landschaftsmalerei Norddeutschlands und Skandinaviens sowie auf den Zeitraum von 1780 bis 1840, es sind also nicht nur Romantiker vertreten, sondern auch Klassizisten. Die Ausstellung im Museum Fürstenfeldbruck präsentiert eine Auswahl aus über 500 Sammlungsobjekten: Werke von 25 Künstlern – von Blechen über Dahl und Rottmann bis Tischbein – sind zu sehen. Vom Norweger Johan Christian Clausen Dahl stammen eine verwunschene »Moonlight Scene« (1819) sowie bezaubernde Waldmotive. Dahl teilte sich in Dresden das Ateliermit seinem Freund C. D. Friedrich und wurde dort Akademieprofessor. Carus wiederum hatte ihm das viele Maler und auch Goethe begeisternde Werk des Briten Luke Howard ausgeliehen: »On the Modification of Clouds«. Viele nordische und Dresdener Maler reisten in den Süden. In Rom führte Johann Heinrich Wilhelm Tischbein Goethe durch die Stadt und unterrichtete ihn im Zeichnen; eine magische »Kosmische Landschaft« (nach 1821) stammt aus seiner Zeit als Hofmaler und Akademiedirektor in Eutin.
Carl Blechen revolutionierte in Berlin die Landschaftsmalerei mit kräftigen Farben und virtuosen Lichteffekten. Der Heidelberger Carl Rottmann zog nach München, wo er mit italienischen und griechischen Motiven glänzte. Die Ausstellung zeigt eine erstaunlich impressionistische, en plein air gemalte Ölskizze »Blick in das Inntal« (um 1822). Eine besondere Entdeckung ist das früheste bekannte Gemälde von Caspar David Friedrich. Der hatte bei »Der Eichbaum« (1798) ein abendliches Motiv seines Kopenhagener Akademielehrers Jens Juel in eine Morgenstimmung transformiert.
Das Museum Fürstenfeldbruck feiert mit diesem Ausstellungs-Highlight sein 30-jähriges Jubiläum. Die »Sammlung Maibaum« ist nach einem Freund benannt; das Sammler-Ehepaar bleibt anonym. Ihr Interesse für die norddeutsche Romantik verfolgen sie, wie die Ausstellung deutlich macht, mit Hingabe, Gefühl und Spürsinn, Forschungsinteresse und Kennerschaft. »Das Studium der Kunst«, zitiert Carus eine Bemerkung seines Brieffreundes Goethe als Motto seines »Landschaftsmalerei«-Buches, gibt »Befriedigung in uns selbst«, beschäftigt unser Inneres mit großen Gegenständen und Gesinnungen, und wie den Werkschöpfern geht es auch dem Forscher und »dem Liebhaber, er arbeitet einsam, für Genüsse, die er mit Andern zu theilen kaum in den Fall kommt«. Die Lübecker teilen aber doch! Denn mit den Bildern dieser Ausstellung ist die Sammlung erstmals öffentlich zu sehen. Allein das wäre schon ein Anlass, den Besuch nicht zu versäumen. ||
DER ROMANTISCHE BLICK. WERKE AUS DER SAMMLUNG MAIBAUM LÜBECK
Museum Fürstenfeldbruck | Fürstenfeld 6,82256 Fürstenfeldbruck | bis 31. Juli | Di–Sa 13–17 Uhr, So/Fei 11/17 Uhr | Der Katalog (140 Seiten, zahlr. Abb.) kostet 19,80 Euro
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