Mit »Funky Town« gelingt dem GOP eine seiner bislang besten Shows.
»Funky Town« im GOP Varieté
Gute Laune garantiert!
Hätte Werner Buss Fede Rimini nicht zum Schlussapplaus auf die Bühne geholt, er säße vermutlich immer noch vorne links in seiner Ecke und machte Musik, Musik, Musik. Und so wie der in Barcelona lebende Argentinier ganz in dem aufzugehen scheint, was er tut, wirken fast alle in »Funky Town«, der neuen Show im GOP Varieté-Theater, die viele Künstler vereint, die ursprünglich von der Straße kommen und sich bei aller Exzellenz ihrer Darbietungen eine lässige Beiläufigkeit bewahrt haben. Die junge Äthiopierin Habtmnesh Argaw mit den zwischen ihren Füßen flirrenden oder momentweise in der Kniekehle zwischengeparkten Basketbällen vielleicht etwas mehr als das russische Akrobatenduo Luiza und Dmitrii (ja, die aus »Sombra«!), das die unglaublichsten Varianten präsentiert, in denen sich zwei Körper ineinander haken und gegeneinander verspreizen können. Und was für Körper! Der von Luiza besteht zu hundertfünfzig Prozent (mindestens!) aus Muskeln und sehr biegsamem Draht, während Emir Buhari ein dicht gepacktes Kraftpaket ist, das schwer wirkt und federleicht fliegt, im Cyr oder einfach so über den Boden.
Der junge Mann aus Istanbul hat dem GOP einfach ein Video geschickt und war für »Funky Town« engagiert. Der ebenso erstaunliche weibliche Wirbelwind Tori Boggs hat seine weltmeisterliche Kunst, selbst im Sitzen und im Spagat highspeedseilzuspringen, bereits in »Slow« demonstriert, damals aber noch mit männlichen Sidekicks. Und die beiden, die die Show verantworten, sind alte Hasen. Kai Eikermann und Robert Wicke teilen nicht nur ihre langjährige Verbundenheit mit dem GOP und eine kürzere mit dem Zirkus Roncalli, sondern auch eine große Liebe zum Bluff. Wie sich der ältliche Typ ohne Hinterkopf, der in einen Staubsaugeraufsatz bläst, als Meister des Breakdance, Robot und Electric Boogie entpuppt, der vom Fußgelenk über die Plauze bis zur Nackenwirbelsäule jedes Körperteilchen einzeln vibrieren und zuckeln lassen kann, ist ebenso spektakulär wie die Verwandlung des unablässig vor sich hin blubbernden, singenden und beatboxenden Musikers in einen vertrottelt wirkenden Zauberer und Nichtjongleur, der natürlich doch prima jonglieren kann.
Die Illusion der Tollpatschigkeit ist ein beliebtes und immer wieder zündendes Mittel im Varieté, das auch Monsieur Chapeau glänzend beherrscht. Aus Koffern, Rollen und einem Brett baut er sich die windschiefsten Konstruktionen, auf denen er balanciert. Sein anfängliches Scheitern an ihnen nährt die Angst des Publikums vor jedem weiteren Versuch. Wider besseres Wissen fiebert man ernsthaft mit diesem wahnsinnigen Schwindlergenie mit. Gegen gleich drei von ihnen haben es Artisten, die in den klassischeren Disziplinen einfach nur richtig gut sind, manchmal schwer. Dass der Abend dennoch rundum gelingt, liegt neben der unbedingten Hingabe und Energie jedes Einzelnen auch an der Musik, die ihn von der ersten Minute an trägt. Keine Geschichten diesmal, kein anderer roter Faden als funky Jazz-Soul-Swing-Pop. Der fährt einem selbst im Sitzen in den Körper und bleibt da erst mal. Gute Laune garantiert! ||
FUNKY TOWN
GOP Varieté-Theater | Maximilianstr. 47 | bis 7. Nov.
Di bis Do, 20 Uhr, , Fr, Sa 17.30 und 21 Uhr, So 14 und 18 Uhr
Tickets: 089 210288444
Mehr zum Theater in München finden Sie in der kompletten Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.
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