Im Volkstheater inszenierte der neue Hausregisseur Philipp Arnold zum Abschied von der Brienner Straße Shakespeares »Macbeth«. Ab Oktober mordet der Schotte im Neubau am Schlachthof – passt doch.
»Macbeth« am Volkstheater
Blutleere Morde
Jürgen Gosch inszenierte 2005 Skakespeares »Macbeth«, da saßen fünf nackte Männer in einem Blutkessel, und sie blieben für den Rest der Aufführung nackt und blutbeschmiert. Radikaler hatte man Shakespeares Tragödie nie gesehen. Im Volkstheater inszenierte Philipp Arnold »Die Tragödie des Macbeth« als das Gegenteil: Schwarz-Weiß, sehr abstrahiert, rot ist hier nur die Lichtfarbe der Mordvisionen von Macbeth. Das war die letzte Premiere im Haus an der Brienner Straße, jetzt ist der Spielort Theatergeschichte. Am 15. Oktober eröffnet der Volkstheater-Neubau am Schlachthof, und der 31-Jährige Arnold wird dort Hausregisseur.
Er hat das Personal auf sechs Darsteller reduziert, alle hochförmlich von Julia Dietrich halbwegs elisabethanisch (der historische Macbeth lebte im 11. Jahrhundert!) und sehr chic in schwarz-weißem Glitzer gekleidet. Viktor Reims Bühne offeriert Leinwände für die unabdingbaren Videos, auf deren Metallgerüsten kann man herumklettern. Die Videos erhellen wenig, nur das ab und zu blutrote Licht signalisiert: Es geht wieder ans Töten. Die Musik von Adel Akram Alameddine unterstützt das mit bedrohlicher Percussion.
Die Hexen erscheinen durch Strumpfmasken als gesichtslose Gespenster. Als Macbeth stürzt sich Jakob Immervoll mit jugendlichem Feuer in das Morden, zu dem ihn ihre Weissagung beflügelt. Ist es eine Psychose, eine Vision, die den unbeirrbaren Machtwillen kreiert? Immervoll lässt eher eine medizinische Diagnose zu. Macbeths Freund und Mitwisser Banquo wird sein erstes Opfer. Dass ihn eine Frau, Henriette Nagel, spielt, ändert gar nichts an der Sicht auf die Figur.
Lady Macbeth (Anne Stein) spitzt ihren Mann an zum Königsmord. Von da an ist’s vorbei mit dessen Seelenruh, rotes Licht animiert ihn zum Weitertöten, die kühle Lady ringt später die Hände zum Abwaschen des Bluts. Der Auftragsmörder Rosse (Jan Meeno Jürgens) wird zum Dissidenten und verliert deshalb seine Familie. Jonathan Müller als König Duncan sowie Banquos Sohn Macduff, Max Poerting als Duncans Sohn Malcolm – sie alle bleiben stilisierte Ikonen, denen sie kein Leben einhauchen dürfen. Wirklich spielen darf hier nur Macbeth – Jakob Immervoll windet sich gegen Ende sehr eindrucksvoll in Verzweiflungskrämpfen. Sein Blut ist am Ende das einzige, das live vergossen wird – ein Spritzer auf einer Leinwand. Zur packenden Tragödie reicht die höchst verkürzte Geschichte in Arnolds blutleerer Regie nicht. Vielleicht wird sie auf der größeren Bühne im neuen Volkstheater etwas lebendiger und blutvoller (ohne dass es fließen müsste). ||
DIE TRAGÖDIE DES MACBETH
Volkstheater | Tumblingerstr. 29
Spielzeit 2021/2022 (ab 15. Okt.)
Tickets ab 9. Sept. unter 089 5234655
Mehr Theaterkritiken finden Sie in der kompletten Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.
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