Das Jazzfestival Saalfelden trotzt der Stagnation. Das Programm ist dabei bemerkenswert gewagt.
Jazzfestival Saalfelden
Mit Wort und Ton
Besonders tapfer stemmt man sich im Pinzgau gegen die Folgen der sogenannten »Scheißkugel«. Als es im April des vergangenen Jahres in Österreich mit einem Mal rotes Licht für die Kultur gab, schien das »Jazzfestival Saalfelden« 2020 keine Chance zu haben. Nur einen Monat später wurde wieder aufgemacht, ein Spalt zumindest. Dass Mario Steidl für den kurzfristig angesetzten »Jazz Weekender« am Anschluss an dieses behördliche Hin und Her in Rekordzeit ein attraktives Programm improvisieren konnten, verdankt sich besten Kontakten zum breiten Musikerspektrum des Landes. Trompeter Mario Rom, Bassist Lukas Kranzelbinder oder Schlagzeuger Herbert Pirker zum Beispiel betreiben eben nicht nur das gemeinsame Trio »Interzone«. Sie spielen wie die meisten Kollegen in immer neuen Besetzungen. So ist es weder erstaunlich noch langweilig, dass viele von ihnen auch in diesem Jahr auf dem Programm stehen, bei dem Steidl auf Risiko setzt und mit 60 großenteils kostenlosen Konzerten wieder in die Vollen geht. Die Festivaltage wurden sogar erweitert um je zwei Konzerte am Montag und Dienstag – inklusive Ausflügen in die Berge auch touristisch attraktiv. Schon die erste Wochenhälfte bietet reichlich erste alpenländische Jazzer-Garde, denn neben Kranzelbinder und Rom sind zum Beispiel der Pianist David Helbock und der Schlagzeuger Lukas König am Start.
Das Festival wagt außerdem den Schritt über die Landesgrenzen hinaus, in früher so gewohnte, nun aber rar gewordene internationale Gefilde. Aus den USA wird außer dem Funk-Punk-Spiritual-Jazz der Rap-Poetin Moor Mother und dem Gitarristen Marc Ribot der Pianist Craig Taborn erwartet. Wegen ihm lohnt sich die Anreise besonders: Er tritt nicht nur solo auf, sondern auch im Trio mit der Cellistin Tomeka Reid (Makaya McCraven) und Drummer Ches Smith, mit dem er schon auf Alben von Dave Holland und David Torn zu hören war. Ein spontanes Experiment wird darüber hinaus sein Trio mit Elias Stemeseder, der bei dieser Gelegenheit ins Spinett greift, und Schlagzeuger Christian Lillinger. Der wiederum bringt seine wunderbar schräge Band KUU! mit und das Klaviertrio Punkt.Vrt.Plastik. Derartige Vielfalt der Präsentation übertrifft nur der offizielle »Artist in Residence« Christian Reiner mit diversen neuen Projekten, die der schlicht sensationelle Musik-undprache-Artist mit alten Bekannten durchzieht. Mal geht es mit Gebläse-Sextett um »LUFT«, mal um Gedichte, am Waldrand gerufen – und am Familiensonntag können Kinder mit eigenen Ideen zum »Bienenkino« beitragen. Vorschlag: »Nur Imker brauchen eine Maske«? Hopefully! ||
INTERNATIONALES JAZZFESTIVAL SAALFELDEN 2021
Verschiedene Spielorte | A-5760 Saalfelden | 16.–22. August 2021 | Tickets: +43 6582 70660 (Reservierung notwendig)
Mehr Artikel über Musik der unterschiedlichsten Art gibt es in der aktuellen Ausgabe. Hier geht es zu Kiosk.
Das könnte Sie auch interessieren:
Cristian Măcelaru & Orchestre National de France in München
Junger Jazz aus München
Grey Scale Festival 2024 im Muffatwerk
Liebe Leserinnen und Leser,
wir freuen uns, dass Sie diesen Text interessant finden!
Wir haben uns entschieden, unsere Texte frei zugänglich zu veröffentlichen. Wir glauben daran, dass alle interessierten LeserInnen Zugang zu gut recherchierten Texten von FachjournalistInnen haben sollten, auch im Kulturbereich. Gleichzeitig wollen wir unsere AutorInnen angemessen bezahlen.
Das geht, wenn Sie mitmachen. Wenn Sie das Münchner Feuilleton mit einem selbst gewählten Betrag unterstützen, fördern Sie den unabhängigen Kulturjournalismus.
JA, ich will, dass der unabhängige Kulturjournalismus weiterhin eine Plattform hat und möchte das Münchner Feuilleton