Kaum mehr bekannte süddeutsche Maler des Impressionismus Iassen sich aktuell in der Gemäldegalerie Dachau entdecken.
Licht, Luft und Farbe.
Impressionismus in Süddeutschland
Frühlicht und Mittagssonne
Wolken, die ziehen – wobei die große Wolkenformation in ver- änderter Dymamik sich in der weiten Wasserfläche spiegelt. Das fast quadratische, 120 cm breite Seestück hat der für seine Entenbilder bekannte Alexander Koester gemalt – auch ein großartiges Sehstück, das an konzeptionelle Landschaftsfotografie erinnert. Denn unser Blick auf Landschaft ist tief von der Malerei des 19. Jahrhunderts geprägt. Speziell vom offenen Blick des Impressionismus, seiner Hinwendung an die flüchtigen Erscheinungen des Atmosphärischen.
Licht und Luft, Sonne und Dunst: eine Lichtstimmung bei Sonnenaufgang, ein Hafen im Nebel. Der Titel des Bildes von Claude Monet, bei dem Kritiker und Publikum nicht erkannten, was da dargestellt sei, gab als Spottname 1874 in Paris der Kunstrichtung den Namen. Und der Impressionismus veränderte tatsächlich den Blick auf die Welt. Eine Welt als Freizeitvergnügen, mit Mohnfeldern, Strandpromenaden und Flussufern, Frauen in hellen Kleidern und mit Sonnenschirmen, mit Ruderern, Seglern, Badenden und Spaziergängern, mit wimmelnden Boulevards, mit Bahnhöfen und Eisenbahnbrücken, mit flirrendem Licht auf dem Wasser und zwischen den Blättern der Bäume. Eine neue, weltzugewandte Kunst, die auf Idealisierung, Stilisierung und Symbole verzichtet, ohne akademische Konventionen auskommt und ganz auf die Freude des Sehens vertraut. Der Impressionismus war die erste moderne Bewegung – und von internationaler Ausstrahlung: Maler und Malerinnen aus Skandinavien oder vom Balkan, aus Kanada und Japan kamen nach Paris oder sahen die Landschaften ihrer Heimat mit neuen Augen.
Wie hierzulande auf diese Kunstbewegung und ihr malerisches Programm reagiert wurde, das führt mit interessanten, teils kaum bekannten Beispielen die Gemäldegalerie Dachau vor Augen. »Keine Katze kauft mir hier in Paris meine Bilder ab«, klagt 1905 ein Bohémien vom Montmartre im satirischen Text der Zeitschrift »Jugend« zu einer Zeichnung von Albert Weisgerber. »Gib dich für einen berühmten Impressionisten aus und schicke die Schwarten nach Berlin«, antwortet seine Begleiterin mit dem kühnen Hütchen. Aber das galt nur für avancierte Galerien und Sammler. Denn Frankreich war der Erzfeind, und der Kaiser und seine historisierenden Künstler verachteten speziell diese in Frankreich mittlerweile anerkannten Modernen. Hugo von Tschudi hatte als Generaldirektor der Nationalgalerie in Berlin als Erster Manet in ein Museum geholt, kaufte Monet und Degas und Cézanne. 1908 musste er seinen Hut nehmen, wechselte 1909 nach München: Die Neue Pinakothek verdankt ihre impressionistischen Meisterwerke – auch van Gogh, Gauguin und Matisse – seinen Ankäufen.
Die Dachauer Ausstellung zeigt »Malerei süddeutscher Impressionisten«, der Schwerpunkt liegt auf den Kunstzentren Stuttgart, Karlsruhe und München – speziell mit dem Reichtum reizvoller Landschaftsmotive und der Künstlerkolonie in Dachau. Adolf Hölzel wirkte lange mit seiner Malschule in Dachau, bevor er 1905 an die Stuttgarter Akademie berufen wurde; der Mitbegründer der abstrakten Malerei kehrte nie mehr nach Dachau zurück. Ludwig Dill hingegen, wie Hölzel und Arthur Langhammer Mitbegründer der Neu-Dachauer Bewegung, wechselte zum Studium von Stuttgart nach München, wurde dort Gründungsmitglied, später Präsident der Münchner Secession, siedelte sich in Dachau an und kehrte auch während der 20 Jahre seiner Professur in Karlsruhe im Sommer stets ins Dachauer Moos zurück zum Malen. Ein anderer Professor der renommierten Großherzoglichen Badischen Akademie, Friedrich Kallmorgen, später Professor für Landschaftsmalerei in Berlin, reiste viel, besuchte aber nie Dachau. Eugen Schönleber, Direktor in Karlsruhe, und Hermann Baisch, dort Professor für Tiermalerei, hatten sich in München in der Malschule von Adolf Lier kennengelernt.
Beide brachten die in München und Dachau so reich gepflegte Landschaftsmalerei, die zunehmend an Gewicht gewann gegenüber der traditionell höchstbewerteten Historienmalerei, verstärkt in die Karlsruher Akademie ein. Schönleber machte dort mit Seiten- und Oberlichtfenstern, die sich öffnen ließen, Pleinair-Studien im Atelier möglich. Von Schönleber zeigt die Ausstellung eine fast orientalische Lichtstimmung in Chioggia, von Baisch eine Fischerszene aus Katwijk, wo die Pferde durchs Wasser stampfend ein Boot ins Meer ziehen. Denn Motive von Malerreisen in den Süden wie in den Norden bezieht diese »süddeutsche« Schau mit ein, die Barbara Stark von der Städtischen Wessenberg-Galerie in Konstanz und Elisabeth Boser, Chefin der Dachauer Museen und Galerien, gemeinsam kuratiert haben. Die Dachauer Schau ist nicht nach Kunstzentren und Malschulen geordnet (darüber informiert der schöne Katalog), sondern gruppiert die 80 Gemälde thematisch nach vergleichbaren Motiven. »Es gibt Bilder, die vertragen gut Nachbarschaft«, erzählt Boser von ihren Erfahrungen beim Hängen, »andere wiederum, auch kleine Formate, brauchen mehr Platz um sich«. Den Anfang machen Apfelbäume des Stuttgarters Otto Reiniger, der in München studiert hatte. Er war finanziell unabhängig und konnte malen, was ihn interessierte: »Im Frühlicht« das bewegte Wellenspiel im Fluß oder, auch faszinierend, der »Feuerbach im Winter« mit wunderbaren Lichtschattierungen in Eis, Schnee und Wasser. Reinigers Freund Hermann Pleuer hatte einen Sponsor und widmete sich dem Thema Eisenbahn, malte Züge und Bahnsteige, Lokomotiven und Arbeiter.
Die drei großen Namen des deutschen Impressionismus sind Max Liebermann, Lovis Corinth und Max Slevogt, drei Berliner mit Münchner Vergangenheit. Von Corinths explosiver Lichtsituation in einem Dachauer Waldstück (1890) bis zu einer Luzerner Hafenansicht, einem Spätwerk von 1923, spannt sich eine schöne, starkfarbige Reihe von Gemälden, in der auch – als einzige Frau und Deutschlands erste Malerei-Professorin – die Münchnerin Maria Caspar-Filser mit ihrem »Frühling auf der Schwäbischen Alb« einen Akzent setzt. Wenn man am Ende mit geöffneten Augen für atmosphärische Details ein Stockwerk tiefer durch die Sammlung zur Malerei in Dachau wandert, wird man manchem wiederbegegnen und einiges entdecken. Zum Beispiel das dynamische »Sturm«-Bild (1898) des Engländers Charles R. Tooby mit dem geduckten Dörfchen unter dem gleißenden Licht zwischen den dunklen Wolken. Wilhelm von Uhde, der mit naturalistischer Drastik im Sozialen biblische Themen in eine malerische Gegenwart versetzte, ist oben und unten mit je einer Version von »Schwerer Gang« vertreten, wo Joseph und Maria auf regennassem Spurweg im Nebel Herberge suchen. Aber auch mit sommerlichen Lichtspielen und aufgelösten Farbsprenkeln in den Szenen junger Frauen in der »Mittagssonne« und seiner Töchter im Garten des Hauses am Starnberger See.
Oder mit einem von drei Biergartenmotiven neben Liebermann und Hölzel. Konstruktiv über den Impressionismus mit seinen Farbtupfern hinauszugelangen suchte – wie auch Hölzel – der höchst talentierte, 37-jährig im Krieg gestorbene Albert Weisgerber. Mit strukturgebender fester Fügung der dunklen Baumstämme: oben bei einer »Dame im Park«, unten beim »Sommertag« einer Gesellschaft im Wald – eine Frau spielt Laute, eine Nackte tanzt –, wo die Zweige vom Licht überschüttet werden, das Grün sich ins Licht, in Farbenspiele auflöst. Schwer zu sagen, ob das in der Nähe von München spielt oder eine Reminiszenz an seine Zeit in Paris 1906 darstellt, auf der Suche nach der Harmonie von Farbe und Form. ||
LICHT, LUFT UND FARBE. MALEREI SÜDDEUTSCHER IMPRESSIONISTEN
Gemäldegalerie Dachau | Konrad-Adenauer-Str. 3, 85221 Dachau | bis 10. Oktober | Di–Fr 11–17 Uhr, Sa/So/Feiertag 13–17 Uhr | Führung: 11. Juli, 14 Uhr (Anmeldung: 08131 5675-13)
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