Klaus Kinold (1939-2021) war ein Großer seines Metiers. Nun ist die erste postume Ausstellung des Münchner Architekturfotografen in der Walter Storms Galerie zu sehen.
Klaus Kinold
Poetische Sachlichkeit
Immer wieder ist sie für tot erklärt worden, die »klassische« Architekturfotografie. Dass sie aber bis heute lebendig ist, dafür ist das so umfangreiche wie vielfältige Werk des Münchner Fotografen Klaus Kinold der schönste Beweis. Was ist unter klassisch zu verstehen? Zunächst einmal, dass die Fotografie überwiegend schwarz-weiß auftritt. Zur Überraschung vieler, die sich Architektur nur noch in bunten Bildern vorstellen können, pflegen auch zeitgenössische Fotografen die bewährte Tradition – weil ihnen bewusst ist, dass solche Aufnahmen anders und viel intensiver gelesen werden. Das Auge des Betrachters wandert durch die Bilder und imaginiert dabei die »fehlenden« Farben, ob einer Lichtsituation oder eines bestimmten Materials. Zum Zweiten bemüht sich die klassische Architekturfotografie um Objektivität. Deshalb vermeidet sie willkürliche Standpunkte oder verzerrte Perspektiven. Der Fotograf soll sich nicht selbst mit »spektakulären« Ansichten in Szene setzen, sondern dem Betrachter den Charakter eines Gebäudes möglichst getreu vermitteln.
Daraus folgt zum Dritten: Diese Fotografie will dem Architekten und seinem Bauwerk dienen. Kein Wunder also, dass Klaus Kinold, der am 20. März nach schwerer Krankheit gestorben ist, große Fotografen wie Albert Renger-Patzsch, Werner Mantz und Walker Evans zu seinen Vorbildern zählte. Wie seine Vorgänger pflegte er das schwarz-weiße Bild, wie diese fühlte er sich einer poetischen Sachlichkeit verpflichtet. Kinold, der nicht nur in Europa und den USA als Auftragsfotograf gearbeitet, sondern außerdem internationale Fachzeitschriften für Architektur herausgegeben hat, erwarb sich rasch den Ruf als ein herausragender Vertreter seines Metiers. Auf seinen Reisen begleiteten ihn häufig regionale Experten. In Belgien war es der Architekt und Hochschullehrer Marc Dubois. Nach mehrjähriger Zusammenarbeit würdigte er Klaus Kinold als »Architekturfotografen von Weltformat«.
Klaus Kinold: Das Auge des Architekten
Von den meisten Kollegen unterschied ihnaber eines: Kinold war selber Architekt. 1939 in Essen geboren, studierte er an der Karlsruher Hochschule bei Egon Eiermann, jenem Meister des Stahlbaus, der seine Studenten zu Klarheit und Präzision führen wollte. Kinold ließ sich führen und kultivierte folgerichtig als lichtbildnerischer Autodidakt seine Haltung einer schnörkellosen Architekturfotografie. Sein inzwischen viel zitiertes Motto war: »Ich will Architektur zeigen, wie sie ist.«
Kinold hatte das Glück, in Europa und Nordamerika wichtige Bauten von allen Meisterarchitekten der Moderne fotografieren zu können: von Alvar Aalto wie von Frank Lloyd Wright, von Mies van der Rohe und Walter Gropius, von Le Corbusier, Louis Kahn und Joze Plecnik. Ein zweiter Schwerpunkt seiner Arbeit waren suggestiv wirkende Panoramabilder von Landschaften und Orten, die er ohne Auftrag geschaffen hat. Das ganze Spektrum seiner Architekturfotografie gab 2009 die große Ausstellung des Architekturmuseums in der Pinakothek der Moderne wieder, die ihm Winfried Nerdinger eingerichtet hatte. Zu sehen war auch sein großes Interesse am modernen Kirchenbau, das im Prestel Verlag zu drei Büchern geführt hat.
Kinold, der seit 1972 in München lebte und arbeitete, wusste ebenso die Leistungen von Architekten zu schätzen, die vornehmlich in Bayern gebaut haben, etwa von Eberhard Schunck und Werner Wirsing. Ganz zu schweigen vom Eichstätter Diözesanbaumeister Karljosef Schattner, dessen Werk er in der Nachfolge von Sigrid Neubert dokumentiert hat. Eine besondere Faszination empfand er für Hans Döllgast, für dessen Auseinandersetzung mit kriegszerstörten Münchner Bauten. Kinold betrachtete es deshalb als schöne Fügung, dass er 2019 in der Münchner Architekturgalerie eine konzise Ausstellung zum Thema »Schöpferische Wiederherstellung« zeigen konnte. Dabei setzte er das Dreigestirn Hans Döllgast, Karljosef Schattner und Josef Wiedemann ins Bild – mit dem kulturellen Appell, deren herausragende Werke möglichst unverfälscht zu erhalten.
Klaus Kinold fotografiert Schlüsselwerke von Mies van der Rohe
Wegen der Pandemie auf dieses Jahr verschoben, sind nun in der Walter Storms Galerie postum Kinolds Bilder von zwei Schlüsselwerken des Weltarchitekten Mies van der Rohe zu sehen. Kongenial hat der Fotograf sowohl den rekonstruierten Barcelona-Pavillon als auch die Villa Tugendhat in Brünn erfasst – beeindruckt von der präzisen Konstruktion der Bauten und der in beiden Fällen neuartigen Raumbildung. Die Tugendhat-Aufnahmen aus dem Jahr 2019 sind zugleich Kinolds letzte große Fotoserie vor seinem Tod. Seine Leidenschaft zeigt auch das Buch zur Ausstellung, der sechste Band seiner viel beachteten Fotobuchreihe im Hirmer Verlag. Als Vermächtnis werden in dieser Reihe noch weitere Bücher erscheinen – drei Tage vor seinem Ableben konnte Klaus Kinold den Entwurf eines neunten Bandes abschließen. ||
KLAUS KINOLD: LUDWIG MIES VAN DER ROHE – BARCELONA PAVILLON UND HAUS TUGENDHAT
Walter Storms Galerie | Schellingstr. 48
11. Juni bis 31. Juli | Di bis Fr 11–18 Uhr, Sa 11–16 Uhr
KLAUS KINOLD (HRSG.): LUDWIG MIES VAN DER ROHE. BARCELONA PAVILLON. HAUS TUGENDHAT
Fotografie: Klaus Kinold | Texte: Christoph Hölz, Wolf Tegethoff
Hirmer, 2020, Link
72 S., zahlr. Abb. 35 Euro
Hier geht es zum Kiosk
Das könnte Sie auch interessieren:
Capri: Zwei Ausstellungen in Dachau
dive_in: Münchner Kultur digital
Theater in Bayern. Kultur im Denkmal: Rezension zum Bildband
Liebe Leserinnen und Leser,
wir freuen uns, dass Sie diesen Text interessant finden!
Wir haben uns entschieden, unsere Texte frei zugänglich zu veröffentlichen. Wir glauben daran, dass alle interessierten LeserInnen Zugang zu gut recherchierten Texten von FachjournalistInnen haben sollten, auch im Kulturbereich. Gleichzeitig wollen wir unsere AutorInnen angemessen bezahlen.
Das geht, wenn Sie mitmachen. Wenn Sie das Münchner Feuilleton mit einem selbst gewählten Betrag unterstützen, fördern Sie den unabhängigen Kulturjournalismus.
JA, ich will, dass der unabhängige Kulturjournalismus weiterhin eine Plattform hat und möchte das Münchner Feuilleton