Seit den 1960er Jahren versorgt edition text+kritik Kulturinteressierte mit detailreich recherchierten Publikationen. Ein Streifzug durch das Kinosegment des Münchner Verlagshauses lässt Cineastenherzen höherschlagen.

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Lesen auf Papier – einfach unersetzlich

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»Unser Verlag ist nicht darauf ausgelegt, kurzfristig möglichst viel zu verkaufen, sondern über einen Zeitraum von fünf, zehn, teilweise sogar 20 Jahren. Wir wollen also Bücher von möglichst bleibendem Wert realisieren.« Damit umreißt Jerome P. Schäfer sehr treffend die Qualität der Publikationen, die man von edition text+kritik erwarten darf. Neben Heike Hauf (Literatur) und Johannes Fenner (Musik) ist er seit 2015 als Lektor für die Programmbereiche Film, Medien und Kultur zuständig und sorgt so dafür, dass Filmemacher, Journalisten, aber auch filmhistorisch Interessierte und vom Kino Begeisterte regelmä­ßig mit Lesestoff versorgt werden. Der im Münchner Stadtteil Berg am Laim ansässige Verlag wurde 1963 von Heinz Ludwig Arnold gegründet und verfügt heute über mehr als 1000 Titel, darunter auch Reihen und Nachschlagewerke in Loseblattform wie den »Cinegraph«, der seit 1984 bei edition text+kritik erscheint.

Mit seinen akribisch recherchierten Bio­ und Filmografien über Filmschaffende aus dem deutschsprachigen Raum gilt er bereits seit mehreren Dekaden auch auf internationaler Ebene als Standardwerk. Deshalb darf das Lexikon zum deutschsprachigen Film, das in seinem kleinen silbergrauen Ordner und mit dem Logo auf schwarzem Zelluloidstreifen so herrlich antiquiert daherkommt, auch in keiner cineastisch orientierten Bibliothek fehlen. Zwar ist der »Cinegraph« momentan immer noch nur als Loseblattsammlung verfügbar. »Aber«, so verspricht Schäfer, »wir arbeiten daran, ihn auch online anzubieten. Dass die Zukunft auch in diesem Bereich dem Digitalen gehört, steht außer Frage. Aber bei uns existiert beides nach wie vor nebeneinander, das Druckwerk und das Digitale laufen zusammen und funktionieren so auch am besten.«

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Dass man sich bei edition text+kritik nicht der Moderne verschließt, erkennt man daran, dass inzwischen nahezu alle der rund 60 Titel, die pro Jahr herausgebracht werden, auch als E­-Book erscheinen. Die Nachfrage in diesem Segment hat sich in der Corona-­Krise sogar noch verstärkt, da bei geschlossenen Buchhandlungen und Bibliotheken zwangsläufig online und dort auch mehr digitale Produkte gekauft wurden. Das kann Schäfer absolut bestätigen: »Die Zahlen im E­-Book­-Segment steigen«, aber er merkt auch an: »Das gedruckte Buch wird immer weiter existieren. Dieses Lesen auf Papier ist gerade bei Fachbüchern, die gerne mal 300, 400 Seiten dick sind, nicht zu ersetzen. Denn es ist bedeutend angenehmer, ein Buch auf dem Tisch liegen zu haben, als sich durch eine PDF­-Datei zu quälen.«

Mit seinen Reihen wie etwa den »Filmkonzepten«, deren 50. Jubiläums­Heft sich 2018 dem deutschen Ausnahmeregisseur Wim Wenders widmete, oder Büchern über Nischenthemen wie den DDR­-Amateurfilm beziehungsweise den österreichischen Industrie­ und Werbefilm, richtet sich der Münchner Verlag in der Regel an ein ausgewiesenes Fachpublikum. Wenn es nach Jerome P. Schäfer geht, soll sich das in naher Zukunft ändern. Zu diesem Zweck wurde eigens die Reihe »Filmgeschichte kompakt« aus der Taufe gehoben: »Hier wird im Juni 2021 der erste Band zum japanischen Film erscheinen. Mit dieser Reihe möchten wir versuchen, eine breitere Leserschaft zu erreichen, sie steht in der Tradition der blauen Reihe von Hanser und den Heyne-­Filmbüchern.« Diese stellt die Filmgeschichte eines einzelnen Landes in den Vordergrund und soll laut Verlagsangaben »eine kompakte, verlässliche und leicht zugängliche Einführung für den cineastisch und/oder wissenschaftlich interessierten Leser bieten.«

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In »Der japanische Film« gewährt Kayo Adachi-­Rabe, Lehrbeauftragte am Seminar für Kunstgeschichte und Filmwissenschaft der Friedrich­Schiller-­Universität Jena, einen historischen Überblick, stellt die wichtigsten Regisseure von den Anfängen bis zur Gegenwart vor und präsentiert so die faszinierende Vielfalt der japanischen Kinokultur. Es gibt aber auch durchaus Bereiche, die edition text+kritik anderen Verlagen überlässt. Schäfer spricht hier von bestimmten Schwerpunktsetzungen: »Damit will ich sagen, dass man von uns als Verlag nicht erwarten würde, dass wir darüber publizieren. So geben wir wenig oder gar keine Bücher über eine bestimmte Form von Genrekino, zum Beispiel den Horrorfilm, heraus.« Das gilt auch in der Regel für Streamingserien, wie sie Anbieter wie Netflix und Amazon im Dutzend auf den Markt werfen, und die sich gerade während der Pandemie wegen geschlossener Kinos nach wie vor größter Beliebtheit erfreuen. Warum sein Fachverlag in der Regel keine Bücher dazu publiziert, liegt laut Schäfer daran, »dass die Aufmerksamkeitsspanne in der Öffentlichkeit relativ kurz ist. Früher war es so, dass eine Serie erst einmal bei einem Pay-­TV-­Sender lief und später ins normale Fernsehen weitergewandert ist. Damit war über mehrere Jahre eine gewisse Aufmerksamkeit gewährleistet. Heute ist eine Serie für kurze Zeit extrem populär, wird aber dann auch relativ schnell wieder vergessen.«

Stattdessen konzentriert man sich bei edition text+kritik auf andere Themen, und da entpuppen sich Bücher, die sich mit dem Werk eines einzelnen Regisseurs auseinandersetzen, als wahre Bestseller. Gerade, wenn es sich um renommierte Filmemacher wie Quentin Tarantino oder den bereits erwähnten Wim Wenders handelt. Und Schäfer fügt hinzu: »Ein richtig starker Longseller ist außerdem Thomas Elsaessers Filmgeschichte und frühes Kino. 2002 erschienen, ist es nach wie vor das mit Abstand meistverkaufte Filmbuch unseres Verlages.« Das gute Renommee, das sich die Münchner Bücherschmiede auch in den Segmenten Musik und Literatur über die Jahre erarbeitet hat, liegt auch an der Themenfindung und wie diese umgesetzt werden. Denn, so betont Schäfer, »die Entstehung eines Buches und die Art und Weise, wie es geschrieben wird, ist in der Regel den Autoren selbst überlassen. Das funktioniert auch sehr gut, weil wir primär mit Fachleuten zusammenarbeiten, die das Forschen und das Schreiben gewohnt sind. Das heißt, hier besteht ein großes Vertrauensverhältnis zwischen Autor und Verlag.«

Diese größtmögliche künstlerische Freiheit, die Autoren und Herausgeber bei ihrer Arbeit gewährt wird, spiegelt sich auch in zwei weiteren Neuerscheinungen, in »Ufa international«, einem klassischen filmhistorischen Band über einen Teilbereich der Ufa-­Geschichte, sowie »No Angels«, der den Filmgöttinnen Mae West, Rosalind Russell und Carole Lombard ein Denkmal setzt und anlässlich der Retrospektive der Berlinale im Mai 2021 erscheint. Dafür wird Rainer Rother, der künstlerische Direktor der Deutschen Kinemathek, je ein Essay über die drei Schauspielerinnen verfassen. Hier kann edition text+kritik einmal mehr seine Kernkompetenz ausspielen und von Kinogeschichte faszinierte Cineasten mit fundierten Studien und detailgenau belegten Fakten beglücken. ||

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