Ein Porträt der Münchner Schmuckkünstlerin Alexandra Bahlmann.
Alexandra Bahlmann: Von Mäuse-Urnen und Opernbesuchen
Prachtvoll, aber nie protzig – so kann man Alexandra Bahlmanns Schmuck beschreiben. Es ist ein lustvoller Schmuck, ohne Angst vor Schnörkeln, mal verspielt, mal geometrisch, mal ironisch, manchmal werden historische Formen zitiert, manchmal sind Anleihen aus ethnologischem oder Modeschmuck erkennbar – alles darf sein. Farbe ins Spiel kommt durch winzige Edelsteinperlen: grüner Amazonit, Karneol oder Granat in Rot, Lavendelquarz in hellem Lila und Grau, Natursteine in ihrer beschränkten, aber eben auch ausgewogenen Farbigkeit. Glasperlen benutzt Alexandra Bahlmann trotzdem nicht, alle Steine sind »echt«. Ihr Schmuck ist unkonventionell, ohne zu provozieren, ein Hingucker, der auf den ersten Blick pure Gestaltungsfreude erkennen lässt. Auf den zweiten Blick zeigt sich, wie extrem durchdacht und gut konstruiert die Sachen sind. Absolut tragbar, nicht nur in formaler, sondern auch in sozialer Hinsicht. »Ich versuche immer Schmuck zu machen, der bezahlbar ist, das ist ja auch ein politischer Ansatz in gewisser Weise«, sagt die Künstlerin. Bezahlbarer Schmuck, der gleichzeig opulent wirkt und einzigartig ist: Das geht nur, wenn man die Arbeitsprozesse rationalisiert. Alexandra Bahlmann arbeitet in Kleinserien. Für die einzelnen Elemente ihrer Halsketten, Ohrringe und Armbänder hat sie eine Art Baukastensystem entwickelt, das auch industriell hergestelltes Halbfertigzeug oder von professionellen Gießern reproduzierte Kleinteile aus Silber beinhaltet, die sie dann in Handarbeit zusammenlötet. Wenn sie nicht gerade aus Gold sind, bleiben die Stücke preislich so im dreistelligen Euro-Bereich.
Dass es schwierig sein würde, vom Schmuckmachen zu leben, war ihr von Anfang an klar, aber Trotz war für Alexandra Bahlmann schon immer eine große Antriebskraft im Leben. Und so machte die 1961 geborene Düsseldorferin gegen alle Widerstände eine Goldschmiedelehre. »Meine Eltern fanden das unmöglich, dass ich mir so einen Beruf ausgewählt habe: so schwierig und unakademisch – was Handwerkliches! Es gab ja immer diese Hierarchie zwischen freier bildender und angewandter Kunst, und natürlich hab ich dann gedacht, warum soll ich jetzt freiwillig so etwas Inferiores machen, ist das wirklich blöder? Und warum ist das so? Daran hab ich lange rumgekaut und mich dann sehr bewusst entschlossen, mich in diese Kategorie zu begeben.« Nach der Lehre folgte ein Schmuckstudium an der Gerrit Rietveld Academie in Amsterdam und später an der Akademie der Bildenden Künste in München. »Ich hab auch überlegt, ob ich Kunst studiere, aber mir hat eigentlich das Angewandte gefallen, dass man für einen Zweck arbeitet«, erzählt Dahlmann. »Damals war Dekoration ein Schimpfwort und ich hatte einfach nun mal ein Faible für das Dekorative, ich konnte das nicht so laut sagen, das war irgendwie tabu damals, aber ich wusste das und ich finde auch bis heute nicht, dass das Dekorative Inhalte ausschließt.« Um ihr Studium zu finanzieren, arbeitete sie im Schumann’s in der Küche, sieben Jahre lang. »Charles hat mir auch als erster ein teures Schmuckstück abgekauft«, sagt sie. Seitdem arbeitet sie in ihrem eigenen Atelier in München, seit ein paar Jahren in den genossenschaftlichen Räumen »Streitfeld« in Berg am Laim.
Bei den Juroren für das symbolische Amt des Erfurter Stadtgoldschmieds – eine Art Arbeitsstipendium, auf das sich regelmäßig Dutzende internationale Schmuckkünstler bewerben – kamen ihr Konzept und die Ästhetik ihrer Arbeiten gut an. Trotz coronabedingt leichter Terminverschiebungen konnte Alexandra Bahlmann im Sommer letzten Jahres drei Monate lang im thüringischen Erfurt leben, arbeiten und eine Ausstellung realisieren. »Das waren die besten drei Monate des letzten Jahres!« In Erfurt hat sie sich an ein ganz neues Material herangewagt: Emaille. Allerdings hat sie nicht etwa mit Schmuckemaille in Pulverform gearbeitet, sondern mit flüssigem Stahlemaille, das man in der Industrie zum Beispiel für Verkehrsschilder benutzt. So sind völlig neue Elemente in ihren Schmuckteile-Baukasten hineingewandert, flächig und in ganz neuen Farben: Die Künstlerin ist sehr zufrieden.
Sonst aber war es ein schwieriges Jahr. Und was die Zukunft angeht, ist Bahlmann auch eher pessimistisch. Kein Wunder: Zum zweiten Mal in Folge ist die Internationale Handwerksmesse abgesagt worden – und damit auch die Sonderschauen der Handwerkskammer München und Oberbayern, also auch die SCHMUCK, ein international einzigartiges Event, zu der nicht nur die Ausstellung auf der Messe, sondern auch Dutzende Schmuckausstellungen in der ganzen Stadt gehören. Die Münchner Schmucktage sind das Branchentreffen schlechthin: Macher, Galeristen, Sammler und Kuratoren aus aller Welt treffen sind in München, der »Welthauptstadt des Autorenschmucks«. Doch nun treffen sie sich eben schon zum zweiten Mal nicht. Ein herber Schlag für die Schmuckszene und das gestaltende Handwerk insgesamt. Alexandra Bahlmann ist normalerweise für die Ausstellungspräsentation der SCHMUCK verantwortlich. Das Honorar dafür macht einen nicht unerheblichen Teil ihres Einkommens aus. Auch der Verkauf der eigenen Arbeiten läuft natürlich schleppend. Man kann seine Sachen nirgends zeigen, es gibt keine Ausstellungen und keine Messen, Galerien und Läden sind geschlossen.
»Es geht nichts mehr oder nur tröpfelnd, keiner plant mehr irgendwas. Es ist ja nicht so schlimm, mal nichts zu verdienen, das kennen wir, aber es ist alles so demotivierend.« Die fehlende Perspektive, wann und ob mancher Laden überhaupt wieder öffnet, macht ihr zu schaffen. Manch fertig konzipierte Ausstellung liegt nun seit einem Jahr in Kisten verpackt: »Don’t Forget to Die« hätte bereits vor einem Jahr in der Galerie schlegelschmuck gezeigt werden sollen: moderner Memento-mori-Schmuck als Anlass, das Leben zu feiern! Alexandra Bahlmann hat versucht, dem eigentlich so schweren Thema Tod ein bisschen Leichtigkeit einzuhauchen. Aus schwarzen Spinellperlen hat sie Mäuse-Urnen und Insektensärge geschaffen, das goldene Kreuz in der Mitte steht für die Mäuseseele. »Glitzer ist wichtig, bestattet wird schließlich mit Pomp!«, sagt sie und erzählt, wie sie als Kind tote Tiere im Garten begraben hat. In anderen Stücken zum Thema arbeitet sie mit dem Unendlichkeitszeichen oder der Ziffer Null. Wie immer in ihrem Schmuck geht es um Assoziationen und spielerische Leichtigkeit. »Ich möchte es immer so machen, dass man sich was dabei denken kann, aber dass man es auch weglassen kann. Dass man einfach nur eine Form trägt, die einen hebt, die einen attraktiver macht, die die Präsenz stärkt, mit der man gut aussieht. Und die Inhalte sind wie eine Zugabe und die sehen manche sofort, andere überhaupt nicht – und das ist auch in Ordnung. Ich mache manche Sachen auch, weil mir der formale Effekt und das Farbenspiel gefällt.«
Alexandra Bahlmann trägt auch selbst gern Schmuck, den eigenen, aber auch den von Kollegen. »Ich finde, Schmuck bereichert das Leben. Ich finde es gut, wenn man wo hingeht und sich das auch überlegt, was man da trägt … Wenn ich bei einem Vermieter vorspreche, tue ich mir auch mal eine dicke Perle ans Ohr, kann ja nicht schaden. Also da will ich seriös aussehen, das kann man ja sehr gut mit Schmuck pointiert zuspitzen.« Keine Frage, Schmuck ist – genau wie Kleidung – ein starkes nonverbales Zeichen. Besonders gut lässt sich das in der Oper beobachten: »Ich gehe unheimlich gern in die Oper, auch in schlechte, mit möglichst vielen Pausen, um da intensiv zu studieren, was die Münchner wieder anhaben, die brezeln sich ja noch auf im Gegensatz zu anderen Städten. Ich liebe das sehr, da wird der Goldschmuck aus der Schatulle geholt für die Oper – wundervoll!« Wann man wieder in die Oper gehen kann, steht in den Sternen. Aber eines kann man sich ja schon mal vornehmen: Wenn wir unsere Wohnungen dann endlich überhaupt mal wieder verlassen dürfen – dann doch bitte mit Schmuck! ||
Website von Alexandra Bahlmann
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