Die Galerie der Künstler muss ausziehen. Ungewiss ist nur der Zeitpunkt.
Galerie der Künstler: Königlich privilegiert?
Eine lange Traditionslinie: 1868 unterzeichnete König Ludwig II. die Statuten der »Genossenschaft der bildenden Künstler Münchens«. Die organisierte erfolgreich internationale Ausstellungen, baute unter der Präsidentschaft Lenbachs – als luxuriöses Vereinsheim, Fest- und Begegnungsort für alle Münchner Künstler – das Künstlerhaus am Lenbachplatz. Im Jahr 1900 erhielt die Münchener Künstlergenossenschaft königlich privilegiert 1868, wie sie heute noch heißt, das Erdgeschoss des ehemaligen Bayerischen Nationalmuseums, also den jetzigen Trakt der »Galerie der Künstler«, von Prinzregent Luitpold »zur freien Ausstellung und zur Entfaltung zeitgenössischer Bildender Kunst«. 1905 gründeten Münchner Künstler auch einen Berufsverband zur Vertretung ihrer sozialen und wirtschaftlichen Belange, aus dem 1914 der »Wirtschaftliche Verband Bildender Künstler Deutschlands« entstand. 1939 wurden Künstlergenossenschaft und Berufsverband – wie alle Künstlervereinigungen – aufgelöst und in die Reichskammer der Bildenden Künste integriert. Grundbesitz und Vermögen der Künstlergenossenschaft wurden beschlagnahmt. Eine eigenständige freie Vertretung der Künstlerschaft war nicht mehr gegeben.
1947 dann wurden auf Veranlassung der Alliierten und der Bayerischen Staatsregierung die Räume in der Maximilianstraße an den neu begründeten Berufsverband Bildender Künstler übergeben, in Nachfolge der erst 1949 wiedergegründeten »Königlich Privilegierten«. Auf diese Weise kehrte die Künstlerschaft in die angestammten Räume zurück. Eine junge Generation von Künstlerinnen und Künstlern modifizierte 1981 das Ausstellungsprogramm und nannte die Räumlichkeiten selbstbewusst »Galerie der Künstler«. Gefördert wurden nun vorrangig junge Künstler*innen aus dem Münchner und dem bayerischen Raum. Träger der Galerie der Künstler ist bis heute der Berufsverband Bildender Künstlerinnen und Künstler München und Oberbayern e.V. – kurz: BBK –, der sich die Vertretung kulturpolitischer, rechtlicher, sozialer und wirtschaftlicher Interessen von Künstler*innen zur Aufgabe gemacht hat. Der Start ins Leben als Berufskünstler ist bei vielen mit der Teilnahme an den Ausstellungsreihen »DebutantInnen« und »Die ersten Jahre der Professionalität« verknüpft.
Seit 1985 hängt die drohende Kündigung immer wieder wie ein Damoklesschwert über der Galerie der Künstler – wegen Eigenbedarfs, nämlich der Erweiterung des Museums Fünf Kontinente, des ehemaligen Staatlichen Museums für Völkerkunde. Das älteste ethnologische Museum Deutschlands begann 1862 als königliche Sammlung; an der Maximilianstraße beheimatet ist es erst seit 1926, nach dem Ende der Zwischennutzung durch das Deutsche Museum. Träger des Museums mit weltumspannender Sammlungs- und Vermittlungstätigkeit ist das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst. Aus Protokollen der letzten 30 Jahre ist zu entnehmen, dass dem historischen Hintergrund der Galerie der Künstler immer weniger Bedeutung zugemessen wurde. Immer wieder gab es aber auch Grund zur Hoffnung: Zuletzt hatte 2018 der damalige Staatsminister Ludwig Spaenle bei der Verleihung der bayerischen Kunstförderpreise der Galerie einen dauerhaften Verbleib zugesagt. Dieses Ministerwort interessiert seinen Nachfolger offenbar wenig. Im Februar 2020, zum erstmals möglichen Zeitpunkt nach 120 Jahren, erhielt der BBK von Kunstminister Bernd Sibler die Ankündigung, dass eine Rückkehr der Galerie nach der nächsten Sanierung ausgeschlossen wird.
Sobald der Renovierungszeitraum feststeht, hat die Galerie ein Jahr Zeit, neue Räume zu finden. Dann muss sie weichen. Derzeit ist nicht absehbar, wann die Sanierung beginnen soll. Entsprechend schwer ist es, einen trag fähigen Plan zu entwickeln: Jetzt schon nach vergleichbaren Räumen suchen, bevor die Mietpreise weiter explodieren? Möglicherweise zieht die Galerie also aus, und die Flächen in der Maximilianstraße stehen über Jahre leer.
In seinem Schreiben stellt Sibler fest, es sei »nicht zuvörderst staatliche Aufgabe, entsprechende Räumlichkeiten als Ausstellungsflächen für die Sichtbarkeit von Künstlerinnen und Künstlern« zur Verfügung zu stellen. Als Alternative, die keine ist, schlägt er den »Alten Ministergang« im Ministerium am Salvatorplatz vor. Wechselnde Ausstellungen in einem Verwaltungsgebäude? Das ist eine nette Geste. Eine Galerie, in der Ausstellungen autark gestaltet werden, kann jedoch kein Flur ersetzen. Im selben Brief erklärte er, dass das Museum auf den 600 Quadratmetern der Galerie Sammlungen oder anteilig Depot und Bibliothek unterzubringen gedenkt. Dafür müssten sich auch dezentrale Räume finden lassen. Man könnte jetzt weiterspinnen: Der Freistaat war nicht in der Lage, für die Alte Akademie in der Neuhauser Straße – eine fantastische, in München einzigartige Immobilie – ein Nutzungskonzept zu entwickeln. Er verkaufte das Areal an die Signa Holding, die mehrere Anläufe unternahm, dem Freistaat eine kulturelle Nutzung diverser Flächen anzubieten. Sie blieben ungehört. Dabei gab es Räume in der Akademie, die für Bibliotheken und Depots ideal gewesen wären. Egal, diese Möglichkeiten haben die Verantwortlichen fahrlässig verpasst. Dafür muss die Galerie der Künstler umziehen.
»Königlich privilegiert« sind Künstler in München schon lange nicht mehr. Für Sibler, so scheint es, ist die Galerie der Künstler vor allem ein Luxusproblem: Er muss sich schließlich um ganz Bayern kümmern und nicht nur um die Münchner Künstler. Corbinian Böhm, Vorstand des BBK, sagt: »Wenn das Kunstministerium es als Partner ernst meint, muss es aktiv werden, und zwar gerade jetzt. Wir wünschen uns, dass das Kunstministerium die Galerie der Künstler nicht nur als eine vorübergehende Duldung einordnet. Sie ist nicht nur ein Ort für Münchner Künstler, sondern bildet die gesamte bayerische Bandbreite der Künstler*innen ab. Und natürlich wollen die bayerischen Künstler und Künstlerinnen in der bayerischen Landeshauptstadt ausgestellt werden. Wo sonst? In Berlin?« ||
AUFSTEHEN. BBK-MITGLIEDER STELLEN AUS 2020
Die große Jahresausstellung mit 181 beteiligten Künstler*innen ist zunächst bis 16. Januar im Netz zu sehen.
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