Werner Herzog kehrt mit einem Dokumentarfilm über Meteoriten zurück und zeigt deren Einfluss auf die menschliche Vorstellungskraft.
Werner Herzog: Lust am Staunen
Schon in den ersten fünf Minuten seines neuesten Dokumentarfilmabenteuers »Fireball: Visitors From Darker Worlds« präsentiert der weltberühmte Autorenfilmer den ersten von wieder einmal vielen Oha-Momenten: Was zeigen diese umwerfenden Dashcam-Einstellungen, die 2013 auf einem Autobahnabschnitt im sibirischen Tscheljabinsk aufgenommen wurden? Welche Meteoritenart ist das, was wie eine kurze Szene aus einem apokalyptischen Sci-Fi-Szenario aussieht? Das Ganze wird selbstredend episch und mit einer flotten Mixtur aus Ernsthaftigkeit, Humor und Selbstironie erzählt, wie sich das im Herzog’schen Alterswerk seit »The Wild Blue Yonder« (2005) weiter manifestiert. Auch später noch in dieser ebenso faszinierenden wie typischen Meteoritenschau voller »ekstatischer Wahrheiten«, schreckt der bayerische Hollywood-Export nicht davor zurück, sich kurzes Szenenmaterial aus Mimi Leders allenfalls durchschnittlichem US-Katastrophenfilm »Deep Impact« (1998) einzuverleiben, den aber immerhin sein früherer Stammkameramann Dietrich Lohmann als dessen letzte Kinoarbeit fotografiert hatte, womit sich ein weiterer versteckter Kreis in Herzogs Œuvre schließt.
Zusammen mit dem Vulkanologen Clive Oppenheimer, den er bei seinen oscarnominierten »Begegnungen am Ende der Welt« kennengelernt und für die sagenhaft gute Netflix-Produktion »Into the Inferno« erstmals als Co-Regisseur und Rechercheur gewonnen hatte, reist Herzog in der Prä-Coronapandemie-Welt ein weiteres Mal um den Globus. Dieses Mal zu Kraterlandschaften, kosmischen Artefakten, wissenschaftlich fundierten Berufsträumern mit Nobelpreisen wie zu sympathischen Nerds, ehe sie am Ende sogar in der Papstresidenz Castel Gandolfo bei Bruder Guy Consolmagno landen: Der empfiehlt Beten gegen Meteoriteneinschläge und kennt sich trotzdem in der nicht immer leicht verständlichen Fachmaterie bestens aus. Das ist in der Summe sicherlich nicht Herzogs bester (Dokumentar-)Film. Dennoch ist Werner Herzog erneut eine kleine feine Produktion gelungen, die in heterogener Weise und ohne didaktischen Zeigefinger der Lust am Staunen, Fabulieren und Wissenwollen mit kurzweiliger Feuersbrunst frönt: fantastisches Drohnen- und Hubschrauberflug-Finale im ewigen Eis inklusive. ||
FIREBALL: VISITORS FROM DARKER WORLDS
Dokumentarfilm | Regie: Werner Herzog
97 Minuten | Abrufbar ab 13. November auf Apple TV+
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