Das älteste domestizierte Tier ist seit Jahrtausenden ein treuer Begleiter des Menschen. Zuletzt wurde der Hund vom Arbeits- zum Luxustier. Eine Ausstellung des Nationalmuseums untersucht das Verhältnis von Herr und Hund in der Kulturgeschichte.
Bayerisches Nationalmuseum: Hund und Herr
Der inzwischen stadtbekannte Mops von Resi-Intendant Andreas Beck hat keinen Eingang gefunden in die große Ausstellung des Bayerischen Nationalmuseums mit dem Titel »Treue Freunde – Menschen und Hunde«. Er lebt ja noch. Für solche gilt wie immer: Hunde müssen draußen bleiben. Ansonsten hält der beste Freund des Menschen derzeit das Museum in 12 Kapiteln aber so was von besetzt. Man fragt sich, wie das Haus diese Meute je wieder vertreiben will. Humor beiseite: Mit zahlreichen Abbildungen, Fotografien, Gemälden, Skulpturen, Zeichnungen, Karikaturen, Groß- und Kleinplastiken aus Porzellan, Holz, Bronze bis hin zu Videos, Büchern, Dokumenten und Textilien nähert man sich dem Hund in der Kulturgeschichte sozusagen umfassend. Selbst eine Hundemumie und eine Dermoplastik fallen auf: eine täuschend echte, lebensgetreue Nachbildung.
Über Jahrhunderte ließen sich Herrscher mit Hunden porträtieren – weil diese ihnen entweder emotional nahe standen oder besonders wackere Tiere waren, die man in Erinnerung behalten wollte. Das wohl älteste domestizierte Tier der Menschheit wurde über Jahrtausende für seine Dienste geschätzt: auf der Jagd, als Wach- und Hütehund, als Zugtier, zum eigenen Schutz. Meistens auch mit einem engen Bezug zum Menschen. Die Schau beginnt mit literarischer Prominenz, mit Bauschan: Thomas Mann hatte seiner Hühnerhund-Mischlingsdame nicht nur sein Herz geschenkt, sondern ihr auch ein Buch gewidmet. In dem kleinen Band »Herr und Hund«, 1918 geschrieben, beschreibt Mann nicht nur Spaziergänge durch das Münchner Viertel Herzogpark oder entlang der Isar, sondern speziell den Charakter des besonderen Tiers (das 1920 an Lungenentzündung starb).
Rudolph Moshammers keck frisierte Daisy ist auch zu sehen, die 2006 verstorbene Mini-Yorkie-Hündin des brutal ermordeten Modezaren. Neben anderen Promi-Hunden, die oft ihren Besitzern die Schau stahlen. Peggy Guggenheim war meist mit einem ganzen Rudel von Lhasa Apsos unterwegs, die im Garten des Palazzo Guggenheim am Canal Grande in Venedig begraben sind. Das Foto von Stefan Moses zeigt sie mit zweien. Auf dem Arm tragen ihre niedlichen Vierbeiner auch die junge Queen Elizabeth II., Andy Warhol, Wolfgang Joop, Paris Hilton, oder Käfer-Witwe Uschi Ackermann. Mit scharfen Doggen ließen sich David Bowie oder Otto von Bismarck ablichten, während Kaiserin Sisi mit irischem Wolfshund auffällt. Die Stichworte der Kuratoren dazu: private Seite einer bedeutenden Persönlichkeit, öffentliches Bildgedächtnis, Partnerschaft von Mensch und Hund als Ideal.
Im Kapitel »Befremdlichkeiten« erfährt man dann etwas über die Geringschätzung des Hundes im Orient, wo er als unreines Tier gilt – und schon deshalb auch einfach mal getreten wird. In unseren Breiten nicht recht vorstellbar. In Ägypten war hingegen der hundsköpfige Anubis eine Gottesgestalt. Der pragmatische Umgang mit dem Tier in Ostasien – Verwertung von Fell und Fleisch – kommt ebenso zur Sprache wie die pharmazeutische Nutzung von Hundefett. Ein großer Tiegel sorgt für entsprechende Anschaulichkeit. Folgt die »Treue«: Wo der beliebteste Fernsehhund aller Zeiten, die mehrfach wieder auferstandene Langhaar-Collie-Dame Lassie, nicht fehlen darf. Neben dem dreifachen Rin Tin Tin und Strongheart ehrte man sie, die von unterschiedlichen Rüden gespielt wurde, sogar mit einem Stern auf dem Walk of Fame in Hollywood. Dem Obdachlosenhund, der den Platz der verständnisvollen engsten Bezugsperson für seine in prekäre Verhältnisse abgerutschte Herrin einnimmt, kann das kaum passieren. Auch Tiere, die an der Leiche ihres Herren oder an dessen Grab ausharren, erhalten für ihre ewige Treue wohl keine Medaillen.
Das Kapitel »Statussymbole« handelt von Macht. Die bekam etwa Angela Merkel am 21.1.2007 in Sotschi zu spüren, als sie mit ihrer Hundephobie vor Putins Labradorhündin namens Konni allein gelassen wurde. Die riesige schwarze Konni gehört zu Putins Selbstinszenierung. Kommentar: Eindrucksvolle und große Hunde unterstreichen die Autorität ihres Besitzers, weil sie oft einschüchternd wirken. Vielleicht haben deshalb auch Punks oft so große Hunde neben sich. Zum beliebten Motiv kunsthandwerklicher Schöpfungen wurde der Hund nicht nur an Fürstenhöfen: Porzellanfiguren der Manufakturen Meißen oder Nymphenburg zeigen etwa den Lieblingshund von Zarin Katharina der Großen, eine große Möpsin mit Welpen oder einen lustigen Harlekin, der mit einem Mops Drehleier spielt. Interessant ist der Rollentausch, wenn Menschen zu Hunden werden (und umgekehrt). Valie Export führte etwa 1968 ihren Peter (Weibel) in der Mariahilferstraße in Wien Gassi und ließ ihn auf allen Vieren gehen. Und auf dem Münchner CSD wird Dogplay auf der Straße gezeigt. Bei diesem erotischen Rollenspiel, das man etwas artfremd unter SM-Praktiken einordnet, trägt ein Partner Halsband, geht auf Pfoten und trinkt sein Bier aus einem Napf. Gehorsam, Unterwerfung, Machtgefälle, Erniedrigung heißen – wie bei Valie Export – die stimulierenden Reizworte solchen Spiels. Vielleicht geht es ja sogar auf Diogenes zurück. Der griechische Philosoph erhielt den Spitznamen »der Hund«, weil er gewisse Dinge (wie etwa Masturbieren) angeblich wie ein Hund in aller Öffentlichkeit durchführte.
Für die tiefere Untersuchung solcher Fragen hat die Schau, die auch Massen an Hundehalsbändern zeigt, aber nicht psychologisch angelegt ist, wenig Raum. Zwar fehlt kaum ein berühmter Hund der Weltgeschichte – angefangen bei Zerberus, dem ersten Hund der Hölle, bis Laika, der ersten Hündin im Weltall. Pawlow’s Dog ist dabei, die »Simplicissimus«- Bulldogge, Münchens Olympia-Waldi und selbst der Foxterrier vor dem Grammophon auf dem Platten-Label »His Masters Voice«. Aber klar wird auch: Das vitale Faszinosum des durch menschliches Zutun vom wilden Wolf zum niedlichen Schoßhündchen gewandelten Tieres fängt selbst die beste Schau nur schwer ein. ||
TREUE FREUNDE. HUNDE UND MENSCHEN
Bayerisches Nationalmuseum | Prinzregentenstr. 3 | bis 13. September | Di–So 10–17 Uhr | Der Katalog (Deutscher Kunstverlag, 320 Seiten, 262 Abb.) kostet im Museum 25 Euro
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