Der Münchner Maler Florian Süssmayr zeigt neue Gemälde und Gewebe in der Galerie Rüdiger Schöttle.
Florian Süssmayr: Zwischen Vorhang und Oberfläche
In diesem Bild ist alles drin: Die gesprungene Glassscheibe, bei der man an Marcel Duchamps Konzeptkunst mit dem Zufall denken kann, aber auch an den rauen Charme des Glasscherbenviertels um den Schlachthof herum, an ein Bierstüberl, wo auch Schnaps konsumiert wird und drinnen mal ein Glas und draußen eine Scheibe zu Bruch geht, an Punk-Kultur, dann die Bildtechniken der Fotografie und wie sie die »Wirklichkeit« umformulieren und nicht zuletzt die Malerei als Medium, die vor der Fotografie das Fenster zur Welt war. Wobei dieses Bild von Florian Süssmayr, »Thalkirchnerstraße Asbachstüberl (I)«,einen Vorhang zeigt, genauer eine Gardine vor Dunkelheit. Und die wurde fotografiert, dann gemalt, noch einmal oder mehrfach – erst jetzt mit dem Glas – fotografiert und zuletzt, mittels digitaler Daten, auf einem Webstuhl des Augsburger Textil- und Industriemuseums als Gewebe materialisiert, als Foto-Bild-Leinwand und Wandbehang.
Thema der Ausstellung mit neuen Bildern des Münchner Malers in der Galerie Rüdiger Schöttle ist die Oberfläche, denn hier agiert der Künstler und darauf trifft der Blick. Das »Geschirtuch« hat Falten, wie sie Bonnard interessiert hätten. Die mit Werbung gezierten Schilder und Aufsteller, Langnese oder Löwenbräu, die das Tagesangebot vor dem Kiosk oder am Ausschank signalisieren, sind nicht mit Kreide beschriftet, sondern wundersam in Öl auf Hartfaserplatte gemalt. Wobei die Aufsteller sowohl Bilder sind als auch Süssmayrs Bilder Aufsteller wurden. Und das Gemälde des Heiligen Sebastian auf Leinwand zeigt nicht nur die Pfeile, die sich in Haut und Fleisch bohren, sondern auch seltsame Kratzer auf der – auf welcher? – Oberfläche. »Selbstportrait Schillerstrasse« zeigt ähnliche Kratzer, dazu Schlieren auf der Glasscheibe, hinter der Lichter der Großstadt verwischen. Vorne über und zwischen den Lichtspielen ist auch ein Schatten zu sehen – der Schatten des Fotografen. Als das »ursprüngliche« Foto gemacht wurde – oder als das Gemälde abfotografiert wurde?
Süssmayr erzählte bei der Vernissage ein Detail der Zwischenzustände, die das »Bild« in seinem Durchgang durch die Medialitäten erfahren hat: Das Gemälde war nur locker auf eine Platte getackert und hing in Falten, als es fotografiert wurde, und nun ist aus dem Foto ein Tuch geworden, das sich wiederum ein wenig wölbt an der Wand. Eine Textilware in der Qualität und Webtechnik eines erstklassigen Geschirrtuchs, mit wunderbaren Abtönungen und Kontrasten. Hergestellt in drei Exemplaren (plus eines für den Künstler), man sollte also rasch zugreifen. 2005 brachte Süssmayr die Ausstellung »Bilder für deutsche Museen« im Haus der Kunst unter Chris Dercon breite Anerkennung ein, zuletzt hatte er zusammen mit Douglas Gordon im Arsenale Institute for Politics of Representation während der Biennale in Venedig ausgestellt, darunter eines der Gardinenbilder. »Florian Süssmayr zeigt (2020)« heißt die Schau bei Rüdiger Schöttle, der den Künstler seit langem vertritt – wie im Vorspann eines Films, bei der Ankündigung eines Kunsthauses oder der Einladung zur Atelierpräsentation –, und die Ausstellung ist eine sehr schöne, klare und zum Nachdenken über den Gebrauch der Medien einladende Präsentation. Mit Münchner Erinnerungen an den Geruch vergilbter Gardinen und nächtlicher Straßen, an Eiskrem und Bier. ||
FLORIAN SÜSSMAYR ZEIGT (2020)
Galerie Rüdiger Schöttle | Amalienstr. 41 Rgb
bis 31. Juli | Di–Fr 13–18 Uhr
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