In der Ausstellung »Bezaubernd – Magie und Zauberkunst« skizziert das Museum Fürstenfeldbruck eine Kulturgeschichte des Unerklärlichen.
Fauler Zauber, Hokuspokus und Magie
In aufgeklärten Zeiten, so sollte man meinen, spielen Hokuspokus und Magie höchstens in der Unterhaltungsbranche eine bedeutende Rolle: David Copperfield, Siegfried & Roy, Harry Potter und Co. Weit gefehlt. Wie etwa fauler Zauber auch den heutigen Populismus in der Politik prägt, das zeigt die interessante Ausstellung »Bezaubernd – Magie und Zauberkunst« im Fürstenfeldbrucker Museum in ihrem erstaunlichen Rundumschlag, der die Vorlage für eine Kulturgeschichte des Unerklärlichen und seiner vielen Facetten bieten könnte.
Klar, wie von Zauberhand geschaffen erscheinen uns heutzutage nur noch wenige Dinge und Ereignisse. Hexerei und Wunderheilung gehören der Vergangenheit an. Sollte man meinen. Die Naturwissenschaften haben seit der Renaissance mit dem Magischen und Unergründlichen ziemlich aufgeräumt – viele Mysterien wurden erkannt, dargestellt und damit auch demaskiert. Von »Wundern« spricht man eigentlich nur noch im übertragenen Sinne – selbst religiöse Menschen. Aber das Faszinosum Zauberei hat auch heute noch nicht ausgedient. Schon die schiere Zahl der »bezaubernden« Worte in unserem tagtäglich genutzten Sprachschatz erinnert daran.
Wunderglaube und Okkultismus sind gesellschaftlich noch immer anerkannt, werden von Werbung und Politik geschickt genutzt. Scharlatane versuchen mehr und mehr, Menschen mit Taschenspielertricks, oft erfolgreich, zu manipulieren. Das Kapitel »Fauler Zauber – Wunderheiler und Scharlatane« erklärt, wie das geht: Der Scharlatan verspricht Wünsche und Sehnsüchte zu erfüllen. Als Populist und Propagandist negiert er nicht die Wahrheit, sondern ersetzt sie durch alternative Fakten. Er fälscht und wird zum Verschwörungstheoretiker. Speziell erwähnt werden etwa der unvermeidliche Donald Trump – und auch Helmut Schmidt als Gegenpart, der sich einmal explizit zur Handlungsgrundlage des Politikers äußerte: »[…] sofern er ohne philosophisch-ethische Grundlage handelt, ist er in Gefahr, Fehler zu begehen. Er ist in Gefahr, in Opportunismus abzusinken. Er ist sogar in Gefahr ein Scharlatan zu werden.«
Aber keine Sorge, man ist nicht in einer irgendwie verhexten Polit-Schau gelandet, sondern in einem anregenden kulturhistorischen Überblick. Dem Besucher werden sogar diverse Zaubertricks beigebracht. Man sieht Videos von frühen Zaubershows und Schränke voller Zauberkästen, die Goethe als pädagogisch wertvoll einstufte, weil sie ein »herrliches Mittel zur Übung in freier Rede und Erlangung einiger körperlicher und geistigen Gewandtheit« seien. Mit diesen beliebten Utensilien und all den Dingen, die man im »doppelten Boden« verstecken konnte, wurde einst ein Riesengeschäft gemacht.
Denn ab Anfang des 19. Jahrhunderts – man war nun gerade in der nüchternen Moderne und beginnenden Industrialisierung gelandet – wurde Zauberkunst Unterhaltungskunst. Mussten zuvor Jahrhunderte lang Gaukler und fahrendes Volk auf Jahrmärkten und der Straße mühsam ihr Geld verdienen, standen ihnen plötzlich Kursäle, Theater und Salons offen. In kurzer Zeit gelang es Zauberern, wie den vorgestellten Ludwig Döbler, Johann Nepomuk Hofzinser oder Jean-Eugene Robert Houdin, den Typus des modernen Magiers zu etablieren. Was mit einer Art Image Kampagne einherging. Man präsentierte sich als ehrlicher Gentleman, als begabter Schauspieler, der nicht betrog – sondern Tricks beherrschte.
Mitte des 19. Jahrhunderts wanderte die Zauberkunst auf feste Theater- und später auf die entstehenden Opernbühnen. Was das Repertoire deutlich veränderte. Zwar blieb das klassische Spiel mit Karten, Bällen, Tüchern und Münzen im Programm. Aber die neue Situation mit steuerbarem Licht, mit Kulissen, Klappen, Aufzügen, Falltüren und Hebebühnen schuf komplett neue Möglichkeiten, Illusionen zu erzeugen: Levitation, Geisterkabinett, Entfesselung oder die legendäre verschwindende Dame.
Vorgestellt werden in diesem Kapitel der Schau auch der seit den 1860er Jahren auf dem Münchner Oktoberfest verblüffende Schichtl, Helmut Schreiber alias Kalanag mit »Simsalabim« oder Alois Kassner, der ganze Menschengruppen auf der Bühne verschwinden ließ. Harry Houdini, der »größte Entfesselungskünstler aller Zeiten«, sprang gefesselt von Brücken, ließ sich in einer verschlossenen Kiste in den Hudson River werfen oder befreite sich aus einer Zwangsjacke, während er kopfüber an einem Seil vor einem Hochhaus hing. Dies lässt sich im Video anschaulich nachvollziehen.
Nicht zu kurz kommt auch die Kunst – besonders in den religiösen Kapiteln, die mit vielen Bildern, Zeichnungen, Votivtafeln illustriert sind. Dabei geht es um die Wallfahrtsorte als Plätze des Wunders. Um das große magische Repertoire der Kirche: als Jesus übers Wasser ging, Wasser in Wein verwandelte oder Tote wieder ins Leben zurückholte. Oder um die Heiligen mit ihren besonderen »Zuständigkeiten«. Zu beliebten Bildthemen wurden im 19. Jahrhundert auch die antike Seherin Kassandra, die Wahrsagerin Pythia von Delphi oder auch die mit Visionen aufwartende Jeanne d’Arc. Carl Spitzweg, im Hauptberuf Hofapotheker, hatte ein Faible für Alchimisten und deren dampfende Kessel, mysteriöse Tinkturen, geheime Arzneien. Das regte seine Phantasie zu Skizzen und Gemälden von Zauberinnen, Sterndeutern oder Hexenmeistern und Alchemisten an.
Die weltweite Spiritismus-Welle erfasste auch München: Hier erregten die Experimente des Münchner Arztes und Begründers der »Psychologischen Gesellschaft« Albert von Schrenck-Notzing (1862–1929) große Aufmerksamkeit. Der »Geisterbaron« interessierte sich vor allem für den therapeutischen Nutzen von Telepathie, Hypnose und Trance und wurde bekannt für die Kontaktaufnahme mit Toten. Der Pionier der Parapsychologie versammelte in seinem Münchner Palais und seiner Villa Ammerland am Starnberger See Spiritisten und Künstler. Auch Thomas Mann besuchte die Séancen. Akademieprofessor Albert von Keller widmete sich dem okkulten Zeitgeist in mystischen Gemälden von Hexen, Visionen, Frauen in Trance. Und auch Gabriel von Max malte Somnambule und setzte sich fotografierend mit dem Spiritismus auseinander. Denn viele ließen sich von diesem modernem Wunderglauben faszinieren: von bei Sitzungen umherschwebenden Objekten, Geisterglocken oder Klopfgeräuschen, Materialisierungen von Dingen, Geisterschreibmaschinen oder in Trance versetzte Medien, aus denen oftmals »Ektoplasma« austrat. Viele Zauberkünstler im 19. Jahrhundert wiederum suchten diese scheinbar unerklärlichen Phänomene als bewusste Täuschung zu entlarven und reproduzierten oftmals die in Séancen produzierten Effekte. Einige viktorianische Illusionen wie beispielsweise die Levitation, das Geisterkabinett oder die Entfesselungen gehen direkt auf diese Praktiken zurück.
Weitere Themen, denen die Schau sich widmet, sind Okkultismus und Aberglaube. Und man erfährt, dass die Magie im Mittelalter eine Wissenschaft war, Teil des Lehrplans an der Pariser Universität. Das zeigen einige, teils in Vitrinen ausliegende Bücher. Man unterschied zwischen dämonischer und natürlicher Magie. Letztere beschäftigte sich mit dem Einfluss unsichtbarer, natürlicher physikalischer Kräfte. Wozu etwa der Magnetismus gehörte. Mit dem lässt sich sogar heute noch ein bisschen zaubern. ||
BEZAUBERND – MAGIE UND ZAUBERKUNST
Museum Fürstenfeldbruck | Fürstenfeld 6b, 82256 Fürstenfeldbruck | bis 11. Oktober | Di–Sa 13–17 Uhr, So/Fei 11–17 Uhr
Der Katalog kostet 18,90 Euro | Infos zum Besuch und Online-Angebote
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