Inzwischen kennt man ihn auch als Sänger, Liedermacher, Organisator. Aber ursprünglich ist Stefan Noelle Trommler mit profundem Swing. Porträt eines Vielbegabten.
Hoffentlich nicht im Regen
Eigentlich lief es bisher prächtig für Stefan Noelle. Das erste Halbjahr war gut ausgebucht. Außerdem sollte der Münchner Musiker am 26. März im Vereinsheim seit Langem mal wieder mit einem Bassisten auf der Bühne stehen: mit Wilbert Pepper, der vor zwei Jahren der Liebe wegen von Venezuela hierher zog. »Ein wahnsinnig toller, eigentlich klassischer Orchestermusiker«, so Noelle, »der in Caracas in diesem berühmten Orchester war, das quasi nur aus Ghettokids besteht.« Mitschneiden wollte Noelle das Konzert ebenfalls, und auf all das hatte er sich, erzählt der 54-Jährige am Telefon, sehr gefreut. Aber dann kam Corona, und plötzlich flogen ihm zwölf Konzerte um die Ohren. Die Folge: ein Verlust im vierstelligen Bereich. Sollte das Veranstaltungsverbot auch noch im Mai und Juni gelten, könnte es schnell fünfstellig und damit »existenziell« werden.
Die »gute« Nachricht: Die anstehenden Osterferien wären eh eine »Saure-Gurken-Zeit« gewesen. Deswegen hatte Noelle, der seit mehr als 30 Jahren als Jazzschlagzeuger und seit 1991 mit Alex Haas als Duo Unsere Lieblinge unterwegs ist, da eh die Arbeit an einem neuen Album und einem Video eingeplant. Zudem werde er, sagt er, für Kollegen im Studio etwas einspielen, und all das könne er nun noch ein bisschen konzentrierter angehen. Trotzdem macht er sich wie alle Sorgen, hat schon früh die Onlinepetition »Hilfen für Freiberufler und Künstler während des ›#Corona-Shutdowns›« unterschrieben. Auch wenn er sehr skeptisch ist, dass das etwas bewirkt. »Letztlich wird es wieder so laufen: Die Großen, die ›too big too fail› sind, die wird der Staat irgendwie schützen, und wir Kleinen, die im Rahmen der sehr kleinteilig organisierten Kreativwirtschaft ja auch irgendwie zum Bruttosozialprodukt beitragen, wir werden durchs Raster fallen.«
»Das wird noch spannend«, kann Noelle ansonsten bloß noch dazu sagen, und nach einem möglichen Nebenjob gefragt, fällt ihm, mit einem Lachen in der Stimme, nur Spargelerntehelfer ein. Da blitzt der sehr sympathische Humor auf, wie er für Unsere Lieblinge teilweise typisch war und ist, und wie er auch beim Liedermacher Noelle immer wieder durchscheint. Etwa wenn er sich über das Älterwerden oder Hundebesitzer lustig macht und sich dabei ganz selbstverständlich selbst mit ins Visier nimmt. Nachhören kann man das auf dem 2016 erschienenen Album »Meinetwegen im Regen«, das tatsächlich das Debüt von Noelle als Sänger, Gitarrist und Komponist ist. Denn als Schlagzeuger gehört er zu den umtriebigsten Musikern in München. Als Songwriter hatte er seine Ideen aber viele Jahre lang nur in der Schublade gebunkert.
Wieso? Weil »der Weg von der einen schönen Idee bis zu einem fertigen Lied« richtige Arbeit sein kann. Besonders, so Noelle, wenn man wie er in der »sperrigen Sprache« Deutsch textet, bei der, etwa im Gegensatz zum Englischen, wahnsinnig viele Wörter »auf schwachen Silben enden«. Dass man seinen Liedern diese Arbeit nicht anhört, auch nicht, dass bis zu 17 Akkorde darin stecken können: Das zeigt die Kunst des Liedermachers Noelle, der übrigens seit Jahren auch die Jazzkonzertreihe »Be My Guest« (Studio Ackermann und Kulturbühne Spagat) sowie die Liedermacherreihe »Lied zum Sonntag« (Drossel & Zehner) kuratiert. Auch das wird mit ins neue Album einfließen, weil Noelle jedes Lied mit verschiedenen Gästen wie Quadro Nuevo oder dem »E-BassUrgestein« Wolfgang Schmid einspielen will. Ein paar neue Stücke wollte er bereits mit Max Braun (Bassklarinette, Altflöte), Adrian Reiter (E-Gitarre) und Wilbert Pepper im Vereinsheim präsentieren. Und, so Corona will, wird er das dort nun am 17. Juni nach holen. ||
STEFAN NOELLE
Vereinsheim| Occamstr. 8 | 17. Juni| 20 Uhr
Tickets: 089 344974
Unsere aktuelle Ausgabe:
Online-Kiosk
ikiosk.de
Sie bekommen die aktuelle Ausgabe gratis zu jeder Bestellung bei folgenden Buchhändlern.
Das könnte Sie auch interessieren:
Lime Cordiale: Live in München
Bayerische Staatsoper: Spielzeit 2021/22
»Die Großherzogin von Gerolstein« am Gärtnerplatztheater
Liebe Leserinnen und Leser,
wir freuen uns, dass Sie diesen Text interessant finden!
Wir haben uns entschieden, unsere Texte frei zugänglich zu veröffentlichen. Wir glauben daran, dass alle interessierten LeserInnen Zugang zu gut recherchierten Texten von FachjournalistInnen haben sollten, auch im Kulturbereich. Gleichzeitig wollen wir unsere AutorInnen angemessen bezahlen.
Das geht, wenn Sie mitmachen. Wenn Sie das Münchner Feuilleton mit einem selbst gewählten Betrag unterstützen, fördern Sie den unabhängigen Kulturjournalismus.
JA, ich will, dass der unabhängige Kulturjournalismus weiterhin eine Plattform hat und möchte das Münchner Feuilleton