Das RischArt_Projekt 2020 macht den Gasteig, kurz vor der Renovierung, zu einem Ort, an dem man mit Kunst in einen Dialog treten soll.
Ambivalenzen aushalten
Wie präzise kann man Sprache nutzen? Wie viel Platz bleibt für das Subtile, die Zwischentöne? Welche Rolle nimmt die Kunst ein bei den Versuchen, uns gegenseitig die Welt zu beschreiben? Muss Kunst immer ›lesbar› sein, oder erklärbar? Unter dem Titel »JAJA NEINNEIN VIELLEICHT« widmet sich das 15. RischArt Projekt dem vielschichtigen Themenkomplex Kunst und Kommunikation. Gesellschaftlicher und kultureller Wandel hat einen Einfluss auf die Entwicklung und Veränderung unserer Kommunikation. Die Sprachen, die wir nutzen, verbale wie nonverbale, beeinflussen wiederum die Wahrnehmung der Realität. Zwischen dem 13. März und dem 5. April 2020 werden im Gasteig Performances, Fotografie, Skulptur, Schrift- und Audio-Installationen präsentiert. Die zehn eingeladenen Künstler*innen nähern sich der Frage nach Sprache und Kommunikation mit speziell für den Gasteig und diese Ausstellung konzipierten Arbeiten. Für die Kuratorin Katharina Keller, die schon seit 1983 für die unterschiedlichen RischArt Projekte verantwortlich ist, stehen die wechselseiteigen Beziehungen von Kunst, Kommunikation und Gesellschaft im Zentrum: »Wie gehen wir miteinander um, wie frei sind wir in der Kommunikation und in der Kunst.«
Beuys trifft RischArt_Projekt
Konzeptueller Ausgangspunkt für die Ausstellung ist die Arbeit »Ja Ja Ja Ja Ja, Nee Nee Nee Nee Nee« von Jospeh Beuys aus dem Jahr 1969. Zentraler Bestandteil dieses Werkes ist ein Tonband: Fast eine Stunde lang sprechen der Künstler, sein damaliger Assistent Johannes Stüttgen und der Musiker Henning Christiansen in rheinischem Tonfall die Worte »Ja, Ja, Ja, Ja, Ja, Nee, Nee, Nee, Nee, Nee«. Monoton und doch rhythmisch entsteht so ein Mantra, das den Zuhörer über die beständige Wiederholung in seinen Bann zieht und hypnotisch wirkt. Die legendäre Arbeit wird als Audioinstallation während der Ausstellung hörbar sein und soll buchstäblich den ambivalenten Ton für die anderen gezeigten Arbeiten setzen.
Dass Kommunikation immer bedeutet, sich einem Gegenüber zu öffnen und sich verletzlich zu machen, spitzt die Münchner Künstlerin Sophia Süßmilch in ihrem Beitrag überdeutlich zu. Zum Dialog zwischen Künstler und Rezipient gehört auch die Kritik, sei sie nun berechtigt oder nicht. Sophia Süßmilchs Strategie diesbezüglich ist proaktiv und zuvorkommend: Sie hat für die Ausstellung kurzerhand 14 harte Verrisse ihrer Arbeit bei Kritiker*innen und Autor*innen in Auftrag gegeben. So setzt sie ihre Person kommunikativ wie performativ einer aggressiven Form der Kommunikation aus und behält doch die Oberhand: Sie eignet sich die Texte an und wird sie selbst, als Teil einer Performance, vortragen (18. und 29.3., 15 Uhr sowie 21.3., 16 Uhr). »Ich nutze die Kritik von außen, auch um mich der eigenen, lähmenden internen Kritikerin zu stellen. Gleichermaßen versuche ich mich so von den bewertenden Mechanismen des Kunstmarktes zu befreien«, so beschreibt Süßmilch, die sich als Bildhauerin und Performance-Künstlerin definiert, ihren Ansatz.
Quirin Brunnmeier über das RischArt_Projekt 2017
Die politische Ebene von Kommunikation und Sprache tritt wiederum bei Alicia Framis in den Vordergrund. Die in Amsterdam arbeitende Spanierin hat Stoffbahnen mit dem Text »Ist mein Körper öffentlich?« in zwölf Sprachen besticken lassen und wird diese von der Decke der Haupthalle des Gasteigs herabhängen lassen. Was ist privat, was gebe ich preis und wer bestimmt über diese Entscheidungen? Das sind im Zeitalter von Social Media und den Möglichkeiten digitaler Überwachung höchstaktuelle Fragestellungen. Das diesjährige RischArt_Projekt will eine Freiheit der Betrachtung ermöglichen, in der Ambivalenzen und mehrdeutige Meinungen ihren Platz finden. Die Ausstellung will in einen symbiotischen Dialog mit dem öffentlichen Raum des Gasteig treten und der Kunst die Möglichkeit geben, Fragen zu stellen und Antworten zu suchen. ||
15. RISCHART_PROJEKT JAJA – NEINNEIN – VIELLEICHT
Gasteig| Rosenheimer Str. 5 | 13. März bis 5. April| täglich 8–23 Uhr | Eintritt frei
Führungen mit Kuratorin Katharina Keller: 18./29. März, 1./3. April, jew. 14 Uhr (Treffpunkt: RischArt_Information, Glashalle, 1. OG)
Katalogpräsentation: 29. März, 15 Uhr
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