Die Hamburger Popband Kettcarbezieht Stellung im Wirrwarr der Diskurse. Erfreulich live zu hören.
Pop und Politik. Das ist eine komplizierte und auch schon vielfach diskutierte Angelegenheit. Und sobald darüber geredet wird, bilden sich, vereinfacht, meistens zwei Lager. Da wären die einen, für die Pop für Disco, Tanz, Ekstase und die Feier des Jetzt steht. Und da sind die anderen, welche in der Musik ein Vehikel für politische, emotionale oder poetische Botschaften sehen, lieber Diskurs statt Disco wollen und den Rausch, die ekstatische Selbstfeier eher verdächtig finden. Als vor zwei Jahren das Album »Ich vs. Wir« der Hamburger Band Kettcar herauskam, wurde diese Diskussion mal wieder recht vehement geführt. »Next Exit Kirchentag« spotteten die einen wegen der politischen, Themen wie Pegida oder den Mauerfall verhandelnden Texte von Sänger Marcus Wiebusch. Andere nannten »Ich vs. Wir« gerade wegen der klaren Stellungnahmen eines der wichtigsten deutschen Alben des Jahres.
Was auffällig ist: Als im März 2019 mit der EP »Der süße Duft der Widersprüchlichkeit (Wir vs. Ich)« gewissermaßen die Fortsetzung oder, wie die Band selber meinte, das »Komplementärwerk« dazu erschien, nahmen das zumindest die größeren Medien kaum wahr. Und das, obwohl der politisch aufgeladene Gitarrenpop darauf im Grunde nach dem gleichen Muster funktioniert und der Song »Scheine in den Graben« über Wohltätigkeit als moralischen Ablasshandel sogar mit Gästen wie Bela B, Schorsch Kamerun, Sookee, Felix von Kraftklub und Gisbert zu Knyphausen aufwartet. Der Grund? Ein medialer Abnutzungseffekt? Die endgültige Diskurshoheit des Hip-Hop? Oder der Eindruck, dass aktuell Pop UND Politik angesichts des Klimawandels und des unerbittlichen Engagements der Fridays-for-Future-Jugend beide irgendwie alt aussehen? Marcus Wiebusch & Co. haben jedenfalls nun vor ein paar Monaten (wie auch schon 2013) eine Bandpause angekündigt. Davor werden die Musiker Anfang 2020 aber noch mal auf Tour gehen. »… und das geht so« heißt sie, genauso wie das neue Livealbum von Kettcar, das (als Trost für kommende Zeiten?) im November herauskam. ||
KETTCAR
Muffathalle | Zellstr. 4 |28. Januar| 20 Uhr
Tickets: 089 54818181
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