Der Französische Maler Pierre Soulages wird 100.
Schwarz sehen, das kann auch eine Kunst sein. Keiner versteht diese Kunst wohl besser als der französische Ausnahmekünstler Pierre Soulages, der am 24. Dezember seinen hundertsten Geburtstag gefeiert hat. Schon als er, gerade einmal vier oder fünf Jahre alt, Schnee darzustellen versuchte, dienten ihm dazu schwarze Striche, wie er gerne erzählt. »Ich liebe die Autorität von Schwarz, seine Würde, seine Klarheit, seine Radikalität. Das Schwarz bietet unvorhersehbare Möglichkeiten, und ich gehe auf sie zu«, fasst er seine Obsession in Worte.
Dabei erfindet er sich immer wieder neu und bleibt sich doch treu. »Das Unerwartete interessiert mich, ich weiß nicht, was ich tun werde, wenn ich ein Gemälde beginne.« Heute ist sein Œuvre in 110 Museen weltweit zu sehen, er ist der teuerste lebende französische Künstler: 9,6 Millionen Euro wurden 2018 für »Peinture, 23 décembre 1959.« bezahlt. Auf diesem Bild flirtet das Schwarz mit Rot und Weiß, nachdem am Anfang seines Schaffens Schwarz noch allein auf seinen Bildern vorherrschte. Zwei Jahrzehnte später, 1979, erfand Soulages dann den Begriff des »Outre Noir«, ein »Jenseits-Schwarz«, das nichts anderes ist als eine Quelle des Lichts, der Reflexionen. Er arbeitet mit Gummispachteln und Bürsten, die pastos aufgetragene Farbe führt zu einem Spiel von Licht und Schatten.
Mit Schwarz zu arbeiten, ist für Soulages die eindringlichste Art, Licht zu erzeugen. Der Betrachter ist dabei eingeladen, am einzelnen Kunstwerk mitzuwirken: So gibt es das Dreigespann Künstler, Kunstwerk, Betrachter. Denn der Standpunkt des Betrachters im Raum entscheidet über die Reflexionen auf dem Bild, und es ist kein Zufall, dass die Werke oft frei im Raum schweben und nicht an einer Wand fixiert sind, weil sie so dem Betrachter mehr Spielraum geben, variantenreichere Blickwinkel erlauben.
Pierre Soulages’ Perspektive auf die Kunst war bereits früh eindeutig. »Schon mit zwölf Jahren habe ich mir gesagt, dass es nur eine wichtige Sache im Leben gibt, nämlich die Kunst, und dass ich Maler werden würde.« Diese Erkenntnis, die er später nie in Zweifel gezogen hat, gewann der Junge aus der südfranzösischen Stadt Rodez bei einem Schulausflug nach Conques nach der Besichtigung der Kirche Sainte-Foy de Conques, einer der Stationen auf dem Jakobsweg. Er war vollkommen fasziniert von dem romanischen Meisterwerk. Später ging er nach Paris zum Studium, wechselte dann aber bald an die École des Beaux-Arts in Montpellier, wo er seine spätere Frau Colette Llaurens traf, mit der er bis heute innig verbunden ist. Die Hochzeit fand übrigens um Mitternacht in Schwarz statt.
Im Jahr 1948 markierte die Gruppenausstellung »Peinture abstraite française«, an der Soulages teilnahm, einen Wendepunkt, ebnete ihm den Weg nach New York, ins Guggenheim Museum, auch wenn der Erfolg in Frankreich noch etwas auf sich warten ließ. 1967 widmete ihm das Musée National d’Art Moderne in Paris dann die erste Einzelausstellung auf französischem Boden. Zuvor hatte Soulages auf der Biennale in Venedig ausgestellt, an der documenta in Kassel teilgenommen, seine Preise stiegen. Und dann, es klingt unwirklich und märchenhaft, kehrte er mehr als ein halbes Jahrhundert später an jenen Ort zurück, an dem er einst den Entschluss fasste, Künstler zu werden, nach Conques. Und konzipierte dort zwischen 1987 und 1994 nicht weniger als 104 Kirchenfenster, die der romanischen Kirche eine ganz neue Dimension eröffnen, sie auf wunderbare Weise ins Licht setzen, ihr eine unvergessliche Magie verleihen.
Vor zehn Jahren fand dann in Paris im Centre Pompidou eine große Retrospektive statt, mit mehr als 500.000 Besuchern. Und 2014 wurde in Rodez, seiner Geburtsstadt – heute lebt er mit seiner Frau in Sète – das Musée Pierre Soulages in Anwesenheit des französischen Präsidenten eröffnet, mit mehr als 500 Werken, die größte SoulagesKollektion weltweit. Pierre Soulages stimmte damals nur unter der Bedingung zu, dass auch immer wieder Arbeiten anderer Künstler ausgestellt würden.
Nun, zum hundertsten Geburtstag des Künstlers, gibt es auch einige andere Gelegenheiten, dem Œuvre des Maler-Giganten näherzukommen und ihn zu feiern. Am einfachsten gleich in München. Hier zeigt die Galerie Rieder in der Maximilianstraße, die dem Künstler seit Jahrzehnten freundschaftlich verbunden ist, eine kleine feine Verkaufsschau, »Pierre Soulages – Hommage zum 100. Geburtstag«, die durch einige edle Leihgaben ergänzt wird. Die Preise liegen zwischen 16.800 Euro für eine Radierung und 535.000 Euro für ein Ölbild auf Leinwand. Erstmals hatte die Galerie 1986 Werke von Soulages dem Publikum präsentiert, damals allerdings, wie es heißt, war die Resonanz eher verhalten. Das sei nun anders. Internationales Renommee, Wertschätzung auch bei deutschen Kunstkennern, steigende Preise bei einem eher raren Angebot, so sieht die aktuelle Lage aus. Auch das Franz Marc Museum in Kochel zeigt übrigens aktuell zwei schöne Gemälde und einige Grafiken.
Wer mehr sehen will vom »Dompteur des Lichts«, wie ein Artikel in der französischen Kunstzeitschrift »Beaux Arts« Pierre Soulages bezeichnete, der muss nach Paris fahren, dort versammelt der Louvre im Salon Carré Werke aus acht Jahrzehnten unter dem Titel »Soulages au Louvre«. Und das Centre Pompidou zeigt in zwei Sälen Werke aus den eigenen Beständen (beide bis 9. März). Auch das Musée Fabre in Montpellier, seinerzeit ein Lieblingsort für Pierre Soulages und Colette – hier entdeckte er Courbet für sich –, widmet dem Maler eine Ausstellung »Soulages à Montpellier« (bis 17. Januar ). Bleibt nur abzuwarten, ob und wann die Münchner Pinakothek der Moderne ihre beiden Soulages-Gemälde aus dem Depot holt und präsentiert. Der richtige Moment wäre es jetzt. ||
PIERRE SOULAGES – HOMMAGE ZUM 100. GEBURTSTAG
Galerie Rieder| Maximilianstr. 22 | 7. Jan. bis 30. März
Di bis Fr 11–13 und 14–18 Uhr, Samstag nach Vereinbarung (089 294517) | Zur Ausstellung gibt es ein Begleitheft (28 S., 10 Abb.)
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