Leider kitschig: Das Jugendtanzstück »one day« will von Vereinzelung und Gemeinschaft erzählen und verliert sich dabei in Plattitüden.
Mit den Tänzern hat Simone Lindner eine gute Wahl getroffen. Nur wenige Jahre älter als die Zielgruppe ihres Tanzstücks »one day« (14+), haben sie alle schon richtig was auf dem Kasten. Ben Cervilla Fischer ist ein Hüne, dessen eruptive Bewegungen mehr von seiner Erfahrung mit Krumping-Battles als von schon länger zurückliegenden Steppmeisterschaften künden. Die schmale, der Länge nach bespielte Bühne der Halle 2 im Einstein-Kulturzentrum bebt, wenn er mit seinem hyperaktiven Oberkörper die ersten Sitzreihen konfrontiert. Auch Serhat Perhat ist ein Meister seines Faches, der seine zirkusreifen Breakdance-Skills erstaunlicherweise mit einer Fragilität koppeln kann, die Staunen und Mitgefühl zugleich entfacht. Dass Denise Perez Orue seit ihrer Kindheit Ballett tanzt, verrät jede ihrer Bewegungen. Nur Lilith Kampffmeyer hat in den Jugendclubs von Residenz- und Gärtnerplatztheater schon dankbarere Auftritte gehabt. In Lindners Jugendtanzstück ist sie fürs eher verwaschen definierte Zeitgenössische zuständig und darf auch mal ein Rad schlagen. Ihre Rolle aber ist die der grauen Maus in einem Quartett, in dem die coolen Jungs um die Prinzessin buhlen. Und da ist man stracks bei den Schwächen der Produktion.
Vorgeblich geht es darin um das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft und die Frage, wie Zusammenhalt entsteht oder misslingt. Hier genügen Lindner, ihrem Co-Regisseur Alexander Löwen und ihrer Dramaturgin Christina Hommel die unterschiedlichen tänzerischen und nationalen Herkünfte ihrer Performer, um von ihrer Verschiedenheit zu erzählen. Dann passieren sie etwa folgende Stationen: Isolation (steife Bewegungen, kein Blickkontakt), Aggression und Verletzung, Balz und Schmalz. Wobei Szene für Szene eine neue Musik die Stimmung vorgibt, die dann nur noch tänzerisch (und mimisch) ausgemalt werden muss. Dieses Potpourrihafte mag zur Adventszeit passen, in der man jeden Tag ein Kalendertürchen öffnet. Doch die fast totale Unterordnung der Bewegung unter die Message führt dazu, dass die Szenen mehr und mehr ihre spielerische Leichtigkeit verlieren und die Persönlichkeiten der jungen Tänzer kaum zum Tragen kommen.
So bekommt etwa Orues Prinzessinnenhaftigkeit nur einmal einen hübschen Riss und beinahe-emanzipatorischen Drive, als ihre elegant ausgreifenden Bewegungen, die permanent die Aufmerksamkeit der anderen erregen, sich auch als großartig dafür geeignet erweisen, die Bühne menschenleer zu fegen. Der Schluss aber geht wieder gar nicht. Zwar löst sich das allgemeine Händchenhalten und Lächeln noch einmal auf – für einen Hebefiguren-Ringelpiez mit nicht uninteressanten individuell-professionellen Einfärbungen. Dann erstirbt die Aufführung aber letztlich doch in einem tanztherapeutischen Liegekreis, in dem zu zwitschernden Geigen Finger nacheinander tasten, während selige Gesichter und goldenes Licht die Szene überzuckern. ||
SIMONE LINDNER: »ONE DAY«
Einstein Kultur| Einsteinstr. 42 | 14. Jan.| 11 / 19 Uhr | Tickets: 089 54818181, Abendkasse, onedayreservierung@gmail.com
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