Bruno Dumont erzählt in »Jeanne d’Arc« erneut von Frankreichs berühmter Ikone.

Mädchen mit Mission: Lise Lepat Prudhomme als Jeanne d’Arc | © Grand Film

»Die Zeit ist nur eine Illusion«, besonders im Kino, wie es das kinematografische Einmannorchester Alejandro Jodorowsky einmal wunderbar auf den Punkt brachte. In dessen radikalem Geist erzählt der nicht minder eigensinnige Bruno Dumont (»Twentynine Palms«/»Camille Claudel 1915«) in »Jeanne d’Arc«, quasi dem Sequel zu »Jeanette – Die Kindheit der Jeanne d’Arc« (2017) erneut von Frankreichs populärster Heiligenikone bzw. deren filmischer Dekonstruktion. Was im Kern wie ein Historienschinken beginnt (»Sonntag, 8. Mai 1429: Morgens«), wird in Dumonts ebenso konzentrierter wie exzentrischer Regie bereits in den ersten fünf Minuten lustvoll demythologisiert. Die letzten Schlachten spielen sich nur im Kopf der Zuschauer ab, wozu auch das puristische Setdesign in karger Dünenlandschaft kongenial beiträgt. Das Figurenpersonal um die auratische Erscheinung Jeannes (Lise Leplat Prudhomme) ist von vornherein extrem reduziert und erweitert sich erst im zweiten langen Teil dieses außergewöhnlichen Kinotrips, wenn das tödlich endende Ketzertribunal in visuell berauschenden Tableaux vivants beginnt.

In Erinnerung an Brechts episches Theater wie an Peter Greenaways intellektuell-verästelte Todesspiele aus den späten 1980ern hantiert Dumont mit zahlreichen Verfremdungsstrategien, von denen sich der phasenweise sphärische Synthiescore der französischen Chansonlegende Christophe, der kurz vor dem Ende plötzlich sogar selbst mitspielt, als wahrer Glücksgriff erweist. In gleichfalls langen wie überwiegend statischen Kadrierungen (Bildgestaltung: David Chambille) mäandert Dumonts mitunter stark eklektizistisches Art-Biopic gekonnt zwischen verschiedenen Genretraditionen, die auch vor Musical- oder Psychodramapassagen keinesfalls haltmachen. Im Ergebnis ist diese spirituell-sperrige Jeanne-d’ArcInterpretation ebenso zeitgeistig-frisch wie ätherisch-abgehoben – und für Cineasten wahre Heiligenverehrung: sozusagen »Gloria in Dumonts Deo«. Ein belebender Duft für müde Kinoaugen. ||

JEANNE D’ARC
Frankreich 2019 | Regie: Bruno Dumont | Mit: Lise Leplat Prudhomme, Fabrice Luchini, Jean-François Causeret
138 Minuten | Kinostart: 2. Januar
Trailer

 


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