Paul Schraders Director’s-Cut-Version des legendären »Mishima« ist in restaurierter Version erneut im Kino zu sehen.
Taxifahrer, Gigolos und Drogendealer gehören zu Paul Schraders bevorzugtem Filmpersonal. Der Regisseur, der seinen ersten richtig großen Hollywooderfolg mit der Drehbuchvorlage für Scorseses legendären »Taxi Driver« feierte, hatte bereits seit seinen künstlerischen Anfängen ein Faible für gequälte Einzelgänger. Oft steuern seine Figuren auf eine letzte fatale Aktion zu, die die Auslöschung anderer, vor allem aber die des eigenen Selbst beinhaltet. In »Taxi Driver« etwa in der berüchtigt-brutalen Schlusssequenz, in der Travis Bickle (Robert DeNiro) all seinen Hass und Selbsthass entlädt.
Bald schon sollte Schrader selbst Regie führen in Filmen wie »American Gigolo«, »Cat People« oder »Light Sleeper«. Zwischendrin schrieb er Scorsese dann noch seinen »Raging Bull« und auch »Bringing Out the Dead«. 1985 drehte Schrader seinen wahrscheinlich leuchtendsten Film »Mishima« – er ist nun in restaurierter Director’s-Cut-Version im Kino zu sehen. Auch diese Arbeit handelt von einem obskuren Sonderling, von einem, der aus seinem Leben eine vollendete Fiktion machte, dem japanischen Schriftsteller Yukio Mishima. So sehr dieser sich von Schraders amerikanischen Großstadt-Lonern in seiner Lebensführung unterscheiden mag, er teilt deren heilige Verzweiflung. Auf drei Erzählebenen, die filmisch einzigartig durch ihr jeweiliges Farbsystem unterscheidbar werden, und in vier Kapiteln begleiten wir das Leben und Schaffen des Autors, dessen erzählerische Stilisierungen bald sein eigenes Ich zu (über)formen beginnen.
Das Schreiben allein war Mishima nie genug. Seine ganze Existenz zielte auf vollständige Entäußerung
ab. Asketische Obsession, Körperkult, schließlich das sich Stählen für eine völlig durchgeknallte Militäraktion. Yukio Mishima besaß tatsächlich eine kleine Privatarmee, mit deren Unterstützung er einen Militärputsch zur Wiedereinsetzung der Kaiserherrschaft plante. Natürlich musste dieser große Quatsch scheitern. Schrader interessiert sich aber genau deshalb für Mishima, dem schließlich nur die Flucht in den Tod, den Seppuku, bleibt.
Einmalig sind die Bilder des Kameramanns John Bailey, die vor allem im autobiografischen Strang der Jugenderinnerungen Mishimas zu voller schwarz-weißer Intensität gelangen. Diese Aufnahmen bleiben so unvergessen wie auch die Filmmusik des Komponisten Philip Glass, die sich mal in ungeahnte Höhen steigert, mal perkussiv den Erzähltakt vorgibt und an Stellen des Niedergangs beinahe triumphal zu klingen scheint. Gerade diese Ambivalenz macht »Mishima« zu einem großen sinnlichen Filmerlebnis. Übrigens: Dafür, dass Paul Schraders nicht minder brillanter und auch oscarnominierter »Last Reformed«, mit Ethan Hawke und Amanda Seyfried in den Hauptrollen, letztes Jahr hierzulande nicht einmal einen Verleih fand, sollte sich die deutsche Kinobranche immer noch in Grund und Boden schämen. ||
MISHIMA – EIN LEBEN IN VIER KAPITELN
Paul Schraders restaurierter Director’s Cut | USA, Japan
1985/2008/2018 | Mit: Ken Ogata, Kenji Sawada u. a.
120 Minuten | Kinostart: 28. November
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