Mit »Nirvanas Last« feiert der großartige Performer Damian Rebgetz den Geist der Subversion und bläst zugleich Bayern den Abschiedsmarsch.

Zeynep Bozbay auf dem steilen Weg zum Ruhm © David Baltzer

Eine bayerische Geschichte wolle er erzählen, sagt Damian Rebgetz, der als Regisseur des Abends ein Buch auf die Bühne trägt, in das die Annalen der Menschheit passen würden. Dabei rührt Rebgetz nur ein wenig München-Historie unter die Story von den drei Punk-»Buben« Kurt, Chris und David. Die kommen zwar aus der »Sägemühlenstadt Aberdeen«, haben aber ihr letztes Konzert am 1. März 1994 im alten Riemer Flughafen gegeben. Und München kann Flughafen wie der Wolfgang (Nöth) Subkultur, die Mainstream wird.

Es ist der launige Beginn eines Abends, der dieses letzte Konzert von Nirvana Stück für Stück nachspielt, inklusive Stromausfall in »Come as you are«, inklusive des Ausspruchs »Grunge ist tot« und »Kurt Cobain hat noch was mit Dinosauriern gesagt«. Man ist da akribisch, denn der »schöne Teufel«, der (unter anderem) an seinem Erfolg zerbrach, war kurz darauf tot.

»Nirvanas Last« erzählt von einer Derniere, schwingt sich aber erst spät zum Requiem auf, wenn die vier Sänger-Darsteller, begleitet von einem kleinen Kammerorchester, die Zugaben zum pathetischen Bombast-Pop aufmotzen. Doch da hat der Abend sein Publikum längst schon weggetragen von der etwaigen Enttäuschung darüber, dass es hier weniger ums retroselige Mitsingen geht als um die Last und das Geschenk des Andersseins. Ja, ein bisschen wird die Erfahrung des androgynen Australiers Rebgetz mit dem kraftstrotzenden Bayern mit verhandelt, dessen Trachten ihm zurufen: »Wir gehören hierher – und du bist auch da.« Und mal wieder die Geschichte der Lilienthal-Kammerspiele. Vor allem aber ist »Nirvanas Last« ein mutiger Abend, der dem Muster eines kommerziellen Tribute-Konzerts folgt, alle Erwartungen daran unterläuft und gewinnt.

Die Songtexte hat Ann Cotten in einen deutschen Wortsteinbruch verwandelt, in dem es bajuwarisch grollt: »Komm wie du bist – wie ich will, dass du – als ein Freund – schlammbefleckt – chlorbeleckt« heißt es da, oder »Ich brech nicht zam.« Das klingt nach Nonsens und Wunde zugleich, nach Splittern und Fetzen, die eine ungeübte Hand neu zusammengebastelt hat. Auch der queere Wolpertinger Benjamin Radjaipours sieht so aus, der die ersten Songs zu rumpeliger Spielautomatenmusik mehr flüsternd nachbuchstabiert als singt und sich beim unbeholfenen Posieren etliche blaue Flecken auf der Showtreppe holt, die oben zwischen Ruhmesgipfeln – äh Baumeswipfeln – eine Luke besitzt, in die Zeynep Bozbay »Hallo« schreiend hineinstürzt.

Der Regisseur selbst interpretiert im Jägerkostüm »ich bin nicht wie sie, kann aber so tun« als kristallines romantisches Kunstlied. Dass Rebgetz seinerzeit lieber Mariah Carey und Musicals als Nirvana gehört hat, lassen Paul Hankinsons Arrangements einen spüren, die sich in die Nähe des Originals schleichen, wenn Christian Löber als spitzohriger Elb zur Gitarre greift, aber stets so klingen, als kämen sie aus einem Nirvana, in dem all die »Freaks«, die Rebgetz anfangs auf die Bühne zitiert, ganz bei sich sind. Feierlich, brüchig und seltsam schön. ||

NIRVANAS LAST
Kammer 1| 15. Nov.| 21 Uhr | 21. Nov.
20.30 Uhr | Tickets 089 23396600

 


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