Mit »Coppélia« zur Musik von Léo Delibes holt sich das Staatsballett erstmals ein Werk von Roland Petit ins Repertoire.
Zumindest Ballettchef Igor Zelensky weiß, warum er für die erste Spielzeitpremiere seines Bayerischen Staatsballetts Roland Petits »Coppélia« ausgegraben hat. »Coppélia ist ein humorvolles Ballett, es passt gut in unser Programm. Mit diesem Stück können wir unserem Publikum auch eine andere, eben die humorvolle Seite der Kompanie zeigen«, sagt er, der Roland Petit für »einen der größten Choreografen des 20. Jahrhunderts« hält. Es werden nicht zuletzt die champagnersprühenden Tanznummern gewesen sein, weshalb Zelensky seine guten Kontakte zur Petit Association spielen ließ, um die Rechte für das 1975 entstandene Werk zu bekommen. »Coppélia« jedenfalls ist, von ein paar Gastspiel-Revuen im Deutschen Theater im Jahre Schnee einmal abgesehen, der erste Petit in München. Zelensky hat, wie alle großen Tänzer, auch seinen herzerweichend-unkaputtbaren »Jeune homme et la mort« aus dem Jahr 1946 getanzt.
Und zeigt nun ebenso gern einen der großen Abendfüller im Gewand einer Tanzrevue – nein, nein eben nicht die »Carmen« –, wie sie zeit seines Lebens um Petits Muse und Ehefrau Zizi Jeanmaire kreisten. Der tragische Fall in »Coppélia« ist, wenn man so will, der Puppenmacher Dr. Coppélius. In einem charmanten Solo schwenkt er tatsächlich noch eine an den Schuhen befestigte Puppe, die er dann aber vermeintlich zum Leben erweckt. Die freilich zerbricht am Ende, weil doch nur ein lebloses Ding und keine leibhaftige Flirtmaschine, und lässt ihn mit leeren Händen zurück. Darin heute noch das große, allerdings operettig aufbereitete Künstlerdrama erkennen zu wollen, erübrigt sich.
Denn alles an Petits »Coppélia« gereicht zur anzüglichen Burleske, sei es nun die Parade Beine werfender Kadetten oder das flotte Corps Popo-wackelnder Mädchen in großer Toilette. Sie alle vervielfältigen dieses heute peinlich angestaubte »chercher la femme«-Gehabe mit den entsprechenden Mann-Frau-Geplänkel-Chiffren der Solisten: jede Geste eine pikante Zweideutigkeit, jede Zurückweisung durch die Frau Teil des Spiels und also jedes kokette Nein nichts anderes als ein einladendes Ja für die allzeit galanten Herren. Die eben lassen die Puppen tanzen.
Im Zentrum stehen Coppélius, Franz und die Automatenpuppe Coppélia als erotische Menage à trois. (Nebenbei: Aktuell ist im Nationaltheater der Stoff von E. T. A. Hoffmanns Verblendungs- und Beziehungsgeschichte um Coppélius und die Automatenfrau auch in Jacques Offenbachs Opéra fantastique »Les Contes d’Hoffmann« zu erleben.) Der italienische Tänzer und Ballettmeister Luigi Bonino, der Petits »Coppélia« zuletzt 2014 an der Oper Rom einstudiert hat und dort in seiner Paraderolle, dem Coppélius, brillierte, leitet auch in München die Proben, unerbittlich genau und dabei lässig und heiter. Er wird auch hier, alternierend mit Javier Amo, als Coppélius abräumen. Die drei Paare haben bei der dritten Solistenprobe noch ihre liebe Not, mit den vertrackten, kleinteiligen Schrittkombinationen. Flink müssen sie sein, bei allen zu berücksichtigenden Finessen ihre Variationen beständig in Fluss halten. Und dabei Gestik und Mimik übertreiben. Denn die Übertreibung, erklärt Bonino, sei der Geist des Stückes. Schon deshalb wird es ein Kassenknaller werden, ein Silvesterspaß für alle Jahreszeiten. Auch wenn so manche(r) dabei Schluckauf kriegt. ||
ROLAND PETIT: COPPÉLIA
Nationaltheater| 20. Oktober(Premiere), 22./25./26. Okt. | 19.30 Uhr
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