In Oberammergau zeigt Christian Stückl das Pestspiel – die Vorgeschichte des Passions-Gelöbnisses.

Verzweifelte Maßnahmen gegen die Pest in Oberammergau | © Arno Declair

Ausgerottet ist die Pest nicht, aber sie wütet nicht mehr so epidemisch wie im Dreißigjährigen Krieg, wo fast zwei Drittel der Bevölkerung in Europa starben. 1633 traf sie auch Oberammergau – trotz einer List der Dörfler. Obwohl noch verschont, entzündeten sie ein Pestfeuer zur Abschreckung von Fremden. Den Tagelöhner Kaspar Schisler, der im pestbefallenen Nachbardorf arbeitete, führte das in die Irre: Unbemerkt schlich er sich nach Oberammergau, um seine Familie zu sehen. Und schleppte so die Seuche ein. Erst das Gelöbnis, alle zehn Jahre die Passion Jesu nachzuspielen, beendete das Sterben. Seit 1634 wird das Passionsspiel in Oberammergau aufgeführt. Seit 1932 wird jeweils im Vorjahr auch diese Vorgeschichte gezeigt, die Spielleiter Christian Stückl schon zum vierten Mal inszenierte. Für viele Darsteller ein Probelauf für die Passion 2020.

Das ursprüngliche Stück von Leo Weismantel ließ Stückl schnell von Martin F. Wall neu schreiben, dessen Version mit griffiger Sprache und weniger »Heiligkeit« (Stückl) wurde nun noch mal überarbeitet. Stefan Hageneier baute ein düsteres, geducktes Bühnenlabyrinth aus unfreundlichen Holzhütten. Spaß soll das Kirchweihfest bringen, das der reiche Steinbacher finanziert. Andreas Richter, Jesus-Darsteller von 2010, spielt wunderbar den dauerbetrunkenen Protzbauern, der mit Geldsäckeln um sich schmeißt. Es gibt Blasmusik, Tanz, Bier, sogar ein Theaterstück, in dem Gott und Teufel derb auf einer Bretterbühne disputieren.

Der Totengräber Faistenmantl zerrt den illegal zurückgekehrten Schisler zum Fest, damit sich die Pest verbreitet. Das ist die Rache des verachteten Außenseiters, den Rochus Rückel, der nächste Jesus 2020 und 2018 Wilhelm Tell im Passionstheater, spielt. Der Totengräber ist ein sarkastischer Skeptiker und Realist, einer der klugen Shakespeare-Narren. Und Widerpart des fanatischen Pfarrers (Benedikt Geisenhof), der Schisler zum Antichrist erklärt, dessen Frau (Barbara Schuster, die Passions-Magdalena) verbrennen will und die Pest als Strafe Gottes sieht. Als sie ihn selbst erwischt, zweifelt er am Glauben, will sogar das Kruzifix zertrümmern. Doch ausgerechnet Schisler, dessen kleiner Sohn (herzerfrischend: Jakob Maderspacher) das erste Pestopfer ist, rettet den Holz-Jesus, plädiert für einen neuen Gottbegriff und inspiriert das Gelöbnis. Dieser Glaubenskonflikt ist der problematische und inhaltlich nicht geklärte Kern des Stücks. Wozu braucht man einen Gott, der schreit? Aber Stückl inszeniert zupackend, bis zur Pause auch sehr vergnüglich. Danach geht’s halt um die rechte Frömmigkeit, damit harmonieren gut die zarten, frühbarock anmutenden Chöre des Musikchefs Markus Zwink. ||

DIE PEST
Passionstheater Oberammergau| 12., 13., 19., 20. Juli, 2., 3. Aug.| 20 Uhr | Tickets: 08822 9458888 |
Shuttlebus (21 Euro), 16.30 Uhr ab ZOB München, Arnulfstr. 21

 


Das könnte Sie auch interessieren: