Von der Zeitzeugenbefragung bis zur Tanzperformance: Beim Festival Rampenlichter stellt Theater von Kindern und Jugendlichen verschiedene Lebenswelten vor.

»Le Sacre du Printemps« vom Jugendclub des Theater Freiburg | © Marc Doradzillo

»Wo fühle ich meine Menschlichkeit? Was macht mich gleich mit allen Menschen?« Fünf solche Fragen beantworten die Schüler mit ihren Körpern. Sie suchen keine Worte dafür wie in der Schule, sondern gehen ein paar Schritte, machen sich klein und legen Trauer oder ein Lachen auf ihr Gesicht. Alle acht zusammen, jeder anders. Ihr TanztheaterStück »If you don’t know … now you do« wird am 17. Juli beim Festival Rampenlichter uraufgeführt. Bis dahin haben sich die sechs Mädchen und zwei Jungs aus dem Wilhelm-Hausenstein-Gymnasium und der Willy-Brandt-Gesamtschule jeden zweiten Donnerstag im NS-Dokumentationszentrum getroffen.

Zum Reden über das, was nie wieder geschehen darf. Zum Forschen, Fühlen und Ausprobieren. Heute führen sie etwas von dem, was sie geprobt haben, einem Gast vor: Ernst Grube, einer der aktivsten Zeugen der NS-Zeit in München (ebenfalls Zeitzeuge in »Kein Kläger«), stellt sich ihren Fragen, die erst schüchtern kommen und nach zwei Stunden gar nicht mehr aufhören wollen: Wie war es für den Sohn einer jüdischen Mutter und eines kommunistischen Vaters im Kinderheim? In den Münchner Ghettos in Milbertshofen und Berg am Laim? Viel wollen die Jugendlichen wissen über Freunde, Grubes Geschwister, die Beziehung zu den Eltern, über das Schlimmste und vielleicht doch Schöne inmitten des Leids. Und sie erfahren viel über Menschlichkeit und die Gestalten, in denen sie das Grauen über lebt. Und über die Solidarität des alten Mannes mit den Flüchtlingen von heute.

Das ebenfalls aus der Kooperation des Festivalveranstalters Spielen in der Stadt e. V. mit dem NS-Dokumentationszentrum erwachsene Vorgängerprojekt »Stranger than – Aus Nachbarn werden Fremde« mit 22 Münchner Mittelschülern aus neun Nationen hat 2018 den BKM-Preis Kulturelle Bildung gewonnen, für neue Ansätze in der Geschichtsvermittlung und Erinnerungsarbeit durch Themen- und Selbstbefragung und die Verwandlung von beidem in Kunst. Denn darum geht es beim Festival Rampenlichter. Das Tanz- und Theaterfestival von Kindern und Jugendlichen zeigt künstlerische Annäherungen an das, was diese bewegt, mit Kindern und Jugendlichen auf der Bühne – für alle, die sich das anschauen wollen. Dafür hat es inzwischen niemand Geringeren als den Regisseur Milo Rau zum Schirmherrn gewonnen, der den Rampenlichtern den gewaltigen Satz ins Stammbuch schrieb: »Und es ist gerade dieses Festival und kein anderes, das uns daran erinnert, warum wir eigentlich Tanz und Theater machen.«

Seitdem dürfte auch das Fachpublikum einen zweiten Blick auf das Programm riskieren, das die Festivalleiter Alexander Wenzlik, Elisabeth Hagl und Sebastian Korp in diesem Jahr aus 80 nationalen und internationalen Bewerbungen ausgewählt haben. So bietet das Festival, das 2008 ganz klein begann, heuer 17 Produktionen von Schultheatern, Jugendclubs diverser Stadttheater bis hin zu semiprofessionellen Gruppen von München bis Südafrika, dazu zwei Wochen lang Gespräche und Workshops, barrierefrei und inklusiv. Und immer geht es dabei um »Weltentwürfe«, wie die Festivalleitung im Programmheft schreibt: »Mit welchem Ziel? Sie zu zeigen, uns auszuliefern, zu reiben, uns zur Diskussion zu stellen.« Das tut heute vielleicht mehr Not denn je. Zumal gerade nachdrücklich klar wird, dass die Meinung derer, die diese Welt von uns erben, nicht länger mit einem paternalistischen Wuscheln über den Kopf weggewischt werden kann.

Viele Produktionen fragen denn auch nach der Zukunft dieses Planeten und was für sie geopfert werden muss. Sei es in der generationenübergreifenden Tanz-Dystopie nach Strawinskys »Le Sacre du Printemps« der School of Life and Dance des Jungen Theater Freiburg, in »3 vor 12« der Münchner Montessorischule an der Balanstraße oder im Projekt der Kindertanzcompany von Sasha Waltz & Guests aus Berlin. Aber auch die Themen Migration, Europa und die andere Weltsicht von »Digital Natives« stehen auf dem Spielplan sowie der Schulalltag – und nicht zuletzt der gemeinsame Spaß. ||

RAMPENLICHTER
Schwere Reiter| Dachauer Str. 114
bis 18. Juli| Programm
Tickets: 089 52300694

 


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