Die Audi Sommerkonzerte haben eine neue Leiterin: Die Geigerin Lisa Batiashvili setzt ihre eigenen Akzente.
Wie sind Sie zu dem Festival gekommen?
Es gibt einige Verbindungen. Ich habe selbst als junge Künstlerin dort gespielt und war damals sehr fasziniert von dem Festival. Meine Eltern leben in Ingolstadt. Daher kenne ich Audi schon seit meiner Jugend. Ich mag die Technik, die Ästhetik und finde es großartig, wenn ein Autokonzern Kunst generell und Musik im Speziellen unterstützt. Ingolstadt hat ja, obwohl es eine kleine Stadt ist, viel anzubieten, die Jazztage im Herbst und eben die Sommerkonzerte. Mein Ziel ist es, möglichst die besten Musiker hierher zu bringen und das Festival auch unter den Künstlern noch bekannter zu machen. Ausschlaggebend ist natürlich, das Interesse beim Publikum zu wecken, mehr Farbe, mehr Diversität, mehr Zeitlosigkeit zu bringen. Ich kenne inzwischen viele tolle Musiker, die mich inspiriert oder unterstützt haben. Jetzt darf ich sie einladen und es ist ein sehr angenehmes Gefühl, auch einmal in dieser Rolle sein zu können.
Beschweren sich auch Kollegen, die nicht im Programm stehen?
Das ist mir noch nicht passiert, aber es kann durchaus vorkommen, dass ich von anderen Leuten Anregungen bekomme, was ich noch kennenlernen sollte. Für diesen Austausch bin ich dankbar. Auf der anderen Seite sind meine Möglichkeiten mit zehn, elf Konzerten auch begrenzt. Und bei vielen Künstlern und Ensembles weiß ich schon, dass ich sie unbedingt einladen möchte. Und dabei trotzdem die Tür offen halten für junge Talente. Es darf nicht passieren, dass nur bekannte Gesichter zu erleben sind, sondern es gehören auch die Künstler dazu, die es in den kommenden Jahren auf die großen Bühnen schaffen werden.
In München gibt es ja das Stars And Rising Stars Festival, das genau diesen Fokus hat.
Stimmt, ich habe da einmal mitgemacht, eine tolle Serie. Damals hatte ich nur georgische junge Künstler dabei. So etwas Ähnliches werden wir bestimmt einmal in Ingolstadt machen, denn ich will auch etwas für mein Land und seine Leute tun. Ingolstadt kennt ja Georgien schon ganz gut durch das Georgische Kammerorchester, das seit rund drei Jahrzehnten hier als Stadtorchester zuhause ist, mit eigener Saison und vielen Konzerten. Auch dank Audi übrigens, die das Ensemble finanziell unterstützen.
Beim Punkt Mitwirkung gehen die Meinungen auseinander. Manche sagen, wenn jemand ein Festival leitet, sollte er nicht auch noch spielen. Sie sind diesmal mit zwei Konzerten im Programm. Ist das Teil der Vereinbarung?
Ich gehöre nicht zu denen, die sich beim eigenen Festival besonders profilieren müssen. In diesem Fall aber war es der Wunsch von Audi, eine künstlerische Leiterin zu haben, die auch selbst auftritt. Ich habe lange nicht mehr in Ingolstadt gespielt, zwei Konzerte sind da, glaube ich, nicht zu wenig und nicht zu viel. Ich habe auch einigen Orchestern absagen müssen, die gerne mit mir zusammen etwas auf die Beine gestellt hätten, aber so viel Zeit bleibt dafür nicht. Ich werde ja vor Ort sein und meine Aufmerksamkeit auf andere Sachen richten. Da habe ich dann gar nicht den Kopf frei, selbst oft auf die Bühne zu kommen. Ich kenne das sonst nur so, mich mit mir und der Kunst zu beschäftigen. Es wird bestimmt eine Herausforderung, zwischendurch die Rollen zu wechseln und mal Musikerin, mal künstlerische Leiterin zu sein.
Bei einem Konzert spielen sie unter anderem Tschaikowskys Violinkonzert, ein eher zugängliches Werk. An anderer Stelle wählen sie durchaus auch schwerer zu hörendes Repertoire.
Oh, Tschaikowsky habe ich für mich selbst erst spät entdeckt. Ich spiele ihn daher sehr gerne, weil er für mich noch ein relativ neues Werk ist. Das macht aber auch Sinn, im ersten Jahr etwas zu wählen, was die Menschen im Publikum vielleicht schon gut kennen. Bei den kommenden Ausgaben werden wir auch Verschiedenes ausprobieren, was in Ingolstadt noch nicht so geläufig ist. Ich muss erst ein Gefühl dafür bekommen, was das Publikum hier besonders anspricht. Manches ist für mich offensichtlich, für die Zuhörer aber nicht.
Sie haben mit Ensembles wie dem Münchner Kammerorchester schon sehr versierte Interpreten für modernes Repertoire im Programm …
… und das wird sich auch fortsetzten. Es sind nur fantastische Orchester dabei, manche zum ersten Mal, manche kennen das Festival schon. Im kommenden Jahr wird es noch diverser und internationaler, da werden die Sommerkonzerte 30 Jahre alt. Man kann im ersten Jahr nicht alles verwirklichen. Und man braucht ein Thema, das in Erinnerung bleibt. Sonst vergessen die Leute, was sie erlebt haben.
Deswegen auch die jeweiligen Mottos zu den einzelnen Abenden?
Richtig! Außerdem ist das Festival mit zwei Wochen sehr komprimiert. So erzeugen wir auch ein Festival-Gefühl beim Publikum und in der Stadt.
Was hat es mit den Wohnzimmerkonzerten auf sich?
Die gab es schon im vergangenen Jahr und wir wiederholen das sehr gerne, weil viel Interesse daran besteht. Man merkt erst einmal, wie wichtig den Menschen die Nähe zu den Musikern ist. Und auch für die Künstler ist es etwas Besonderes, weil sie der Musik dadurch eine andere Aufgabe zuweisen.
Im Programm habe ich Gidon Kremer entdeckt. Haben sie da eines ihrer Idole eingeladen?
Gidon Kremer ist mit Sicherheit nicht nur für mich, sondern für fast alle Geiger ein Vorbild. Was dieser Mann geschafft und geschaffen hat und wie eigenständig, persönlich er sein Leben als Künstler führt – da war es für mich natürlich ein großer Wunsch, ihn einzuladen! Das gleiche gilt für Alfred Brendel, der jedoch nicht mehr am Klavier spielt. Aber was er erzählt, gerade im Hinblick auf seine Verbindung zu Schuberts Musik, das gibt er bei uns in Ingolstadt nicht nur ans Publikum, sondern auch an junge Künstler, wie das Quatuor Hermès, weiter. Jedenfalls ist er für mich einer der größten Schubert-Interpreten.
Schubert, nicht Mozart?
Für mich, ja! Ich habe aber eine besondere Liebe zu Schubert. Seine Musik ist noch zerbrechlicher, auch weiblicher als Mozart. Ich finde, Alfred Brendel hat diesen vorsichtig witzigen, aber auch schmerzhaften Zugang zu Schubert, eine Art und Weise der Interpretation, die einfach unwiderstehlich ist. Ich habe noch viele Erinnerungen an seine Konzerte. Und wir wissen ja nicht genau, was er bei uns bringen wird.
Ganz zum Schluss haben sie auch noch die Open Air-Konzerte, eines unter dem Motto »Vive la France!«. Wie kommt es dazu?
Erst hatten wir an Berlioz gedacht, wegen des Berlioz-Jubiläums. Dann war der Termin der 14. Juli, für Frankreich mit dem Nationalfeiertag ein besonderes Datum. Und da lag es auf der Hand, die »Symphonie Fantastique« an den Schluss des Festivals zu setzen. Das ist etwas für ein wirklich großes Publikum, mit 10.000 bis 15.000 Menschen, die bei gutem Wetter schon nachmittags den Klenzepark füllen. Sie sollen etwas Besonderes geboten bekommen, nicht nur Pauken und Trompeten. Das gilt ebenso für die wunderbare Sängerin Nino Machaidze am Tag zuvor unter dem Motto »Sommernachtstraum«. Aber natürlich hoffen wir, dass die Menschen auch in die Konzertsäle gehen, nicht nur zu den Open Airs beim Finale. ||
AUDI SOMMERKONZERTE 2019: PHILHARMONIE SALZBURG, BR SYMPHONIEORCHESTER, JEAN-YVES THIBAUDET, LISA BATIASHVILI, GAUTHIER CAPUÇON, MKO, LES VENTS FRANÇAIS, LE CERCLE D’HARMONIE, ALFRED BRENDEL, GIDON KREMER, NINO MACHAIDZE, LES SIÈCLES U.A.
Audi Veranstaltungshalle im GVZ B, Stadttheater, Audi Museum Mobile, Klenzepark
Ingolstadt | 29. Juni bis 14. Juli| Tickets: 0651
9790777 | Infos zum Programm
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