Die amerikanischen Kostümrocker Kiss laden noch einmal zum Mummenschanz. Ein herrliches Vergnügen.
Wo andere Bands im Idealfall eine umfangreiche Diskografie vorweisen, ziert der Bandname »Kiss« neben Schallplatten noch über dreitausend Produkte, von T-Shirts über Flipperautomaten bis hin zu markeneigenen Särgen. Ein solches Sortiment unterstreicht den Geschäftssinn der beiden Bandleader Paul Stanley und Gene Simmons, die ihren Fans im Übrigen auch als gezeichnete Comicfiguren und Puppen in allen möglichen Größen und Übergrößen begegnen. Darum schließen beide auch nicht aus, dass zukünftig andere Musiker den Rock-’n’-Roll-Zirkus »Kiss« samt Masken, Kostümen und Bühnenshow übernehmen könnten. Vorerst aber sind Paul Stanley alias Starchild und Gene Simmons alias The Demon mit ihrer Band auf großer Abschiedstour. Gerade die schweren Kostüme samt den riesigen Plateaustiefeln, auf denen die vier auffällig geschminkten Bandmitglieder seit den siebziger Jahren über die Bühne schreiten, seien für alternde Rockstars zu anstrengend, erklärt Paul Stanley den Entschluss, sich aus dem Showgeschäft zurückzuziehen. Zwanzig Kilo würden allein die Kostüme wiegen, mit denen er dann auch noch in jeder Show über das Publikum schwebt. Simmons züngelt derweil eidechsengleich mit seiner überdimensional langen Zunge, wenn er nicht gerade Blut oder gar Feuer spuckt.
Solch eine ungewöhnliche Bühnenshowsamt einer heißen Pyrotechnik war übrigens von Anfang an ein Markenzeichen der Band. Das betont auch das bei Hannibal erschienene Buch »Die Geschichte von Kiss – unsere Anfänge«, in welchem der Autor Ken Sharp nicht nur Stanley und Simmons zu Wort kommen lässt, sondern auch Wegbegleiter wie den Punk-Paten Iggy Pop, der nicht schlecht über die Bühne der jungen Rocker staunte, die ihm damals ungewöhnlich teuer erschien. Aber auch diese Investition hat sich für Gene Simmons gerechnet, der in seinem Ratgeber »So wird man Rockstar & Millionär. Mein Erfolgsrezept« erzählt, dass er selbst in sehr armen Verhältnissen in Israel gelebt hätte, bevor seine Familie in die USA übersiedelte. Nicht einmal Toilettenpapier habe seine alleinerziehende Mutter sich leisten können. Stattdessen habe man Stofflumpen genutzt, die sie zum Wiedergebrauch auswusch. Solche selbsterlebte Armut ist vielleicht auch der Motor für eine Arbeitsmoral, die keinen Platz für andernorts gelebte Drogenexzesse hat.
Entsprechend wurde sogar der Gitarrist Ace Frehley wegen seines Alkoholkonsumsgefeuert. Trotzdem fragen einige auch ihm treue Fans nun, ob er wenigstens auf der Abschiedstour wieder dabei sein würde. Doch Stanley lehnt ab, weil das ja die neuen Musiker diskreditieren würde, die immerhin auchschon über ein Jahrzehnt lang die Band prägen. Doch wieder lässt die Band Möglichkeiten für das finale Konzert offen. Nicht einmal, wann und wo das sein würde, wollte man allerdings sagen. Die Abschiedstour wird nämlich mehrere Jahre dauern. Die Münchner Fans feiern indes schon heuer Abschied von einer Band, die seit ihrem allerersten Auftritt vor gerade mal drei Zuschauern in New York zur Pop-Ikone gereift ist, die weltweit ebenso bekannt ist wie Elvis, James Dean oder Marilyn Monroe. ||
KISS
Königsplatz| 31. Mai| 19.30 Uhr
Tickets: 089 54818181
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