Eine besondere Lesereihe kombiniert Texte von Oskar Maria Graf und avantgardistische Volksmusik.
In der Ecke, vor der schwarzen Wand mit den weißen Graffitis, stehen und sitzen immer die Musiker, daneben steht ein kleiner Tisch mit Lampe und Mikro. An dem wird vorgelesen, und dann spielt die Musik. Der Bruch zwischen der punkigen Bar Riffraff in Obergiesing und dem Metier der Literaturlesungkönnte nicht größer sein. Vordergründig zumindest. Doch das Objekt der Lesereihe, die hier seit ziemlich genau zwei Jahren einmal im Monat bei freiem Eintritt stattfindet, ist immer dasselbe: Oskar Maria Graf. Der Lederhosenträger. Der Biertrinker. Der Anarchist. Der Bayer. Der Schriftsteller. Der Exilant. Der Liftboy. Der Soldat. Der Lyriker. Der Befehlsverweigerer. Der Dramaturg. Der Sozialist. Der New Yorker. Einer, der zwischen allen Stühlen saß.
Im Werk des Bäckersohns Graf vom Starnberger See finden sich unterschiedlichste Facetten. Ob es Graf und die Erotik, Graf und die Bayern, Graf und die Anarchie, Graf und das Land oder Graf und die Stadt heißt, die Mitglieder der Oskar Maria Graf-Gesellschaft finden zu jedem Thema passende Texte. Entstanden ist die Reihe anlässlich von Grafs 50. Todestag, erzählt Oliver Leeb, der über den Oskar-Maria-Graf-Stammtisch im Wirtshaus Fraunhofer zur Gesellschaft stieß. Es gab zwar schon immer einmal im Jahr eine Graf-Lesung im Literaturhaus, »mit berühmten Lesern halt«. Aber Oliver Leeb dachte sich, dass die Gesellschaft selber was machen sollte. Im Riffraff landeten sie, weil er den Wirt Florian Falterer kannte. Um die avantgardistische Volksmusik kümmert sich Josef Eder, der sonst als Tänzer, Choreograf und Schauspieler unterwegs ist, aber auch ein paar Instrumente spielen kann und es mit seinem Netzwerk schafft, immer wieder neue Musiker zu gewinnen. Mit Stefan Straubinger (Spui’ma Novas, Schrammelmusik), Maxi Pongratz (Kofelgschroa) und Simon Ackermann (Zwirbeldirn) gehört er zur musikalischen Stammbesetzung.
Damit sind die Musiker deutlich bekannter als die Vorleser. Abwechselnd mit Katrin Sorko, ebenfalls aus dem Vorstand der Graf-Gesellschaft, liest Oliver Leeb die Geschichten ihres Lieblingsautors. Was ihn an dem Dichter am meisten fasziniert, ist,»wie zerrissen der oft war und wie er sich durchgekämpft hat durch sein Leben«. Was nicht heißt, dass Grafs Geschichten deprimierend sein müssen. Düster, ja, aber manchmal auch so unglaublich lustig, dass man vor Lachen vom Barhocker fallen möchte. Wie bei »Der unentwegte Zivilist«. Darin schlängelt sich ein Chauffeur aus Wien während des Ersten Weltkriegs geradezu haarscharf an der Front vorbei und genießt das gute Leben. Erinnert ein wenig an Schweijk, nur nicht so treuherzig.
Die Texte dürfen schon auch anstrengend sein, meint Oliver Leeb. Zu den Lesungen kämen auch Leute, die Grafs Werk gut kennen. Aber weil die Veranstaltungen keinen Eintritt kosten (für die Musiker geht ein Hut rum) eben auch Laufpublikum. »Manche gehen auch, wenn sie zufällig da sind, andere finden es schön, dass sie unverhofft in eine Veranstaltung geraten sind.« Einmal waren drei da, die ständig gequatscht und rechte Ansichten von sich gegeben haben. Ausgerechnet am Abend mit dem Thema Exil, als der syrische Musiker Abathar Kmash mit seiner Oud dabei war. Einer der drei hat sich dann doch fürs Thema interessiert und mit dem Veranstalter diskutiert. Ihm war vorher nicht klar gewesen, dass auch Deutsche mal flüchten mussten. Man möchte gern glauben, dass Graf hier zum Umdenken beigetragen hat.
Nach der ersten Lesereihe wollten sie eigentlich aufhören, aber das Publikum meinte, sie sollten weitermachen. Also sind sie geblieben. Am 28. Mai geht »Uns kann nur die Revolution retten« mit »Die blutigen Wochen von München« zu Ende. Im Juni und Juli geht es dann mit dem Thema Graf und die Religion weiter. Graf hätte es im Riffraff wahrscheinlich gefallen, nur die winzigen Steingutkrügerl, in die gerade eine Viertel Maß reinpasst, die hätten ihm nicht behagt. ||
UNS KANN NUR DIE REVOLUTION RETTEN
Riffraff | Tegernseer Landstr. 96 | 28. Mai| 20 Uhr
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