Essen ist nicht nur eine Überlebenstechnik, sondern mehr als jemals zuvor ein bedeutungsstiftender Akt – und damit ebenso Biologie wie Kultur.

Aeroponik-Installation: »Wurzeln an die Luft« von Jessica Guy und Emily Whyman. Das alternative Anbausystem zeigt, wie Pflanzen ohne Erde wachsen | © Emily Whyman / courtesy BIOTOPIA Naturkundemuseum Bayern

Fontane, den man in seinem Jubiläumsjahr gar nicht oft genug zitieren kann, hat in »Schach von Wuthenow« einer der Figuren die vielsinnige Sentenz in den Mund gelegt: »Unser Essen und Trinken, soweit es nicht der gemeinen Lebensnotdurft dient, muss mehr und mehr zur symbolischen Handlung werden(…)« Unsere Nahrungsaufnahme, so lässt sich interpretieren, war und ist also immer beides: tägliche Verrichtung und ein kommunikativer Akt, also gleichermaßen Biologie wie Kultur. Wenn voraussichtlich 2025 BIOTOPIA – Naturkundemuseum Bayern als Nachfolger des bei Alt und Jung beliebten Museums Mensch und Natur die Pforten öffnet, werden die Besucher sich nicht mehr allein Themenfelder, zum Beispiel »Die bunte Welt der Minerale«, anschauen können. Stattdessen stehen dann Verhaltensweisen sowie Natur- und Lebensprozesse, die wir mit den Tieren gemeinsam haben, im Zentrum: von »Schlafen« über »Fortbewegen« bis hin zum »Essen«. Der Mensch soll sich als Teil der Natur begreifen lernen. Angeschlossen an die Ausstellungssektionen werden verschiedene Labore sein, in denen der Besucher nicht nur mit Forschern, Designern und Künstlern ins Gespräch kommen, sondern auch selbst aktiv werden kann, ja soll.

»Eat – Wie schmeckt die Zukunft?« heißt das interdisziplinäre Festival für die ganze Familie am 26. Mai, das die Ausstellungsmacher um BIOTOPIA-Gründungsdirektor Michael John Gorman zum zweiten Mal im Hubertussaal von Schloss Nymphenburg sowie im Museum Mensch und Natur initiieren, um die Besucher von morgen schon heute auf das visionäre Konzept des neuen Museums einzustimmen. Im vergangenen Jahr lag der Fokus des BIOTOPIA-Festivals mit »Hautnah« im weitesten Sinne auf Kleidung und Behausungen, im nächsten Jahr soll es um Wahrnehmung gehen. Die Festival-Ergebnisse fließen ins Museumskonzept ein, zunächst aber bereichern sie das sogenannte BIOTOPIA LAB, das Ende des Jahres im Botanischen Garten in Nymphenburg öffnet und dem Team bis 2025 als Interimsausstellungsfläche dient. Denn die Schließung des Museums Mensch und Natur steht Ende 2019 an.

Das »Eat-Festival« setzt sich einen ganzen Tag lang mit dem Thema Essen unter dem Aspekt von Gesundheit, Ernährung und Nachhaltigkeit auseinander. Ein Thema, das alle angeht. »Essen ist das, was wir jeden Tag tun«, umschreibt die BIOTOPIA-Programmmanagerin und Festivalleiterin Nina Möllers den Aktionstag: »Mit jeder Mahlzeit treffen wir eine persönliche Entscheidung.« Wer sich fragt, was er unabhängig von einem wie auch immer gearteten Engagement für Umwelt und Klima tun kann, der findet bei der Nahrung ein weites Feld, um Zeichen zu setzen. Das fängt etwa beim Gang zum Wochenmarkt an, geht beim Kauf von saisonalen, regionalen und ökologisch produzierten Lebensmitteln weiter und hört noch längst nicht beim Verzicht auf Plastik auf. So lassen allein folgende Zahlen aufhorchen: Während von den weltweit ca. 7,6 Milliarden Menschen 821 Millionen hungern, leiden 1,9 Milliarden Menschen an krank machender Fettleibigkeit.

Und so geht das Festival vielen Fragen nach, darunter »Wie formt unser Essverhalten den Planeten?« oder »Wie können wir langfristig Nahrung produzieren, ohne die Ökosysteme zu zerstören?« Behandelt werden diese in Vorträgen, deren Titel bereits neugierig machen. So spricht der Paläontologe und Geobiologe Gert Wörheide zum Thema »Wie ein Schwamm essen«, und Anneke van Heteren von der Zoologischen Staatssammlung München stellt »Höhlenbären: die großen Vegetarier der Eiszeit« vor. Daneben gibt es abe rauch jede Menge Workshops zum Mitmachen, man kann »Leckeres aus Resten« kochen und Nistkästen für (Wild)Bienen bauen. Oder man schaut Wissenschaftlern bei der »Bodenforschung für alle« über die Schulter. Zuletzt ist die Ausstellung »Meat the Future«, die bis zum 23. Juni im Museum Mensch und Natur Station macht, Bestandteil des Festivals. Vorgestellt werden dort 30 mögliche Alternativen zu herkömmlicher Fleischproduktion, darunter auch die Erzeugung von künstlichem Laborfleisch. Da darf unter den Referenten natürlich auch Richard David Precht nicht fehlen, der mit seinem Beststeller »Tiere denken« die Diskussion ums Essen mit intelligenter Polemik würzt. ||

EAT – WIE SCHMECKT DIE ZUKUNFT?
Museum Mensch und Natur | Schloss Nymphenburg
26. Mai | 10–20 Uhr | Eintritt frei

 


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