Paula Schlagbauer bringt Jona Spreters »Bavarokratie« auf die Bühne der Kammerspiele und des Wolf-Ferrari-Hauses in Ottobrunn.

Bavarokratie

Königreich für einen Buben

bavarokratie

Verheddert: Amalie (Panos Markou), Otto (Katharina Salzberger) und
Zeremonienmeisterin Eleni Pipini | © Renata Kotti-Domprets

Bärte, wohin man schaut. Dazu Trachten, bayerische und griechische, bunt gemischt. Karo. Angedeutete Hosenträger und Miederschnürung, eine blaue Kniebundunterhose. Keulenärmel, Westen und rote Bommeln auf Haferlschuhen, die Röcke nicht so aufwendig plissiert wie in der griechischen Tracht, sondern gereiht (Kostüme: Amelie Unhoch). Und das alles in Weiß und Blau, aber eher verwaschen, unordentlich, chaotisch.

Betritt man den Werkraum der Kammerspiele bei der Abschlussinszenierung des dritten Jahrgangs der Falckenberg-Schule, erwartet einen Jahrmarktsatmosphäre. Das Ensemble preist marktschreierisch Booklets an, die ein Bauchladenhändler feilbietet. Schnaps gibt es auch. Regisseurin Paula Schlagbauer hat 2023 in ihrer Inszenierung »Metzger in Masken« einen bayerischen Skandal aufgearbeitet und dabei ungeniert in die Bauerntheaterkiste gegriffen. Lust an der Überzeichnung legt sie auch Jona Spreters »Bavarokratie« an den Tag. Marlon Bienert, Katharina Salzberger, Panos Markou, Eleni Pipini und Giovanni Raabe führen beherzt durch diesen Schwank in zehn Szenen.

Der reflektiert auf eigenwillige Weise das Königtum von Otto von Wittelsbach, von 1832 bis 1862 König von Griechenland. Nicht König der Griechen, das hätte die Griechen im osmanischen Reich mitgemeint und zu Problemen mit ebendiesem führen können. Der Kindkönig Otto war erst 16, als er gekürt wurde, und ein Produkt russisch-britisch-französischer Machtinteressen, eine Spielfigur auf dem Feld europäischer Diplomatie. Βαυαροκρατία ist die spöttische Bezeichnung der Griechen für den griechischen Staatsrat, der nichts zu melden hatte. Erst 1844 erzwang die aufständische Bevölkerung eine Verfassung. Vati Ludwig fand das nicht so toll, wie der Bote aus Bayern (Marlon Bienert) überbringt. Der reitet nicht, sondern bewegt sich plattelnd und im griechischen Wachablöseschritt über die Bühne. Überhaupt ist dieser Abend famos durchchoreografiert und von beständigem Singsang geprägt, der an Moritaten- und Bänkellieder erinnert. Unter der Oberfläche der gut gelaunten, kracherten Performance, die das Ensemble stampfend, plattelnd, hüpfend vorantreibt, verbergen sich jede Menge Seitenhiebe auf aktuelle Politiktendenzen. Unter einer mehrere Laken großen Stoffbahn verheddern Otto (Katharina Salzberger) und seine Frau Amalie (Panos Markou) sich in der zweisprachig griechisch-deutschen Aufführung, in der nicht alles übersetzt wird, in der Sprache, den Anforderungen an Nachkommenschaft und ihrer maßlosen Selbstüberschätzung. »Aber ursprünglich wollten sie mich doch haben«, ist Ottos wehleidiges Mantra. Nach 30 Jahren, in denen er Griechenland das Reinheitsgebot brachte, ein Schulsystem und einige klassizistische Bauten, schmeißen die Griechen ihn raus. Sie haben endgültig genug von Fremdherrschaft. ||

BAVAROKRATIE – BAYAPOKPATIA
Wolf-Ferrari-Haus Ottobrunn | 21. Mai | 19.30 Uhr
Kammerspiele Werkraum | 22., 23. Mai | 19.30 Uhr
Tickets 089 23396600

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