Sich berühren, sich drehen, zusehen – Laura Saumweber bringt mit »Tanztee & Prosecco« das Tanzen ins Seniorenheim.

Tanztee & Prosecco

Jung und alt

tanztee & prosecco

Begegnung und Bewegung | © Ben Reiss

Kaum eine andere Kunst ist so sehr an einen jungen, intakten und, ja, eigentlich außergewöhnlich talentierten Körper gekoppelt wie der Tanz. Es ist furchtbar unfair. Aber um auf Profiniveau tanzen zu wollen, braucht es biologische Vorraussetzungen, die nicht erarbeitet werden können. Eigentlich. Denn immer mehr werden diese Dinge in der Tanzszene – außerhalb der großen Profikompanien – in Frage gestellt. Denn Tanz sind eben nicht nur Arabesquen auf Spitzenniveau. Tanz ist auch eine der rudimentärsten und ursprünglichsten künstlerischen Ausdrucksformen des Menschen.

Die Münchner Tänzerin, Choreografin und Tanzvermittlerin Laura Saumweber holt mit ihrem Projekt »Tanztee & Prosecco« also eigentlich etwas ganz Natürliches zurück zu den Menschen. Genauer in ein Seniorenwohnheim, das Münchenstift-Haus an der Rümannstraße. Doch ganz so einfach ist das natürlich nicht. Von der natürlichen Kinderbewegung des Tanzens ist es ein mächtiger Schritt, im hohen Alter wieder anzufangen zu tanzen. Aber das muss hier auch keiner. Laura Saumweber und ihr Team versuchen auf erster Ebene einmal Verbindungen zu schaffen. Zwischen den Bewohnerinnen und Bewohnern des Hauses und dem Publikum aus der Stadt. Zwischen sich selbst und seinem Körper. Zwischen den Körpern. Je ein Gast und ein Bewohner werden zunächst als Team ausgelost. Es gibt Live-Klavier-Musik (Piano: Lukas Mario Maier), wer möchte, kann sich bewegen. Man kann sich aber auch einfach etwas erzählen, oder zugucken, spüren, was die anderen machen. Verbindungen sehen lernen.

»Ich finde, dass wir alle eine gesellschaftliche Verantwortung füreinander haben, die auch anhält, wenn jemand womöglich nicht mehr eigenständig leben kann und sich entscheidet, in ein Seniorenheim zu ziehen«, sagt Laura Saumweber über ihre Intention. Und da sie nun einmal Tänzerin ist, überlegte sie, wie sie mit ihren Mitteln eine solche Verantwortung einlösen kann. Den zeitgenössischen Tanz also als kulturelle Teilhabe in die Seniorenheime zu tragen und gleichzeitig jüngere Menschen einmal an diese Orte zu bringen. Denn: »Viel zu wenige Menschen kennen den Lebensraum ›Seniorenheim‹, bevor sie vielleicht selbst einziehen«, sagt Saumweber lakonisch dazu. Saumweber sieht dabei auch ein »Bedürfnis nach ästhetischen Erfahrungen« bei den Menschen, egal welchen Alters oder welcher Bewegungsfähigkeit – das möchte sie ermöglichen. Und hofft darüber wiederum auch zu einem empathischen gesellschaftlichen Miteinander beitragen zu können.

Im vergangenen November fand dann die erste Ausgabe von »Tanztee & Prosecco« statt. Mit knapp 60 Menschen, zu gleichen Teilen Bewohnerinnen und Bewohner des Münchenstifts und externe Besucherinnen und Besucher. Eine Begegnung zwischen Tanz, Kunst und Kaffeekränzchen mit Menschen im Alter zwischen 20 und 90 Jahren.

Ein Aspekt ist jedoch wichtig: Laura Saumweber will mit ihrem Projekt nicht nur tänzerische Begegnungen schaffen, sie will den professionellen zeitgenössischen Tanz auch als theatrale Erfahrung mitbringen. Und so gibt es im Anschluss an die Begegnungen des Tanztees auch eine Aufführung. Bei der nun anstehenden Ausgabe im März wird die von der Freiburger Kompanie Vaya kommen, die mit dem 15-minütige Stück »(a)ROUND« auftreten werden. Die Choreografin Tina Halford hat hier ein Stück entwickelt, das von der vielleicht ursprünglichsten Tanzbewegung überhaupt ausgeht: dem Drehen. Daraus entwickelt sie Assoziationen zu Unendlichkeit, zu Fragen nach dem Anfang und dem Ende. Nach körperlichen Grenzen, nach Fliehkraft und Gleichgewicht – was ja auf einer gewissen metaphysischen Ebene auch ganz gut zu Laura Saumwebers ganzem Themenkomplex passt. Damit aber alles nicht zu schwer wird: Danach gibt es wie bei jedem guten Theaterbesuch eine Bar mit Gesprächen und dem titelgebenden Blubbergetränk. ||

TANZTEE & PROSECCO
Münchenstift, Theatersaal | Rümannstr. 60 | Sonntag, 30. März | 15 bis 17 Uhr | Tickets (Spendenbasis)

Weitere Vorberichte und Kritiken finden Sie in der aktuellen Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.

 


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