In »Pfau – Bin ich echt?«, dem Langfilmdebüt des Österreichers Bernhard Wenger, kann man sich Freunde buchen, für jeden Anlass. Einer dieser Freunde auf Abruf ist Matthias, Tag für Tag schlüpft er für seine Kunden in andere Rollen. Aber je mehr Rollen er spielt, desto weniger weiß er, wer er selbst ist. Im Interview spricht Wenger über Humor, starke Bilder und Social Media.

Pfau – Bin ich echt?

»Ohne Tragik gibt es keinen Humor«

pfau - bin ich echt?

Matthias (Albrecht Schuch) und seine Freundin Sophia (Julia Franz Richter) haben jetzt einen Hund © NGF CALA 2024

Herr Wenger, Sie haben schon einige Kurzfilme gedreht, »Pfau – Bin ich echt?« ist Ihr Spielfilmdebüt. Woher stammte die Idee?
2014 habe ich zum ersten Mal im »New Yorker« einen Artikel über »Rent a Friend«-Agenturen gelesen. Schon damals habe ich mir gedacht, dass das ein tolles Thema ist, allerdings nicht für einen Kurzfilm. 2018 kamen dann nach dem Erfolg meines Kurzfilms »Entschuldigung, ich suche den Tischtennisraum und meine Freundin« Produktionsfirmen wegen eines Kinofilms auf mich zu. Also bin ich zur Recherche nach Japan geflogen, wo es diese Agenturen wirklich gibt, und habe mich mit Leuten getroffen, die dort arbeiten. Ich bin nur mit einem rudimentären Wissen dorthin gereist, zurückgekommen bin ich dann mit der sehr persönlichen Geschichte eines Mitarbeiters. Der hat mir erzählt, dass er nicht mehr weiß, wer er selbst ist, weil er diesen außergewöhnlichen Beruf hat, in dem er jeden Tag jemand anderes sein muss. Das fand ich wahnsinnig tragisch und habe darum eine satirische Geschichte gebaut.

Dieses Phänomen der »Rent a Friend«-Agenturen ist in Europa nicht sehr verbreitet.
In Japan wurden diese Agenturen ursprünglich gegründet, um gegen Isolation und Einsamkeit zu helfen. So langsam kommt das Phänomen auch in Europa an. Da geht es dann aber eher darum, jemanden für Stadtführungen zu mieten. Einen Ortskundigen, der einem neue Plätze zeigt. In Japan aber werden sie viel dafür genutzt, sich im besten Licht zu präsentieren. Menschen mieten also jemanden, um bei Freunden und Bekannten Eindruck zu schinden. Und eigentlich passiert das in unserer Gesellschaft ständig auf Social Media. Die »Rent a Friend«-Agenturen sind quasi die Erweiterung aufs echte Leben.

In einer Szene geht es um eine Influencerin, die wegen eines Shitstorms ihre Follower verliert.
Diese ganze Selbstpräsentation im Film kann man auch alsMetapher auf Social Media verstehen. Filmisch finde ich es nicht besonders spannend, wenn jemand durchs Handy scrollt. Trotzdem wollte ich diesen Aspekt einfließen lassen. Da kam mir diese skurrile Geschichte mit der Influencerin gelegen, die gestellte Urlaubsbilder gepostet hatte. Das ist übrigens nicht fiktional, sondern wirklich passiert.

Wenn Matthias, die Hauptfigur Ihres Films, in diese unterschiedlichen Rollen schlüpft, wird er gewissermaßen selbst zum Schauspieler.
Bei japanischen »Rent a Friend«-Agenturen geht es weniger um schauspielerisches Talent. Sondern eher darum, dass diese Menschen eine Rolle möglichst natürlich einnehmen. Deswegen suchen diese Agenturen auch explizit nach Leuten ohne Schauspielerfahrung. SchauspielerInnen stehen auf einer Bühne oder vor der Kamera, dadurch ist immer klar, dass es nicht echt ist. Wenn man bei diesen Agenturen arbeitet, dann spielt man im echten Leben. Außer den Kunden ist niemand eingeweiht. Und vielleicht kann man sich deswegen auch so leicht darin verlieren.

Werner Herzog hat in »Family Romance, LLC« ein ganz ähnliches Thema aufgegriffen.
Ich kenne den Film. 2018 habe ich mit meinem Projekt begonnen, 2019 kam Herzogs Film nach Cannes. Das hat mich wahnsinnig gestresst! Aber als ich »Family Romance, LLC« dann gesehen habe, habe ich gemerkt, dass er ganz anders ist als das, was ich im Kopf hatte.

Werner Herzog hat in »Family Romance, LLC« ein ganz ähnliches Thema aufgegriffen.
Ich kenne den Film. 2018 habe ich mit meinem Projekt begonnen, 2019 kam Herzogs Film nach Cannes. Das hat mich wahnsinnig gestresst! Aber als ich »Family Romance, LLC« dann gesehen habe, habe ich gemerkt, dass er ganz anders ist als das, was ich im Kopf hatte.

In der ersten Einstellung sieht man ein brennendes Golfcart. Haben Sie solche Bilder schon im Kopf, wenn Sie das Drehbuch schreiben?
Ich bin ein sehr visueller Mensch, das Golfcart zum Beispiel war von Anfang an da. Bei anderen Dingen gab es zuerst die Handlung, und danach habe ich mit meinem Kameramann Albin Wildner die Bilder gesucht. Wir haben uns sehr präzise vorbereitet und den Film am Papier aufgelöst. Danach haben wir den ganzen Film testweise mit einer kleinen Kamera gedreht, mit KollegInnen als SchauspielerInnen. Das hilft dabei, ein Verständnis für die Dialoge und die Figuren zu entwickeln. Rhythmus, Timing – all diese Dinge, die für eine Komödie wahnsinnig wichtig sind, haben wir laienhaft ausprobiert, bevor wir mit dem eigentlichen Dreh begonnen haben.

In Ihren Filmen spielen Gebäude oft eine zentrale Rolle. Warum?
Ich mag nicht nur das Gewöhnliche zeigen. Und für »Pfau – Bin ich echt?« wollte ich Wien aus einem anderen Blickwinkel einfangen. Sonst kennt man Wien für den Alt- und Gemeindebau, bei mir hat die Hauptfigur aber eine sehr moderne Wohnung. Auch bei anderen Handlungsplätzen wollte ich keine Klischees. Das klassische Wiener Konzerthaus ist vielleicht der Musikverein, ich habe mich stattdessen für das moderne MuTh entschieden, den Konzertsaal der Wiener Sängerknaben. Mir geht es darum, mit Locations, Szenenbild und Kostüm noch eine gewisse zusätzliche Attraktion im Bild zu schaffen.

Ich habe vor allem den Eindruck, Sie arbeiten gerne mit klar strukturierten Bildern.
Das stimmt. Ich finde es bei einer humorvollen Handlung interessant, nicht zu nahe zu sein, sondern manchmal eine etwas weiter entfernte Perspektive zu zeigen. Es ging trotzdem darum, eine Balance zu finden. Auch Bilder zu zeigen, die nahe an der Hauptfigur dran sind, damit man als Zuschauer mitfühlen kann. Der Humor im Film ist oft ein visueller, erzeugt durch Bildkomposition, Szenenbild, Kostüm und Schnitt.

Warum fanden Sie es wichtig, diese Geschichte als Tragikomödie zu erzählen?
Ohne Tragik gibt es keinen Humor. Sonst ist es langweilig. Für mich ist es spannender, dem Publikum gesellschaftskritische Themen satirisch näherzubringen. Einerseits bringt man die Leute zum Lachen. Andererseits konfrontiert man sie mit Dingen, die sie nachdenklich machen. Und so haften verschiedene Emotionen auf diesem Filmerlebnis.

Was unterscheidet für Sie »Pfau – Bin ich echt?« von anderen Komödien?
In der klassischen Komödie wird heutzutage Humor hauptsächlich durch Dialog, Slapstick oder große Übertreibung kreiert. Ich mag subtilen Humor und finde es interessanter, wenn sich nicht alles im Bildvordergrund abspielt, sondern auch »entdeckbar« ist.

So wie im Yogaresort, wo jemand im Hintergrund einen Baum umarmt.
Genau. Skurrile Dinge, die in den erzählten Settings aber nicht unrealistisch sind. Unser Alltag birgt so viel schöne Absurdität, die wir oft gar nicht mehr wahrnehmen. Ich versuche mit meinen Filmen einen Spagat zwischen Arthousefilm und Unterhaltung zu schlagen. ||

PFAU – BIN ICH ECHT?
Österreich 2024 | Regie: Bernhard Wenger | Buch: Bernhard Wenger, Nikolas Geyrhalter | Mit: Albrecht Schuch, Julia Franz Richter, Anton Noori, Theresa Frostad Eggesbø | 102 Minuten | Kinostart: 20. Februar | Website

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