Georg Büttel inszeniert Jura Soyfers »Weltuntergang oder Die Welt steht auf kein’ Fall mehr lang« im Metropoltheater.

Weltuntergang oder Die Welt steht auf kein’ Fall mehr lang

Schmerz und Schmäh

Weltuntergang

Countdown zum Weltuntergang (Ensemble) | © Marie-Laure Briane

Wäre die Welt ein Kaffeehaus, dann wäre ihr Untergang wohl so etwas wie die letzte Sperrstunde – und so beginnt auch der Abend im Metropoltheater in Thomas Bruners liebevoll schräg nachgebautem Kaffeehaus-Interieur mit dem berühmten Wiener Lied »Sperrstund is«. Gerd Lohmeyer singt es mit einer zart brummeligen Mischung aus Schmäh und Schmerz seinen späten Gästen und legt darauf die Kellnerschürze ab, um sich im weiteren Verlauf erst in den Mond und später in den Gelehrten Professor Guck zu verwandeln, den einzigen Erdenbewohner, der den Weitblick besitzt, die drohende Gefahr kommen zu sehen.

Bekannt wurde das Lied durch Hans Moser, aber komponiert hat es Jimmy Berg alias Simon Weinberg Anfang der 1930er Jahre für das Wiener Kabarett ABC, für das auch der junge Schriftsteller Jura Soyfer sein erstes Stück »Weltuntergang oder Die Welt steht auf kein’ Fall mehr lang« schrieb. Die dunkle Zeit des Faschismus hat Berg in New York überlebt, Soyfer hatte das Glück nicht. Geboren 1912 in Charkow in der Ukraine, kam er mit seiner jüdischen Familie 1923 nach Wien, engagierte sich bereits als Schüler in sozialistischen Vereinen und schrieb kämpferisch geschliffene Texte für die Arbeiter-Zeitung und politische Kleinkunstbühnen. 1937 wurde er ein erstes Mal verhaftet und kam Anfang 1938 im Zuge einer Generalamnestie noch einmal frei. Wenig später versuchte er mit Skiern über die Berge in die Schweiz zu fliehen und wurde am 13. März, dem Tag nach dem »Anschluss« Österreichs, gefasst und daraufhin zunächst ins KZ Dachau und später nach Buchenwald deportiert, wo er 1939 an Typhus starb.

Fünf Jahre zuvor bettete er in seinem Stück die bevorstehende nationalsozialistische Katastrophe noch in eine komischkosmische Rahmenhandlung voller Ironie und Sprachwitz: »Die Erde hat Menschen«, berichtet der sanfte Mond auf Nachfrage zögerlich der strengen Sonne, und die stören die reine Sphärenharmonie – woraufhin der Komet Konrad losgeschickt wird, um den befallenen Planeten durch eine Kollision von seiner Plage zu befreien und wieder auf Kurs zu bringen.

Regisseur Georg Büttel lässt in seinem temperamentvoll abschnurrenden Bilderbogen die Kaffeehausbesucher und das Personal mit Töpfen und Tabletts zu Gestirnen werden, bevor dann der Blick auf die Erde zoomt, wo Professor Guck mit wachsendem Zeitdruck und schwindendem Optimismus eine letzte Rundreise antritt und dabei unter Journalisten, Diplomatinnen und Beamten durchweg auf Ignoranz und Renitenz gegenüber seinen Warnungen trifft. Michele Cuciuffo, schon eindrucksvoll als Thekensäufer und militanter Mars, darf hustend und rotzend auch noch den »Führer« spielen, Paul Kaiser zappt sich als Radioapparat durch sämtliche Kanäle und wird zum Schluss zum krächzenden Unglückspapagei. Nathalie Schott und Dascha von Waberer wetteifern um das beste Untergangsoutfit und Couplet, während Mara Widmann als resolute Wirtin und Sonne den Countdown überwacht, den Hubert Schedlbauer als ungestümer Komet dann doch noch verstolpert.

In Sanna Dembowskis stilvoll altmodischen Kostümen und den heiteren musikalischen Arrangements von Andreas Lenz von Ungern-Sternberg wirkt das alles ein bisschen wie ein nostalgisches Märchen von einem anderen Stern – aber natürlich sind auch wir es, die gerade so unbelehrbar auf den finalen Clash zurasen. Fragt sich nur, ob im nächsten Jahrhundert dann noch jemand von uns erzählen wird. ||

WELTUNTERGANG ODER DIE WELT STEHT AUF KEIN‘ FALL MEHR LANG
Metropoltheater | Floriansmühlstr. 5 | 15., 16., 18., 19., 21.–25. Feb. | 19.30 Uhr (So 18 Uhr) | Tickets 089 32 19 55 33

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