Max Lindemann bringt Steinbecks Roman »Früchte des Zorns« auf die Bühne des Volkstheaters.

Früchte des Zorns

Das Stück der Stunde

früchte des zorns

Familie Joad (Ensemble) | © Arno Declair

Hunderttausende Amerikaner machten sich Anfang der 1930er Jahre auf den Weg nach Kalifornien in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Der Bankencrash 1929 hatte Massenarbeitslosigkeit und einen Wirtschaftseinbruch ausgelöst, zudem machte eine extreme Dürre den Mittleren Westen fast zur Wüste, und Staubstürme wehten den Farmern buchstäblich den ausgetrockneten Existenzboden unter den Füßen weg. So auch der Familie Joad, deren Schicksal John Steinbeck in seinem Roman »Früchte des Zorns« verfolgt. Steinbeck wurde zum Chronisten der Großen Depression und zum scharfen Sozialankläger. Er erhielt dafür 1940 den Pulitzerpreis und 1962 den Nobelpreis. Im Volkstheater inszenierte der 35-jährige Max Lindemann die Bühnenadaption von Johannes Nölting in der Fassung von Dramaturgin Anouk Kesou. Die Parallelen zu heutigen Flüchtlingsströmen drängen sich ohne Aktualisierung auf. Es ist das Stück der Stunde.

Karg erscheint zunächst die Bühne von Marlene Lockemann: ein rundes Podest mit einem Graben in der Mitte. Links Spielzeugmodelle schäbiger Farmhäuser, dann eines Zeltcamps. Eine Livekamera projiziert sie groß auf die Rück-Leinwand. Aus der Versenkung wächst welker Mais, eine Tankstelle oder ein Zelt senken sich herab. Der Riss teilt die Gesellschaft: Die Verlierer verscherbeln ihr Hab und Gut für Spottpreise an Krisengewinnler, die drehen ihnen teure Schrottautos an, um ins gelobte Land zu fahren. Denn Anwerbezettel versprechen gutes Geld für Obstpflücker in Kalifornien.

Doch die als Okies verachteten Oklahoma-Flüchtlinge in 30erJahre-Kostümen (Eleonore Carrière) erwarten dort nur Armut, Hunger, Fremdenfeindlichkeit und Ausbeutung. Die Joads landen in einem armseligen Zeltlager, nach Präsident Herbert Hoover hießen diese Camps »Hoovervilles«. Miliz überwacht sie, die Löhne werden gedrückt. Überall Elend. Doch gibt es unter den Ärmsten auch Solidarität. Das zeigt Steinbeck an den Joads.

Ein 530-Seiten-Roman ist nicht leicht zusammenzufassen. So erzählen immer wieder Schauspieler*innen an der Rampe in Brecht-Manier die Handlung. Das macht den ersten Teil der knapp dreistündigen Aufführung manchmal spröde. Danach spielt das hervorragende Ensemble befreiter auf. Vor allem Anne Stein als Mutter Joad, das Kraftzentrum der Kernfamilie. Ihre pragmatische Tat- und Entscheidungskraft bringt alle zur Räson. Sie treibt den schwächlichen Vater (Lukas Darnstädt) zur Arbeit, hält die erwachsenen Söhne Tom (Max Poerting) und Al (Lorenz Gutmann) in Schach, stärkt Onkel John (Alexandros Koutsoulis), integriert den Ex-Prediger Casy (Lorenz Hochhuth) in die Familie und besänftigt die schwangere, hysterische Tochter Rose (Ruth Bohsung). Deren liebevoller Mann Connie (Kjell Brutscheidt) haut vor der Geburt ab. Einige spielen auch diverse Nebenrollen: So Henriette Nagel als Großmutter und Tankwart. Man kann ihnen im Hintergrund beim Schminken und Umziehen zusehen. Das Theater legt seine Mittel offen. Die Musik von Sonja Deffner unterstützt unaufdringlich die spannende Inszenierung. ||

FRÜCHTE DES ZORNS
Volkstheater | Tumblingerstr. 29 | 4. März | 19.30 Uhr | Tickets 089 5234655

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