Elsa-Sophie Jach dramatisiert Marieluise Fleißers Roman »Eine Zierde für den Verein«.
Eine Zierde für den Verein
Arena der Männer
Der Abend beginnt mit Trotz. Oder mit Widerstand. Aus dem Off liest Katja Jung einen Brief von Marieluise Fleißer aus dem Jahr 1947. Die Autorin beschreibt, wie sie in Ingolstadt wie eine Aussätzige behandelt wird. An ihrem Roman »Eine Zierde für den Verein« halte sie dennoch fest, er sei »gar nicht so schlecht«. Was stimmt. Dieser Roman »vom Rauchen, Sporteln, Lieben und Verkaufen« verhandelt sehr direkt und mit autobiografischen Anklängen das Leben der »Mehlreisenden Frieda Geier« (so der ursprüngliche Titel des Romans), die versucht, sich in einer Welt übergriffiger Männer zu behaupten. Die Regisseurin Elsa-Sophie Jach hat den Text nun im Marstall inszeniert.
Aleksandra Pavlović hat eine quietschbunte Arena in den Raum gestellt, ein von Tribünen umgebenes türkises Rund, das mal zum Schwimmbecken, mal zur Tanzfläche wird. Rundherum ein komplementär-knallroter Vorhang aus halb transparenten Kunststofflamellen, auf den sich Livevideos projizieren lassen und durch die man auch hindurchluren kann. Ein Aufbau wie eine Versuchsanordnung, in die Elsa-Sophie Jach die Fleißer-Figuren schickt, sie aufeinander und voneinander abprallen lässt.
Wie auf einer Showtreppe schreiten sie mal die Stufen herunter, springen ins zentrale Loch wie der Kunstspringer Rhi ins Wasser oder sprechen ihre Texte direkt ins Publikum. Liliane Amuat spielt die Frieda als eine, die ihren Platz behaupten will und doch kaum eine Chance hat gegen all jene, die in einer Frau eben etwas komplett anderes sehen als einen gleichberechtigten Menschen (andere Frauen wie Gustls Mutter durchaus eingeschlossen). Thomas Lettow zeigt den Gustl, diesen Kraulkönig und jene »Zierde des Vereins« als einen, der schon lieben will, aber durchaus auch zum Hass bereit ist, wenn sein Stolz verletzt wird. Thomas Hauser, Katja Jung und Vassilissa Reznikoff springen von einer Rolle in die andere, erschaffen Typen, die einen erst zum Lachen bringen und dann zum Schlucken.
Diese Gesellschaft, bei Fleißer die Weimarer Republik, ist eine, in der für Frauen deutlich andere Regeln gelten als für Männer und in der es einem, der wenig Kapital hat, schwer gemacht wird, wirtschaftlich auf eigene Füße zu kommen. Der Gustl eröffnet ein Tabakgeschäft, das nur durch den Hausgang zugänglich ist – und in der kalten Jahreszeit eigentlich gar nicht, denn da ist die Haustür geschlossen. Die Miete muss dennoch gezahlt werden. Warum nicht von Friedas Geld? Weil die andere Pläne hat, zum Beispiel ihre Schwester Linchen zu unterstützen.
Es ist eine harte Geschichte, die in einer harten Umgebung angesiedelt ist, in der niemandem etwas geschenkt wird, einer Frau schon dreimal nicht. Und so rücken die Männer eben zusammen, wenn eine Frau sich nicht an ihre Regeln halten will. Weil Frieda ihm nicht gibt, was er verlangt, nimmt Gustl sich Linchen, ihre Schwester: »Wenn Frieda ihn nicht drüberlässt, wenn sie ihn aussperrt, dann wird es immer noch Linchen geben. Er ist Manns genug, um das Kind, auf das Frieda verzichtet hat, ganz ohne ihr Zutun in ihrer Familie unterzubringen.« Sie soll »die natürlichen Machtmittel des Mannes« kennenlernen. Die Fleißer’sche Sprache ist hart und deutlich, in dieser Inszenierung wird sie dem Publikum direkt ins Gesicht gespuckt. Und es läuft einem ein Schauer über den Rücken, wenn man an andere Männer denkt, die derartige Dinge über Frauen sagen. Nicht in der Weimarer Republik, sondern heute. Keine wütenden Randfiguren der Gesellschaft, sondern die mächtigsten Männer der Welt. ||
EINE ZIERDE FÜR DEN VEREIN
Marstall | 22. Dez. | 19 Uhr | 27. Dez., 10., 21., 25. Jan. | 20 Uhr | Tickets: 089 21851940
Weitere Kritiken finden Sie in der aktuellen Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.
Das könnte Sie auch interessieren:
Metropoltheater: Das 25. Jubiläum
Freie Theater: TamS, Freie Bühne München, Hofspielhaus
Theater in München: Georg Ringsgwandl, Kammerspiele, Volkstheater ...
Liebe Leserinnen und Leser,
wir freuen uns, dass Sie diesen Text interessant finden!
Wir haben uns entschieden, unsere Texte frei zugänglich zu veröffentlichen. Wir glauben daran, dass alle interessierten LeserInnen Zugang zu gut recherchierten Texten von FachjournalistInnen haben sollten, auch im Kulturbereich. Gleichzeitig wollen wir unsere AutorInnen angemessen bezahlen.
Das geht, wenn Sie mitmachen. Wenn Sie das Münchner Feuilleton mit einem selbst gewählten Betrag unterstützen, fördern Sie den unabhängigen Kulturjournalismus.
JA, ich will, dass der unabhängige Kulturjournalismus weiterhin eine Plattform hat und möchte das Münchner Feuilleton