Mit einer Reihe lichter, virtuos komponierter Gemälde kehrt der Franzose Jean-Marc Bustamante zurück in die Galerie Walter Storms – und zur Malerei.

Jean-Marc Bustamante

Bilder für München

Jean-Marc Bustamante

Ausstellungsansicht von Jean-Marc Bustamantes »Bilder für München« in der Galerie Walter Storms © Storms, Foto: Daniel Pizarro

München habe er in »bester Erinnerung« sagt Jean-Marc Bustamante gut gelaunt. Schließlich war der Franzose an der Akademie der Bildenden Künste von 2010 bis 2016 Professor für Malerei und Grafik, bevor er in Paris drei Jahre lang das höchste Akademieamt bekleidete: Er war Direktor der École Nationale Supérieure des Beaux-Arts. 2018, da war er 66, verließ er die Kunstschule. Der Liebe wegen zog er kurz darauf nach Genf und erfand auch seine Kunst neu. Als ihn sein Galerist Walter Storms vor etwas mehr als einem Jahr in seinem großen Genfer Atelier besuchte, stand fest: Die neue Ausstellung soll »Gemälde für München« heißen.

Zuletzt fiel Jean-Marc Bustamante mit seinen Plexiglasbildern auf, in denen er sein Konzept von Licht und Farbe, Landschaft, Form und Poesie erforschte. Seit der Coronazeit malt und zeichnet er wieder öfter. Es sind heitere, lichte Gemälde, fast abstrakt mit angedeuteten Figuren, Bäumen, Wasser oder Horizonten, die er mit Tinte und Acryllack auf gipsgrundierte Aluminiumplatten malt. Seine lasierende Anwendung der Farben schafft eine transparente Tiefe, in der sich die Elemente scheinbar schwerelos überlagern und verweben. So entsteht eine spannungsvolle Balance zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit, die von der Natur und vom Leben erzählt.

Die Titel passen zu den freundlichen, mal mehr oder weniger kräftigen Farben, unter den dahingewischten Pinselstrichen leuchtet stets ein strahlend weißer Grund. Komposition und Formen erinnern nur vage an Minimal-, Farbfeld- oder Konzeptkunst. Spätestens wenn man »Volatile«, flüchtig, »Vivre vite«, schnell leben, »Lovers«, »Blitz« oder »Passage« im Bildtitel liest, vergisst man schnell den Ballast der Kunstgeschichte. Die grüngestrichelte Fläche in »Partie remise« wird zum Himmel über rotem Grund, und das rote Viereck »Blitz« im hellblau verwischten Meer zum Segel auf dem Wasser. Beim Anblick stellt sich ein Gefühl von Sommer und guter Laune ein.

Dabei ist der 72-jährige Künstler durchaus ein Kopfmensch, der über die Fotografie zur Kunst gelangte. Als junger Mann hatte er Anfang der 1970er Jahre sein Wirtschaftsstudium hingeschmissen. Er wollte Künstler werden, wandte sich aber zuerst der Fotografie zu, auch um die Eltern zu beruhigen. Denn Fotos galten damals nicht unbedingt als Kunst, sondern wurden als Medium und Handwerk gesehen. Als Autodidakt arbeitete Jean-Marc Bustamante in Paris zuerst mit dem Fotografen William Klein zusammen. Seine Fotoserie über verschiedene Teile Barcelonas, »Tableaux« genannt, revolutionierte in Frankreich die Wahrnehmung der Fotografie als künstlerisches Ausdrucksmittel. Die »Tableaux«, was auf französisch Gemälde bedeutet, sind inzwischen als kreative Kombination von Fotografie und Malerei anerkannt. Gleichzeitig entwickelte Bustamante Skulpturen, die sich mit Landschaften und der dortigen Abwesenheit des Körpers beschäftigten. »Something is Missing« lautete 1995 der Titel einiger Bilderserien, die keine bestimmte Region oder Zeit verrieten, aber den Betrachter dazu aufforderten, selbst einen Ort und eine Zeit für die Bilder in seinem Kopf zu finden. Dreimal hintereinander – 1987, 1992 und 1997 – nahm Bustamante mit seinen Kunstkonzepten an der documenta teil. Im Jahr 2003 vertrat er Frankreich auf der Biennale von Venedig: In seinem »Pavillon des Amazones« kombinierte er damals erstmals fotografische Porträts, Gemälde und abstrakte Zeichnungen auf Plexiglas.

In seiner Malerei will er auch das Unsichtbare und das Poetische sichtbar machen. Bustamantes Arbeiten erinnern zuweilen an Wandmalereien, als hätte man ein Stück der Vergangenheit oder eines anderen Raumes greifbar gemacht, um es in der Gegenwart neu zu erleben. Die Landschaft ist dabei allgegenwärtig. Dass seine Bilder leicht, aber nicht flach wirken, verdankt er auch seiner kosmopolitischen Herkunft. Als Sohn einer Engländerin und eines Ecuadorianers wurde Jean-Marc Bustamante zwar in Toulouse geboren, der strengen Konzeptkunst Frankreichs entfloh er aber immer wieder. Die Heimat seines Vaters lernte er erst nach dessen Tod besser kennen. Er war schon Mitte 50, als er das erste Mal nach Quito reiste, in die Hauptstadt Ecuadors, die in den Anden auf 2850 Meter Höhe liegt. Er kaufte ein Haus dort, in dem er Ausstellungen auch mit französischen Künstlern organisierte, doch gab er das Projekt nach ein paar Jahren wieder auf.

Auch dem Leben am Genfer See entflieht er ab und zu in die Metropole Paris. Sein Apartment an der Seine hat er behalten. So wie er dort früher seine Zeichnungen durch den Einsatz verschiedener Materialien und Druckverfahren auf Plexiglas entwickelte und veränderte, so frei übersetzt er heute seine Entwurfszeichnungen in Gemälde. Am Anfang steht immer noch die Skizze, dann wählt er das Format für das Bild. Meist überträgt er das Motiv zügig mit Pinsel und Farbe. Es geht ihm leicht von der Hand. Eines seiner liebsten Bilder zeigt auf einem mehr als zwei Meter großen Hochformat ein flirrendes filigranes Dreiecksgeflecht, das nach oben zu fliegen scheint. Der Titel führt leicht in die Irre: »De la main gauche«, mit der linken Hand, kann im Französischen auch als »linkisch« verstanden werden. Dabei ist JeanMarc Bustamante Linkshänder. ||

JEAN-MARC BUSTAMANTE. GEMÄLDE FÜR MÜNCHEN
Walter Storms Galerie | Schellingstr. 48 | bis 26. Oktober | Di–Fr 11–18 Uhr, Sa 11–16 Uhr (und nach Vereinbarung)

Weitere Besprechungen finden Sie in der aktuellen Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.

 


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