Rock ist eigentlich schon historisch, aber durchaus lebendig. Das beweist ein Konzert-Defilee der Legenden.
Rock in München
Die Nimmermüden
Er wäre lieber tot, als mit 45 Jahren noch »Satisfaction« zu singen. Das hat Mick Jagger 1975 und damit vor fast 50 Jahren gesagt. Gekommen ist es dann bekanntlich anders. Und der Rolling-Stones-Sänger ist sicher nicht der Einzige, der dachte, dass er irgendwann »too old to Rock’n’Roll« sein würde. Dass genauso auch der Rock’n’Roll mal sterben könnte, wäre durchaus auch eine Möglichkeit gewesen. Denn auch wenn Danny And The Juniors 1958 trotzig »Rock And Roll Is Here To Stay« sangen und Neil Young 20 Jahre später in »My My, Hey Hey (Out Of The Blue)« dieses Mantra wiederholte: Angesichts von Punk & Co, von Leuten wie The Clash, Devo oder Johnny Rotten, die ihnen kräftig in den Hintern traten, bekamen doch so manche Rocker Muffensausen. Und diese Zweifel hat Neil Young in »My My, Hey Hey« letztlich auch formuliert.
Geblieben ist der Rock’n’Roll dann doch. Und nicht nur das. Auch viele der alten Rocksaurier stehen noch immer selbst auf der Bühne, wie der Blick in den kommenden Konzertkalender beweist. Da hätten wir am 8. Oktober in der Olympiahalle Alice Cooper, den Schock- und Gruselrocker, der vom Köpfen, Hängen bis zum elektrischen Stuhl schon unzählige Bühnentode gestorben ist. Aber geholfen hat es nichts. Jetzt ist der Rocksänger 76 und geht immer noch auf Tour. Er »möchte so lange weitermachen, wie es geht«, hat er im letzten Jahr gesagt. Und warum nicht? Als Rockrentner nur noch Golf spielen, das wird
doch auch irgendwann langweilig. Und unterhaltsam sind seine Bühnenshows noch immer.
Ähnlich ist es bei Ian Anderson von Jethro Tull, der auch schon 1976 »Too Old To Rock’n‘Roll: Too Young To Die!« sang. Im gleichnamigen Lied geht es um einen alternden Rocker, der erst metaphorisch und dann mit seinem Motorrad nicht mehr die Kurve kriegt. Dem heute 77 Jahre alten Anderson blieb dieses Los zum Glück erspart. Im Fall von Jethro Tull gab es aber dennoch Turbulenzen. So hat Anderson abgesehen vom 2012 ausgeschiedenen Gitarristen Martin Barre seine Mitmusiker mehrfach ausgetauscht. Von 2012 bis 2015 hat der Brite die Band schließlich auf Eis gelegt, machte dann von 2017 an unter dem Namen Jethro Tull by Ian Anderson weiter und 2018 folgte die Reunion.
Das aktuelle Album von 2023 nennt sich »RökFlöte«. Anderson setzt sich darauf mit seinen skandinavischen Wurzeln und nordischen Mythen auseinander. Was nicht zuletzt dank dem Neuzugang, dem jungen Gitarristen Joe Parrish, recht erfrischend und noch weit entfernt von der Götterdämmerung klingt. Überzeugen kann man sich davon am 19. Oktober (und außerdem am 3. Mai 2025) in der Isarphilharmonie. Stichwort Götterdämmerung: Die hatte man Deep Purple schon mehrfach prophezeit. Die britischen Kollegen teilen sich mit Jethro Tull das Gründungsjahr 1967 und eine weitere Gemeinsamkeit. Die Band um den 79 Jahre alten Sänger Ian Gillan hat mit dem 1979 geborenen Gitarristen Simon McBride einen ebenfalls vergleichsweise jungen Neuling mit an Bord, weil sich Steve Morse um seine kranke Frau kümmert. Und auch im Falle von McBride sprechen manche von
einem Jungbrunnen.
Mit »=1« gibt es zudem ein neues, überraschend gutes Album, auf dem die altgedienten Heavy-Rocker Ian Gillan, Roger Glover, Don Airey und Ian Pace zusammen mit McBride noch einmal sämtliche Tugenden ausspielen. Trotzdem nennt sich die aktuelle Tour, die Deep Purple am 23. Oktober in die Olympiahalle führt, bescheiden »1 More Time«. Was aber auch nichts heißen muss, siehe The Sweet. Die britischen Glamrocker sind mit der derzeitigen Tour nämlich bei »The Final Round II« angelangt. Und da könnte ja noch ein »III« oder »IV« folgen. Schließlich ist Gitarrist Andy Scott als einzig verbliebenes Gründungsmitglied erst 75. Da hat ihm Ian Anderson zwei und Ian Gillan sogar vier Jahre voraus. Mit »Full Circle« gibt es tatsächlich auch hier ein brandneues Album, das die Band am 24. Oktober im Circus Krone präsentiert. Es soll das letzte Studiowerk sein. Aber wer weiß. Im Kreis kann man ja ewig laufen. So wie der Rock’n’Roll. Der rollt und rollt und rollt. ||
ALICE COOPER
Olympiahalle | Spiridon-Louis-Ring 21 | 8. Oktober
DEEP PURPLE
Olympiahalle | Spiridon-Louis-Ring 21 | 23. Oktober
JETHRO TULL
Isarphilharmonie | Hans-Preissler-Str. 8 | 19. Oktober
THE SWEET
Circus Krone | Marsstr. 43 | 24. Oktober
jeweils 20 Uhr | Tickets: 089 54818181
Weitere Vorberichte finden Sie in der aktuellen Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.
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