In seinem Debütfilm »Problemista« erzählt Julio Torres ein kafkaeskes Märchen, voller Kämpfe gegen die amerikanische Bürokratie und mit einer furienhaften Tilda Swinton.

Problemista

Traumtänzer

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Ein ungleiches Duo: Alejandro (Julio Torres) und Elizabeth (Tilda Swinton) © FreezeCorp LLC

Es steckt viel Autobiografisches in »Problemista«, dem ersten Langfilm von Julio Torres. Der Regisseur, Jahrgang 1987, entstammt einer Künstlerfamilie aus El Salvador, mittlerweile wohnt er in New York und schreibt Comedy. Sketche für »Saturday Night Live« zum Beispiel, seine eigene Serie hat er auch schon entwickelt, »Los Espookys«, eine eigenwillige Mischung aus Sitcom und Horror. Und auch Alejandro, die Hauptfigur in »Problemista«, kommt aus El Salvador, wächst dort bei einer malenden Mutter auf, die ihren Sohn als ihr größtes Kunstwerk ansieht. Als junger Mann zieht er dann nach Bushwick, im Norden von New York.

Die Parallelen hören da noch nicht auf. Wie Torres ist Alejandro ein kreativer Freigeist, der davon träumt, als Spielzeugdesigner bei Hasbro zu arbeiten. Er läuft mit federnden Schritten durch die Straßen, als rechne er damit, jeden Moment abzuheben und davonzufliegen. Er ist ein Traumtänzer, der niemals Tanzunterricht hatte. Doch seine Realität sieht anders aus: Geldsorgen, Existenzängste, ein enges WG-Zimmer. Wegen eines Missgeschicks verliert er noch dazu über Nacht seinen Job. Dabei braucht er ihn dringend wegen seines Visums. Findet er innerhalb von dreißig Tagen keine neue Arbeit, muss er ausreisen. In Gedanken malt sich Alejandro bereits die Hölle aus: dass im Keller der Einwanderungsbehörde eine Sanduhr mit seinem Namen steht. Ist die Zeit erst abgelaufen, fürchtet er, sich in Luft aufzulösen. Ein jähes Ende des Traumtanzens droht.

Dann aber begegnet Alejandro an seinem letzten Arbeitstag Elizabeth. Sie ist eine Kunstkritikerin, der man das Aufbäumen gegen das Älterwerden ansieht. Die spröden Haare färbt sie knallrot und malt dicke Kajalstriche um ihre Augen. Ständig leuchtet die Taschenlampe an ihrem Handy, weil sie nicht weiß, wie man sie ausschaltet. Und wenn ihr das Essen im Restaurant nicht passt, nörgelt sie so lange herum, bis sie einen Rabatt bekommt. Sie ist der Mittelpunkt ihrer Welt, ein Drache mit Haaren auf den Zähnen. Ausgerechnet sie wird Alejandros neue Chefin, nachdem sie ihm verspricht, sein Visum zu unterzeichnen. Er soll ihr dabei helfen, eine Ausstellung der Bilder ihres Ehemanns auf die Beine zu stellen, der wegen einer Krebserkrankung in Kryostase liegt.

Es ist die behutsame Erzählung der Freundschaft zwischen Alejandro und Elizabeth, die »Problemista« zu einem Triumph macht, obwohl sich Julio Torres manchmal in surrealen Schlenkern zu verlieren droht. Webseiten verwandeln sich in Menschen, Büros werden zu kafkaesken Labyrinthen, Elizabeths Augen glühen plötzlich bedrohlich rot. Nicht jeder dieser filmischen Tagträume dient der Handlung. Es ist die furienhaft aufspielende Tilda Swinton, die alle Tagträumereien entzweireißt und »Problemista« fest in der Realität verankert. »Nur einer ganz besonderen Person gelingt es, das Unmögliche zu schaffen«, sagt Swintons Elizabeth zu Alejandro. Und auch Torres gelingt das Unmögliche: Die Freundschaft und Zuneigung zwischen seinen ungleichen Hauptfiguren aufleben zu lassen. Damit ist ihm ein ganz besonderer Film gelungen. ||

PROBLEMISTA
USA 2023 | Buch & Regie: Julio Torres | Mit: Julio Torres, Tilda Swinton, RZA, Isabella Rossellini | 98 Minuten | Kinostart: 13. Juni | Website (englisch)

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