Brigitte Fassbaender gilt als werkbewusste Regisseurin. Und auch Otto Nicolais »Lustige Weiber« bleiben am Gärtnerplatztheater nah am Text.
Brigitte Fassbaender
Frauen und Weiber
Brigitte Fassbaender ist viel beschäftigt. Nach der Meisterklasse in Wien reist sie zur Vorbereitung ihrer Inszenierung von Rossinis »La cambiale de matrimonio (Der Ehevertrag)« und Puccinis »Gianni Schicchi« zu den Bregenzer Festspielen. Mitte März treffen wir uns in der Kantine des Gärtnerplatztheaters, kurz nach Beginn der Proben für ihre Inszenierung von Otto Nicolais »Die lustigen Weiber von Windsor«. Der Intendant Josef E. Köpplingerschätzt Brigitte Fassbaender als Regie-Säule des Hauses. Am Gärtnerplatz inszenierte sie bislang vorwiegend Heiteres wie Rossinis »La Cenerentola« oder gerade noch Heiteres wie Henzes »Der junge Lord«. Dem zweiten Münchner Opernhaus ist sie jetzt fast so eng verbunden wie früher der Bayerischen Staatsoper, in deren Ensemble die Mezzosopranistin mit nur 21 Jahren aufgenommen wurde und dem sie bis zu ihrem allmählichen Rückzug als Sängerin um 1993 angehörte.
Nach der Nicolai-Premiere geht es bei den Tiroler Festspielen Erl weiter, zu zwei bereits jetzt ausverkauften Zyklen von Richard Wagners »Der Ring des Nibelungen« zum Abschluss der Leitung von Bernd Loebe. Mit ihrer ersten Inszenierung des 14-StundenVierteilers erfüllte sich für Brigitte Fassbaender, die selbst im »Ring« unter Herbert von Karajan, Georg Solti und Wolfgang Sawallisch gesungen hatte, ein Lebenstraum. In den frühen 1990ern hätte sie im Übergang von ihrer Gesangskarriere zum neuen Arbeitsfeld Regie gleich den »Ring« an Covent Garden übernehmen sollen. Doch als sich das Projekt und mit ihm das Angebot verflüchtigte, atmete Fassbaender erleichtert auf, denn es wäre doch etwas früh in ihrer Regiearbeit gewesen. Erl wird diese Lücke im Sommer füllen, doch zunächst ist München an der Regie-Reihe, gewohnt geradlinig in der Haltung zu Stücken und Personen.
Bei Brigitte Fassbaender gibt es keine Sensationen durch Aufbürsten zu etwas, das nicht im Text und den Noten steht. Regelmäßig erschließen sich bei ihr unaufgeregt entwickelte und desto spannendere Aha-Erlebnisse. Ihre »Salome«-Lesart für Innsbruck und später Regensburg etwa ist durchdrungen von einer sensiblen Kenntnis des Quellentextes von Oscar Wilde und seiner queeren Ebenen. Weil sie immer so nah am Text bleibt, wurde Debussys oft nur pastellhaft durchhauchtes Andeutungsdrama »Pelléas et Mélisande« in Innsbruck zum steilen und äußerst physischen Psychothriller. Vergleichbares ereignete sich in der Erler »Götterdämmerung«: Hier wirken die »heldischen« Figuren Siegfried und Brünnhilde wie monumentales und grobes Urgestein in einer überzivilisierten Gesellschaft, deren Formen und Zwecke für gefallene Gottwesen undurchschaubar sind. Solche Regieleistungen betreffen nicht periphere Details, sondern berühren den Kern des Werkgehalts und dessen Verständnis.
Einen ernsten Unterton hat für sie auch Nicolais Oper am Gärtnerplatz: »Falstaff nimmt die Frauen doch überhaupt nicht wahr, außer mit Handgreiflichkeiten und der Gier nach ihrem Geld. Herr Fluth liebt seine Frau, leidet aber an der Bürde von übergroßer Eifersucht. Der Hintergrund dieser ShakespeareOper wird ernsthafter, je lustiger die Oberfläche scheint.« Einziges Zugeständnis an die genderkorrrekte Gegenwart wird sein, dass nur die Männer »Weiber« sagen, die Frauen von sich aber dezidiert als »Frauen« sprechen. Ansonsten ist Brigitte Fassbaender der Meinung, dass man Musiktheaterwerke der Vergangenheit nicht durch textliche Optimierungen, sondern durch szenische und musikalische Tiefenschürfung für die Gegenwart interessant macht.
Nur zu ihrem 85. Geburtstag am 3. Juli gönnt Brigitte Fassbaender sich einen freien Tag zu Hause. Sonst ist sie bis zum Ende des Sommers permanent unterwegs. Um die Festspielproduktionen in Erl und Bregenz gibt es weitere Termine: Sie leitet den Liedsommer Eppan in Südtirol und sie ist wie jedes Jahr Schirmherrin der Internationalen Meistersinger Akademie Neumarkt in der Oberpfalz, einem anderen Netzwerkpunkt für hochbegabten Gesangsnachwuchs. Die ihr zahlreich verliehenen Auszeichnungen sind kein Grund zum Pausieren. ||
OTTO NICOLAI: DIE LUSTIGEN WEIBER VON WINDSOR
Gärtnerplatztheater | 26., 28. April, 5., 10., 12., 15., 18., 31. Mai, 2. Juni | 19.30 Uhr (So 18 Uhr) | Tickets: 089 21851960
Weitere Kritiken und Vorberichte finden Sie in der aktuellen Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.
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