Ethan Coen und Tricia Cooke ebnen mit »Drive-Away Dolls« einer lange überfälligen Filmfigur den Weg: der Dudette.

Drive-Away Dolls

Lebowskis Schwestern im Geiste

drive-away dolls

Auf dem Weg nach Florida: Jamie (Margaret Qualley) und Marian (Geraldine Viswanathan) © 2023 Focus Features. LLC

Es gibt Filmfiguren, von denen man erst weiß, dass man auf sie gewartet hat, wenn sie über die Leinwand flimmern. Die beiden Protagonistinnen in Ethan Coens neuer Gangsterkomödie sind auch deshalb eine Überraschung, weil sie eigentlich in den 1990er Jahren hätten erscheinen müssen, als eine neue, na ja, Religion die Filmwelt erleuchtete: der Dudeismus, benannt nach dem dauerkiffenden Protagonisten in »The Big Lebowski« (1998). Im Schlafanzug schlurfte er White Russian schlürfend durch den Film, vergeblich auf der Suche nach seinem Lieblingsteppich. Ethan und sein Bruder Joel Coen schufen mit der Figur einen Heiland antikapitalistischer Stoner. Nun, über 25 Jahre später, sind seine Schwestern im Geiste an der Reihe, die Dudettes, wenn man so will. Sie heißen Jamie und Marian (Margaret Qualley, Geraldine Viswanathan).

»Drive-Away Dolls« ist ein Roadmovie irgendwo zwischen »The Big Lebowski« und Ridley Scotts »Thelma und Louise« (1991) – eine Kombi, die naheliegend und trotzdem neu ist: zwei Frauen auf der Flucht, die Freiheit der Landstraße und das gelassene Schulterzucken des tiefenentspannten Messias. Sie brauchen keine Männer, beanspruchen jedoch deren Lebenslust und Hedonismus für sich. Was kann schon schiefgehen für zwei lesbische Frauen, die in den 1990er Jahren einen Roadtrip machen, mitten durch den erzkonservativen Bible Belt.

Jamie und Marian kommt natürlich zugute, dass die männlichen Möchtegerns in den schrägen Komödien der Coen Brüder noch nie die Schlauesten waren. Auch wenn die meisten der Filme von Männern handeln, halten die Frauen das Geschehen in Gang, indem sie klammheimlich von der Projektionsfläche zur Nemesis werden: Frances McDormand als hochschwangere Polizeichefin in »Fargo« (1996), Julianne Moore als Millionärstochter in »The Big Lebowski« (1998) und Hailee Steinfeld als Kopfgeldjägerin in »True Grit« (2010) hatten schon immer das Zeug zur Hauptrolle, hätte man sie nur gelassen. In der ersten Regiearbeit ohne seinen Bruder macht Ethan Coen nun genau das.

Ein Solodebüt kann man das trotzdem nicht nennen, denn Coens Editorin und Ehefrau Tricia Cooke war maßgeblich am Drehbuch beteiligt und hat den gewitzten Frauen nun eine widerständige Gegenwelt entworfen. Der Roadtrip wird für Jamie und Marian in vielerlei Hinsicht zur chaotischen Beziehungsprobe. In slapstickhafter Coen-Manier erwischen sie bei der Autovermietung den falschen Wagen, beladen mit heiklem Diebesgut. Beste Voraussetzungen für einen Film, der wie ein altes B-Movie voller mysteriöser Koffer, geheimer Übergaben, augenzwinkernder Sprüche und Sexträume ist – die reinste Männerfantasie, zumindest auf den ersten Blick.

Die dilettantischen Verfolger können ihr Glück zunächst kaum fassen, als sie in die Pyjamaparty eines leicht bekleideten Frauenfußballteams stolpern, bei dem Jamie und Marian kurz zuvor noch zu Gast waren. Sie merken erst viel zu spät, dass die kichernden Mädchen ihnen eben nicht leichtgläubig helfen, sondern eine Falle stellen. Die Trottel sind nicht die Einzigen, deren Fantasien ihnen zum Verhängnis werden. Wie auch? Sie waren ja nie für Männer bestimmt. ||

DRIVE-AWAY DOLLS
USA 2023 | Regie: Ethan Coen | Buch: Ethan Coen, Tricia Cooke | Mit: Margaret Qualley, Geraldine Viswanathan, Beanie Feldstein, Colman Domingo, Pedro Pascal, Miley Cyrus | 84 Minuten | Kinostart: 7. März

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