Auf der Sonderschau EXEMPLA in der Abteilung Handwerk & Design auf der Handwerksmesse dreht sich alles um den schönen Stein, wie auch in Teilen auf der Sonderschau SCHMUCK.
EXEMPLA auf der Handwerksmesse
Vom Pflaster bis zum Dach
Der streitbare und geistreiche österreichische Architekt Adolf Loos (1870–1933) sagte einmal, die billigste Tapete sei der Marmor. Man müsse ihn nur dünn genug schneiden. Mit diesem kecken Spruch brachte er mehrere Aspekte zum Ausdruck. Einerseits ist die Haltbarkeit des Materials – lässt man einmal die viele Steine schädigende, erst später zum Thema gewordene saure Luftverschmutzung außer Betracht – schier unbegrenzt. Man denke nur an die immer noch ansehnlichen antiken Tempel der Athener Akropolis, von deren Geradlinigkeit schon Le Corbusier absolut begeistert war. Und auch Loos’ wohl bekanntester eigener Bau, das »Haus ohne Augenbrauen« am Wiener Michaelerplatz, kann heute noch die Steinfassade seiner unteren Geschosse herzeigen, ohne rot zu werden.
Auch ist das steinerne Material pflegeleicht: kein Versiegeln, Verkleiden oder Anstreichen nötig, selten Ausbesserungen. Im Außenbereich muss man Steine nicht einmal putzen. Das ist nachhaltig, umweltfreundlich. Außerdem – auch dafür gibt es zahlreiche Bespiele – ist der »Naturstein« (gegossener »Kunststein« nahm seinen Aufschwung mit der Zementindustrie) ein an prinzipieller Ästhetik kaum zu übertreffender Werkstoff. Egal ob verarbeitet, roh belassen, geschliffen, poliert, geschnitten, gefräst, gesägt – Stein macht eigentlich immer eine gute Figur.
Das schätzten auch andere Architekten der klassischen Moderne, die man ja gerne als Liebhaber von kühl und weiß, Metall und Beton darstellt. Mies van der Rohes legendärer Barcelona-Pavillon fiel nicht nur durch seine wegweisende Architektur auf, wozu etwa das Prinzip vom »freien Grundriss« gehört, sondern auch durch die faszinierenden Wände und Böden. Sie bestehen aus verschiedenfarbigen Marmorarten.
Im Innern besticht die braune Onyxwand (Serpentinit) mit ihrer dekorativen, spektakulären Maserung. Angeblich hat Mies van der Rohe nach dieser auffälligen Optik (der Originalzustand ging verloren) lange gesucht. Eine weitere Wand besteht aus dem leicht porösen Gestein Travertino. Mies van der Rohe war mit seinem Faible für kostbare Oberflächen nicht allein. Giuseppe Terragni, der italienische Rationalist, entwarf für die Casa del Fascio (die Parteizentrale Mussolinis) in Como eine weiße Marmorfassade, die ästhetisch – nicht politisch – Vorbildcharakter für viele Nachkriegsbauten besaß.
Der Finne Alvar Aalto nahm 1962 für das Wolfsburger Kulturhaus Stein für die Fassade, und auch Johan Otto von Spreckelsen 1989 für die Grand Arche in Paris. Bemerkenswert mit Münchner Lokalkolorit: Freiherr Alexander von Branca verblendete in den 80er Jahren den Stahlbetonbau der Neuen Pinakothek mit einer Ummantelung aus Granit (Abdeckung) und Donausandstein (Wände). Die kontrovers geführten Diskussionen über dieses Monument der Postmoderne führten damals allerdings nicht gerade zum Erwachen einer neuen Begeisterung für Steinfassaden. Es dauerte eine ganze Weile, bis diese unter anerkannten Architekten wieder salonfähig wurden. Aber inzwischen spricht mancher sogar von einem Marmor-Revival. Es begann mit der Oper in Oslo 2008, bei der Snøhetta Architekten eine weiße Plattenfassade kreierten, die durchaus eine zeitgenössische Formensprache auszeichnet.
Für erstaunliche Anwendungs- und Formenvielfalt sorgten speziell im Design dann innovative neue Verarbeitungstechniken. Und in der Architektur kommen seither viele Marmorfarben zum Einsatz. Selbst transluzente Volumina verblüffen: Magén Architectos bauten 2012 für die Bezirksverwaltung von Bajo Martin eine Art kubischen, von innen her leuchtenden Stein. Man nutzte die unerwartete, dem Marmor innewohnende Transparenz.
Wer sich einen Überblick über das verschaffen will, was man mit Stein heute herstellen kann, wozu er taugt, wie man’s macht, ist auf der EXEMPLA-Schau der Abteilung »Handwerk und Design« auf der Internationalen Handwerksmesse gut aufgehoben. Da kann man das Material in all seinen Facetten von Grund auf kennenlernen. Dazu zählen etwa verschiedene Techniken und Formen der gar nicht so einfachen Pflastersteinverlegung, für die man nicht nur ein geschicktes Händchen, sondern auch eine langwierige Ausbildung braucht. Was einfach aussieht, muss es nämlich nicht unbedingt sein. Und schön sein, das soll das fertige Pflaster ja schließlich auch.
In Halle B1 werden auch Aufgaben und Ausbildung von Steinmetzen erklärt. Die bayerischen Dombauhütten von Bamberg, Passau und Regensburg zeigen, wie sie sich tagtäglich um den Erhalt der großen steineren Kathedralen kümmern. Historische, von uns oft ehrfürchtig bewunderte Bruchsteinmauern in Altstädten und Weinbergen sind zu sehen. Oder auch Steindächer. Die Bedachung mit Kalksteinplatten, wie sie bei den sogenannten Jura-Häusern rund um Eichstätt verwendet wurde, beherrschen nur noch wenige Handwerksbetriebe (die Nachwuchs suchen). Schön, wie diese Tradition im Sinne der Denkmalpflege weitergeführt wird.
Der Steinbildhauer Jo Kley aus Kiel zeigt live vor Ort, wie monumentale Skulpturen aus Granit sozusagen händisch hergestellt werden: in der »Lebenden Werkstatt«. Wie nahe er dabei antiken Bildhauern kommt – nur den besten unter ihnen war die Verwendung von Marmor erlaubt – darf der Besucher dann selbst entscheiden.
Ganz besondere, nämlich Halbedel- und Edel-Steine werden nicht nur in der weltweit beachteten Sonderschau SCHMUCK präsentiert, sondern auch auf Werkbänken. Studierende des Fachbereichs Gestaltung, Schmuck und Edelstein der Fachhochschule in Idar-Oberstein führen verschiedene Techniken der Edelsteinbearbeitung vor. Während der Chemiker Georg Kremer seine steinernen Preziosen gnadenlos zermalmt: um die legendären Kremer-Farbpigmente herzustellen, die in der Welt der Kunst höchstes Ansehen genießen.
Die für ihren kreativen Umgang mit Steinen bekanntenSchmuckkünstler Georg Dobler und Bettina Speckner gehen nicht ganz so weit. Sie lassen aber tief in ihre Trickkiste blicken und zeigen ihre Arbeitstechniken. Wer’s gerne musealmag, sollte die ebenfalls auf der IHM präsentierten Ausstellungsstücke der Sammlung Mineralogia anschauen: Das Schönste, was Mutter Natur in Sachen Stein ohne menschliches Zutun geschaffen hat. Faszinierend. ||
EXEMPLA 2024
Handwerk & Design auf der Internationalen Handwerksmesse, Halle B1 | Am Messesee 2 (U-Bahn Messestadt West) | 28. Februar bis 3. März | Mi–So 9.30–18 Uhr | Informationen zur Messe
Julie Metzdorfs Artikel zur Arbeit von Georg Dobler und weitere interessante Texte finden Sie in der aktuellen Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.
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