Schorsch Kamerun macht aus Goethes »Reineke Fuchs« eine überbordende Kostümshow mit Aussage.

Reineke Fuchs

Glitzernd in den Untergang

reineke fuchs

Das Ensemble als lässige Tiermeute | © Sandra Then

Eine gereimte Parabel mit einem Hauch Oberlehrergestus, 146 Seiten Hexameter, eine dröhnende Schlussmoral: Es gibt sicher Stoffe, die weniger sperrig daherkommen als Johann Wolfgang von Goethes »Reineke Fuchs«. Schorsch Kamerun, Sänger der Hamburger Band »Die Goldenen Zitronen« und seit Jahren Hans Dampf in allen Gassen der Münchner Theaterszene, hat sich davon nicht abschrecken lassen. Im Marstall hat er das wohl längste Goethe-Gedicht nun in ein »schwindelerregendes Theatermusical« verwandelt, bei dem möglichst alle ab zehn Jahren auf ihre Kosten kommen sollen.

Goethe lässt Reineke, der unter den anderen Tieren Angst und Schrecken verbreitet, am Ende mit Lug und Trug siegen. Auf dass die Leserschaft etwas daraus lerne, das Böse meide, die Tugend verehre. Kamerun und sein Team antworten mit viel Glamour auf die nicht unbedingt leicht zugänglichen Verse, heben den Stoff mit viel Fantasie und Verve ins Heute. Gloria Brillowska hat das tierische Ensemble in fantastische Kostüme gesteckt. Myriam Schröder trägt als Löwe einen gold-glitternden Lamettaanzug zu einer knallgelben und kreisrund abstehenden Perücke, Delschad Numan Khorschid verwandelt sich mittels Lederhose, enormen Mengen Webpelz und langen Krallen in einen bajuwarischen Bären mit Hang zu Problemen, und Pia Händler wird mit weiß-oranger Lederkluft und steil aufstehenden roten Haaren zum fiesen Fuchs.

Die Bühne von Katja Eichbaum bietet im Hintergrund kleine Buntglaskabinen, in denen sich verschreckte Tiere verstecken können und die ein wenig an die rot beleuchteten Schaufenster Amsterdams erinnern. Eine Menschen- beziehungsweise Tierschau. Ein kleiner Bildschirm überträgt die Szenerie von oben betrachtet, lässt den in schwarz-weißen Wellen gestalteten Boden zur dreidimensionalen Hügellandschaft werden. Die Livevideos von Jonas Alsleben sorgen für weitere Effekte,holen den abwesenden Fuchs überlebensgroß und furchteinflößend heran oder folgen den fliehenden Tieren ins Off. Ästhetisch ist also viel geboten in den gut 80 Minuten.

Hanna Scheibe führt als Kater Hinze durchs Geschehen. Kamerun hat das langatmige Gedicht schmissig eingekürzt und mit Songs angereichert, die die Genrebezeichnung »Musical« rechtfertigen. Mit viel Spaß an der Freude führt das Ensemble vor, wie leicht sich Tiere (und Menschen) verführen, belügen und betrügen lassen, wenn einer ihnen nur das Richtige verspricht, geschickt mit ihren Sehnsüchten und Eitelkeiten spielt. Wie sie sich ausgewählt fühlen, wo sie doch rebellieren wollten. Wie sie glauben wollen statt zu durchschauen. Alle fürchten Reineke und bewundern ihn irgendwie für seine Dreistigkeit, keiner tritt ihm entgegen, alle lassen ihn gewähren, seine Macht festigen. Ein kleiner Putin oder Erdoğan im Fuchspelz, ein Verführer und Manipulator, dem der wenig souveräne Löwenkönig nach und nach immer mehr Macht überlässt. Die dummen Tiere laufen sehenden Auges in ihr Verderben. Nur: Sind wir Menschen wirklich klüger als sie? ||

REINEKE FUCHS
Marstall | 15., 18., 19., 21. Dez. | 11 Uhr | 17., 25. Dez., 17 Uhr | Tickets: 089 21851940

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