Ihren neuen Film hat Margarethe von Trotta dem Scheitern der Beziehung zwischen Ingeborg Bachmann und Max Frisch gewidmet.
Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste
Das Lächeln der Sphinx
»Sie war ein Wirbel, der nie aufhörte.« Was Ingeborg Bachmanns 13 Jahre jüngerer Bruder Heinz jüngst in seiner persönlichen Rückschau über seine weltberühmte Schwester schrieb (»Ingeborg Bachmann, meine Schwester«, Piper Verlag) gilt nicht weniger für die feministische Autorenfilmerlegende Margarethe von Trotta, die der vor 50 Jahren gestorbenen literarischen Galionsfigur der österreichischen Nachkriegsmoderne nun einen Spielfilm widmet. »Mich fasziniert, dass sie sich nie hat ›vereinnahmen› lassen, sie suchte Schutz, wollte aber gleichzeitig frei sein. Ich glaube, das geht vielen Frauen auch heute noch so«, erklärt die renommierte Filmemacherin gegenüber dem »Münchner Feuilleton«. Ihr ganzes Leben schon begleiten die Texte der berühmtesten Klagenfurterin den künstlerischen Werdegang der in Paris und München lebenden Regie-Ikone (»Das Motto für ›Die bleierne Zeit‹ war für mich ihre Zeile: ›Trauern, das wird, zwischen Vielerlei Tun, ein einsames Geschäft.‹«), die Bachmann in ihrer rätselhaften Spätphase in Rom erleben konnte: »Es war eine Begegnung fast am Ende ihres Lebens.
Ingeborg Bachmann war sehr zurückhaltend, fast in sich verschlossen. Es waren drei Männer anwesend: Hans Werner Henze, Volker Schlöndorff und Matthieu Carrière. Die Männer sprachen miteinander, wir schwiegen.« In ihrer bei der Berlinale mit ambivalentem Echo uraufgeführten Lesart (»Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste«) konzentriert sich von Trotta en gros auf Bachmanns Auf- und Ausbrüche anstatt auf ihre verzweifelten Lebensphasen. »Ich wollte weder mit ihrem Tod durch Verbrennen noch durch ihren Absturz in der Liebe zu Frisch enden, sondern mit einem Aufbruch. Einer ›Erlösung‹, wie sie es nennt. Zwei Jahre nach der Trennung von Frisch fordert sie ein junger Schriftsteller aus Wien auf, ihn in die Wüste zu begleiten, und zu seiner großen Überraschung kommt sie mit.« Achronologisch erzählt, teils pompös ausgestattet (Kostümbild: Uli Simon) und von Hansjörg Weissbrich elegant montiert, fügt sich von Trottas jüngste Annäherung an eine imposante Frauenfigur der Weltliteratur nahtlos ein in ihr bald 50 Jahre umfassendes Œuvre als Spezialistin für gleichfalls mutige wie widerspenstige Persönlichkeiten, von »Rosa Luxemburg« (1986) bis »Hannah Arendt« (2015).
Doch trotz eines internationalen Stars in der weiblichen Hauptrolle (Vicky Krieps) und eines renommierten Kameramanns (Martin Gschlacht) mit klar konturierter Farbpalette möchte sich der Zauber zwischen Regie und Publikum dieses Mal nur vereinzelt einstellen, weil gerade in den Dialogen zwischen zwei Weltschriftsteller*innen des 20. Jahrhunderts, die obendrein großartige Briefe über ihre ebenso unheilvolle wie legendenumrankte Liebesbeziehung (1958–1962/63) hinterließen, das Feuer der Leidenschaft mehrheitlich fehlt. Vicky Krieps verkörpert »die Bachmann« einerseits als fragile Gestalt mit hinreißendem Lächeln; andererseits mangelt es ihrer Darstellung an Bachmanns intellektuellem Scharfsinn. Und so bleibt auch von Trottas manchmal biedere, manchmal klischeehaft inszenierte Reise in den Bachmann-Kosmos durchaus löchrig, ja widersprüchlich, was wiederum der Porträtierten vielleicht durchaus gefallen hätte. ||
INGEBORG BACHMANN – REISE IN DIE WÜSTE
Deutschland, Österreich, Luxemburg, Schweiz 2023 | Regie/Buch: Margarethe von Trotta | Mit: Vicky Krieps, Ronald Zehrfeld, Tobias Resch u.a. | 110 Minuten | Kinostart: 19. Oktober | Website
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