Susi Weber inszeniert Nora Abdel-Maksouds Erfolgskomödie »Café Populaire« als Clownsposse mit Tiefgang.
Café Populaire
Wohlfeiles Weltverbesserertum
Etwas unschlüssig spielen die drei in die Jahre gekommenen Clowns zu Beginn mit dem Lichtpult – »mehr Stimmung ist nicht«, murmelt einer, bevor sie sich wie Zuschauer mit Blick ins Publikum platzieren. Immerhin ertönt ein Intro mit klassischer Klaviermusik. Das klingt vertraut und lässt erwartungsvoll mitwippen. Doch dann kommt’s knüppelhart: »Das Thema des heutigen Abends ist Klassismus!« Die Vorstellung, mit Humanismus und Humor für soziale Gerechtigkeit zu sorgen und dafür auch noch beklatscht zu werden, ist ein tief verwurzelter Wunschtraum weich gebetteter Wohlstandserben mit akademischem Bildungshintergrund.
Meist steckt hinter der politisch korrekten Unterhaltungskunst dann doch mehr verkappter Narzissmus als Altruismus, geschweige denn echter Wille zum Systemwechsel – oder sie dient gar als Tarnung knallharter Besitzstandswahrung. So auch bei Svenja (Sophie Wendt), die sich als Klinikclown im Hospiz der Kleinstadt Blinden sinnstiftend, wenn auch mühsam über Wasser hält und sich deswegen als Pächterin und Kulturmanagerin für das leer stehende Wirtshaus »Zur goldenen Möwe« bewirbt. Als Youtuberin bringt sie es mit wohlmeinenden Wortwitzeleien zunächst mal nicht über acht Follower. Bis, ja bis plötzlich eine verdrängte Persönlichkeitsabspaltung namens »der Don« (lässig-dominant: Lena Vogt) mit unverblümter Arschloch-Rhetorik dazwischenfunkt und die Klickzahlen rasant ansteigen lässt.
Svenja ist die verkrachte Heldin in Nora Abdel-Maksouds selbst entlarvender Erfolgskomödie »Café Populaire«, die derzeit am TamS in der Regie von Susi Weber auf dem Spielplan steht. Uraufgeführt 2018 am Zürcher Neumarkt Theater und seither preisgekrönt und viel gespielt, ist sie der erste Teil einer Trilogie, die 2021 mit »Jeeps« an den Münchner Kammerspielen erfolgreich fortgesetzt und mit »Rabatt« am Maxim-Gorki-Theater Berlin vollendet wurde.
Mit Sarkasmus und treffsicherer Ironie kratzt Abdel-Maksoud am Lack eines wohlfeilen (klein)bürgerlichen Weltverbesserertums, das mit sich selbst eher lax, mit allen anderen aber hart ins Gericht geht. Regisseurin Susi Weber hat das Stück nun mit mehr subtiler Wehmut als Wut auf der leer geräumten Bühne des TamS nah an die Adressat*innen in den fünf gut besetzten Reihen herangerückt, mit einem Ensemble, das durchaus etwas abgeklärter wirkt als die von ihm verkörperten Figuren.
Sophie Wendts Svenja taumelt charmant und dabei immer wieder von sich selbst peinlich berührt zwischen akutem Sendungsbewusstsein und tief verwurzeltem Wohlstandsdünkel von einem Fauxpas zum nächsten. Lena Vogt stellt ihr dabei ein hartkantiges Alter Ego stabilisierend zur Seite. Als gutmütiger proletarischer Prototyp, der sich für Geld auch diskriminieren lässt, wirkt Helmut Dauners Aram zunächst ganz bei sich, bevor er sich dann doch als ein anderer entpuppt. Und die Hospizbewohnerin und Salonkommunistin Püppi (Axel Röhrle im glitzrigen kleinen Grünen) ist als geheime Drahtzieherin allen immer einen Bewusstseinsschritt voraus. Regisseurin Susi Weber kitzelt dabei nicht jede Pointe (selbst »das Internet«, das Püppi sich für die Onlinesuche nach einem »bolschewistischen Stahlarbeiter mit revolutionärem Tatendrang« bestellt, findet in einem analogen Lichtwechsel Platz), sondern lässt die unbequeme Wahrheit leise rieseln. Wer gemeint ist, weiß es eh. ||
CAFÉ POPULAIRE
TamS | Haimhauserstr. 13a | bis 29. Okt. | Mi bis Sa und So, 29. Okt. | 20 Uhr | Tickets: 089 345890
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