Eine Ausstellung in der Pinakothek der Moderne zeigt, wie sich Herzog Franz von Bayern schon früh und bis heute für zeitgenössische Kunst begeistert.
Herzog Franz von Bayern
Der Sammler und die Seinigen
Man kommt gar nicht an gegen die Wellen der Sympathie, die einem in allen Beiträgen anlässlich Herzog Franz von Bayerns 90. Geburtstag entgegenschlagen. Er ist Oberhaupt des Hauses Wittelsbach, der ehemaligen Herrscherfamilie des Königreichs Bayern. Die absolute Freiheit, über die der Herzog im Filmporträt von Julia Benkert (zu sehen in der ARD-Mediathek) sich so zufrieden äußert und die ihn zu unglaublich großzügig anmutenden Schenkungen von Kunst befähigt, garantiert ihm der Wittelsbacher Ausgleichsfonds, kurz WAF. Nie gehört? Kein Wunder! Es handelt sich um einen jahrzehntelang geradezu peinlich beschwiegenen Deal, den die Familie 1923 – fünf Jahre, nachdem sie durch die Revolution von 1918 aus der Macht gehebelt worden war – mit dem bayerischen Freistaat aushandelte, um bis ans Ende ihrer Tage vom Staat alimentiert zu werden. Nach Recherchen der »Süddeutschen Zeitung« kommt die Familie Wittelsbach jedes Jahr in den Genuss von heute ca. 17 Millionen Euro, die der WAF ausschüttet. In diesem wurden unfassbare Werte – aktuell etwa eine halbe Milliarde an Grundbesitz, Immobilien, Schlössern, Wald und Kunstgegenständen – zusammengelegt, um mit dem Erlös aus dem Stiftungsvermögen die Familie zu finanzieren, die keinerlei politische Funktion mehr hat. Werte, die die Wittelsbacher in 700 Jahren Herrschaft anhäuften und die, wie alle Vermögen großer feudaler Familien, nicht durch Arbeit erworben wurden, sondern aus Steuern und Abgaben ihrer Untertanen, bisweilen auch Beutezügen in kriegerischen Auseinandersetzungen. Das Geld, so Kassian Stroh in der »SZ«, fließt zunächst an Franz von Bayern, von dort zur Weiterverteilung an die Chefs der verschiedenen Linien der Wittelsbacher. Eine nette Pirouette – die Männer werden auch hier bevorzugt, die »Prinzessinnen« nur so lange unterhalten, wie sie unverheiratet sind. Jammern auf allerhöchstem Niveau. Die genauen Verteilungsschlüssel der Apanagen bleiben bis heute geheim, den mit Abstand größten Einzelanteil freilich erhält Franz von Bayern.
Dessen ungeachtet, wie alle Filme, Porträts, Interviews, Feuilletonbeiträge oder Gespräche zeigen: Franz von Bayern ist ein sympathischer Repräsentant, ein gebildeter, freundlicher Herr, der immer das Richtige sagt, gemäßigte, gut abgehangene Sätze. Nicht einmal gegen Franz Josef Strauss rutscht ihm etwas Negatives heraus, dessen grenzwertige Skandalbilanz immerhin eine »Spiegel«-Sonderausgabe füllte: »Wir sind sehr gut miteinander ausgekommen« – der habe sich ja, ganz Patriot, auch sehr um Bayern gesorgt. Die Familie Wittelsbach trägt, anders als ihre preußischen Pendants, in Bezug auf den Faschismus eine reine Weste. Franz’ Vater Albrecht von Bayern war ein erklärter Gegner Hitlers, die Familie ging deshalb geschlossen 1939 ins Exil nach Ungarn, wurde 1944 ins KZ Sachsenhausen, dann nach Flossenbürg verbracht. Franz erinnert sich, es war eng und dunkel, Hunde und Gebrüll … Die Leichenstapel für das Krematorium so hoch, dass das Fenster der Familienbaracke zugebaut war davon. Eine schreckliche, todesahnende Erfahrung für den damals 11-Jährigen, auch wenn letztendlich alle glücklich überlebten.
Herzog Franz nutzt in den 60er Jahren seine privilegierte Lebenssituation sehr selbstbewusst und fliegt nach New York, um dort in der Aufbruchsstimmung, der Internationalität dieser Metropole, dem aufgeschlossenen intellektuellen Klima von Künstlern und Emigranten, den Grundstein für seine heutige Kunstsammlung zu legen. »Privatsammlung«, wie sie gemeinhin bezeichnet wird, mag ich sie angesichts der Millionenausschüttungen aus dem WAF nicht nennen. Franz von Bayern trifft dort Künstler und Künstlerinnen, arbeitet bald in Gremien und künstlerischen Bei- und Aufsichtsräten, um Museen und Sammlungen weltweit zu unterstützen, hofft, damit auch ein bisschen weltstädtisches Flair nach Deutschland und München zu bringen. (Bis heute gilt auch: Adel öffnet noch immer Türen und hat Gewicht. Ritter oder Großmeister eines altertümlichen Ordens zu sein, hilft in politischen und Hochfinanzkreisen.) Was sein Engagement für die Kunst betrifft: Er machte mit einer Schenkung via den WAF bedeutende Werke seiner Privatsammlung der Öffentlichkeit zugänglich, ein wichtiger Bestand revolutionärer Arbeiten deutscher Kunst der 60er und 70er Jahre kam so 1984 an die Staatsgemäldesammlungen. Und die Pinakothek der Moderne wäre ohne seinen Einsatz womöglich nicht gebaut worden.
Aktuell ist dort die Ausstellung zu Herzog Franz’ 90. Geburtstag zu sehen, »Ungekämmte Bilder«, so benannt, weil sein Sammeln nie einem Prinzip folgte, das außerhalb seines persönlichen Interesses lag. Bernhart Schwenk, Kurator für Gegenwartskunst, und Herzog Franz stellten eine Schau aus 50 Werken zusammen. Die beginnt dramaturgisch überzeugend mit einem Gemälde des Dachauer Malers Oskar Coester, das einmal zu Hause über dem Sofa des Sammlers hing: »Mit Schienenstrang und großer Figur« (o. J.). Es verweist auf leise, subtile Weise auf die existentiellen Erfahrungen des Sammlers: eine Landschaft, darinnen ein einsamer Mensch und der Anfang einer Eisenbahntrasse. Es wird einem kalt ums Herz. Geprägt von unserem historischen Wissen können wir gar nicht anders, als am Ziel dieser Schienen ein KZ zu vermuten. So mag es auch dem Herzog gegangen sein. Am Ausgang des Parcours dagegen eröffnen neun quadratische Lichtmalereien von Philip Gröning einen Ausblick auf die Zukunft, denn Gröning experimentiert mit KI und deren kreativem Potenzial. In Dreierkombinationen untereinander angeordnet, schleudern seine Lichtkästen wilde rotgelbe Lichtblitze, eine geballte Energiewucht, in die Welt und direkt auf den Betrachter.
Zwischen diesen beiden Polen finden wir viele einzelne Arbeiten, die sich ohne Werk- oder Themenkontext behaupten müssen. Sympathisch der subtile, fast verschwörerische Gruß des Freundes Gerhard Richter, »Blinky«, ein kleinformatiges Ölbild, fast monochrom, mit rauer Oberfläche aus dickem Farbauftrag und darin winzigen gelben Spuren, die sich aus dem Schlamm-Grün-Braun hochzukämpfen scheinen. Blinky Palermo zählt, neben Imi Knoebel, Georg Baselitz, Jörg Immendorf, Isa Genzken oder Maria Zerres, offenbar zu den Favoriten des Herzogs. Der deutsche Künstler, dessen Tod mit 33 Jahren bei einem Maledivenurlaub ungeklärt blieb, schenkte der Welt vor allem seine konzeptuellen monochromen Farb- und Stoffflächen: Hellblau und Rot; Orange und Dunkelblau; Rosa, Orange und Schwarz; Hellblau, Grün, Rot – eine Leidenschaft für Farben und ihre Kombinationen. Einige sind in einer Eckwandkonstruktion zu sehen, so, wie sie Palermo am liebsten präsentiert sah: in der Spannung zum Raum.
Ansonsten langweilte ich mich auch, da ohne den Werkkontext die Qualität des einzelnen Bildes nicht erkennbar war. Wo lag das Interesse der KünstlerIn, welcher Frage ist er oder sie auf der Spur? Da bleibt nur ein beliebiges: Dies gefällt mir, jenes eher nicht. Nach längerem Nachdenken scheint es das zu sein: ein subjektives Psychogramm des Sammlers zeitgenössischer Kunst, der wählte, was ihm gefiel. ||
UNGEKÄMMTE BILDER. KUNST AB 1960 AUS DER SAMMLUNG HERZOG FRANZ VON BAYERN
Pinakothek der Moderne | Barer Str. 40 | bis 3. Oktober | Di bis So 10–18 Uhr, Do bis 20 Uhr | Führungen: 26.8. und 30.9., 15 Uhr
Weitere Ausstellungsbesprechungen finden Sie in der aktuellen Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.
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