Sven Schöcker und Alex Novak haben die Theaterspiele in der Glyptothek übernommen. Sie zeigen »Prometheus in Fesseln« und »Iphigenie in Aulis«.

Theaterspiele der Glyptothek

Die Götter sind grausam

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Da hängt Prometheus (Christian Buse) noch an seiner Säule fest | © Veronika Eckbauer

Theatermacher Gunnar Petersen galt manchen in der Szene wegen seiner hochfliegenden Pläne als Spinner. Mit seiner Frau Beles Adam führte er von 1974 bis 1989 das Schwabinger Studiotheater im Fuchsbau. Ronnie Janot, Max Tidof und Manuela Riva wurden dort zu Szenestars. Als die Miete zu hoch wurde, wich Petersen zeitweilig ins Pepper in Neuperlach aus. Und plante das fest installierte Theaterzelt »Das Schloss« an der Schwere-Reiter-Straße, das er tatsächlich erbauen konnte. Heute bespielt es der Magier Kristelli. Und Petersen hatte die Idee, im Innenhof der Glyptothek sommers Theaterstücke aus der Antike oder mit Bezug dazu zu spielen. Der damalige Direktor Raimund Wünsche war sehr aufgeschlossen – seit 1991 gibt es die Theaterspiele Glyptothek. 32 Jahre haben Gunnar Petersen und Beles Adam sie geleitet und organisiert, die Stücke inszeniert und immer selbst gespielt. Nun sind beide über 80, leben auf Kreta und haben Nachfolger gesucht.

Der Schauspieler Sven Schöcker (54) und der Regisseur Alex Novak (57) führen die Theaterspiele weiter. Schöcker gehörte seit 2013 zu Petersens Stammtruppe. Sein erstes Bühnenengagement hatte er in Reutlingen, wo Alex Novak damals Intendant am Theater Die Tonne war. Die beiden haben sich in den letzten Jahren in München wiedergefunden. Novak hat während seines Studiums eine Theatergruppe gegründet. Bei einem Festival in Hamburg lud ihn der russische Regisseur Lew Dodin an sein Maly-Theater in St. Petersburg ein. Novak lernte im Crashkurs Russisch und blieb zwei Jahre bei Dodin. Nach Reutlingen gründete er in Stuttgart vor 20 Jahren das Theater Lokstoff! und inszenierte später frei in Deutschland.

Für die Theaterspiele versprechen beide Kontinuität. Wein, Wasser und Brot sollen auch künftig zu den Aufführungen gehören. Schöcker steht mehr in Petersens Tradition, Novak will neue Ideen einbringen. Er denkt an eine »Iphigenie light« für Jugendliche im Winter im Museum. Und eine vollständige Lesung von Homers »Ilias«.

Als erste Neuerung haben sie die Blickrichtung der Zuschauer umgedreht. Statt auf eine Spielschräge vor den Foyerstufen in den Hof schaut man nun neben dem Café auf ein Podesttrapez mit einer Säule (Bühne: Peter Schultze). Daran wird Prometheus gekettet, zur Strafe, weil er gegen den Willen der Götter den Menschen das Feuer gebracht hat. Mit Aischylos’ »Prometheus in Fesseln« hat Sven Schöcker einen schweren Brocken für seine Einstandsinszenierung gewählt. Aus den meist »grausamen Übersetzungen«, so Schöcker, hat er eine eigene Fassung zusammengepuzzelt. Die nachhallende Hofakustik erfordert prononciertes Sprechen, das manchmal an Petersens Deklamations-Pathos erinnert. Christian Buse als Prometheus beklagt im Dialog mit seinen Besuchern sein Los und rühmt seine Verdienste. Feuergott Hephaistos schmiedet ihn nur widerwillig fest, die Töchter des Flussgottes Okeanos haben Mitleid, auch ihr Vater, der ein wenig albern herumgaloppieren muss – seinen von einem Greif gezogenen Wagen simulierend. Alexander Wagner und Judith Bopp spielen alle Nebenrollen, sie bewegen sich frei im Raum. Sanna Dembowski gürtet sie in große Tücher. Eindringlich spielt Bopp das Mädchen Io, das Hera in eine Kuh verwandelt hat, weil Zeus ihr nachstellte. Nun jagt Zeus als Bremse sie durch die Lande und in den Wahnsinn. Prometheus kennt die gesamte Zukunft. Aber obwohl ihm das die Freiheit brächte, verrät er nicht, wer Zeus einst stürzen wird. Auch der arrogante Hermes kann ihn nicht dazu erpressen. Dass sich Prometheus da von der Säule lösen und herumwandern darf, ist eine nicht recht einsichtige Regie-Freiheit. Spannend bis zum finalen Erdbeben ist die Musik, die Ardhi Engl einer Oud entlockt.

Als zweite Premiere inszenierte Alex Novak »Iphigenie in Aulis« von Euripides im selben Bühnenbild. Und zwar als Solo mit Tomma Galonska, die in den letzten Jahren in München vorwiegend Performances gezeigt hat. Sie schlüpft in alle Rollen, charakterisiert jeweils durch ein Kleidungsstück über ihrem Reptilprint-Dress (Kostüme: Susanne Hofmann). Nach Helenas Entführung durch Paris wartet Agamemnon mit der Griechenflotte in Aulis auf günstigen Wind zum Rachefeldzug nach Troja. Ein Orakel fordert dafür seine Tochter Iphigenie als Opfer. Deshalb hat er sie samt Mutter Klytämnestra ins Lager beordert, unter dem Vorwand, sie solle den Helden Achilles heiraten, wovon dieser freilich nichts weiß. Agamemnon (im Gehrock) zerreißt es zwischen Kriegspflicht und Vaterliebe, er streitet heftig mit seinem Bruder Helenas Gatten (in Kuhfelljacke). Klytämnestra (im pinkfarbenen Rock) findet in Achill (mit wattiertem Bizeps) einen Verbündeten und rechnet mit ihrem Mann ab, Iphigenie (im weißen Hemdchen) empört sich wütend, ehe sie sich freiwillig zur Märtyrerin läutert. Tomma Galonska spielt die psychologischen Umschwünge mit differenzierten Spielhaltungen ohne großes Pathos, kommentiert als Erzählerin auch ironisch. Mit Keyboard, Gitarren und Synthesizer setzt der Musiker Nathanael Turban nachdrückliche Zäsuren und Akzente. ||

PROMETHEUS IN FESSELN
IPHIGENIE IN AULIS
Theaterspiele Glyptothek | bis 16. Sept. | 20 Uhr | Tickets: Tel. 089 52304466 (Mo bis Fr 10–12 Uhr) | (Wettercheck ab 17 Uhr)

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