Die Fotografien von Bjarne Geiges in der Galerie Gudrun Spielvogel fesseln durch reizvolle Kontraste und überraschende Momente.
Bjarne Geiges
Das Licht und das Schwarz
»Man betrachtet das Bild und sofort setzt das Kopfkino ein.« Ein Satz, den Gudrun Spielvogel beim Rundgang durch ihre Ausstellung gleich mehrfach wiederholt. Von »Kopfkino« zu sprechen gehört in Anbetracht der konkreten und konstruktiven Kunst, die den Schwerpunkt ihres Galerieprogramms normalerweise bestimmt, eigentlich nicht in ihr Repertoire. Aber die poetischen Schwarz-Weiß-Fotografien von Bjarne Geiges, die sie jetzt erstmals präsentiert, hätten sie bei ihrer zufälligen Entdeckung so unmittelbar berührt, dass sie sich entschieden hat, sie in ihren Räumen zu zeigen. Und wie man sieht, sind sie dort auch bestens aufgehoben.
Trotz des »Kopfkinos«, das viele der erzählerischen Aufnahmen auslösen, dominiert in den Gegenlichtaufnahmen und Strukturbildern des Münchner Fotografen ein halb-abstraktes grafisches Moment. Die rhythmisierte Hängung der schwarz gerahmten Bilder einzeln und in Blöcken verstärkt den Eindruck einer gewissen Strenge und Geometrie in den Kompositionen. Und schließlich zitiert Bjarne Geiges auch noch eine Ikone der konstruktiven Kunst: das »Schwarze Quadrat « von Kasimir Malewitsch – in diesem Fall das Bild eines schwarzen Rechtecks.
Bei der näheren Betrachtung zeigt sich sodann die Qualität der Fotografien, das, was die Galeristin so unmittelbar berührt hat. Es ist Geiges Gespür für das besondere Motiv, der geschulte Blick für den richtigen Augenblick und der Sinn fürs erzählerische Detail: Ob Pflanzen und Tiere, alltägliche Dinge oder Landschaften und Architektur – immer sind es die situationsbedingten Momentaufnahmen des aufmerksamen Beobachters, die zu kleinen unspektakulären Bildgeschichten führen, in denen sich Handlung und Geschehen verdichten. Figuren auf einem Dachfirst werden im Gegenlicht zu Bergwanderern, die von zwei Löwen flankiert sind. Eine Taube fliegt über das Kreuz auf der Kuppel von St. Lukas. Durch die Sonne im Hintergrund scheint sie von einer Art Gloriole umfangen zu sein und wird unfreiwillig zum Sinnbild für den Heiligen Geist. Die schwarzen Vögel am Himmel wiederholen sich im Bild darunter in den Lichtflecken, zwischen denen wiederum ein einsamer Vogel herumpickt. Immer wieder ist es dieser subtile Humor, der durchblitzt, vor allem wenn sich Analogien zwischen den Bildern ergeben. Es ist ein anregendes und gleichzeitig vergnügliches Schauen, das einen immer wieder aufs Neue fesselt. Kopfkino eben.
»Schwarz ist vor dem Licht« – der poetische Titel der Ausstellung ist einer Aussage von Pierre Soulages entlehnt, dem Altmeister im Umgang mit schwarzer Farbe in der Malerei, womit dieser auf die Relevanz von Licht bei der visuellen Wahrnehmung seiner Malereien verweist. Es ist auch das Licht, das in der Fotografie von Bjarne Geiges Regie führt: Mal ist es der Lichtstrahl, der durch die Ritzen einer Tür fällt, mal die Schneide eines Messers, die aus dem Dunkel heraus das Licht reflektiert. Oder es sind die Seiten eines aufgeschlagenen Buches, bei denen das Licht Bewegung suggeriert.
Unverkennbar knüpft Bjarne Geiges mit seiner Fotokunst an die Tradition der klassischen Schwarz-Weiß-Fotografie an: An konstruktivistische Bildauffassungen wie die der Schule des »Neuen Sehens« um László Moholy-Nagy am Bauhaus der 20er-Jahre. Und man erkennt den Einfluss der Bildkünstler der subjektiven Fotografie wie der Gruppe fotoform aus der Nachkriegszeit, namentlich Otto Steinert und Toni Schneiders. Diese früheren Protagonisten spürten in ihren Aufnahmen von Phänomenen der Natur oder technischen Konstruktionen den grafischen Reizen von betonten Schwarzweiß-Kontrasten nach. Der individuelle Mensch spielt kaum eine Rolle, allenfalls sein Umriss oder Schatten.
Eine der Bezugsgrößen von Bjarne Geiges ist auch der surrealistische Maler René Magritte. Es ist dieser mikro- und makroskopische Blick auf die Welt, der Assoziationen an Fremdes und Vertrautes zugleich weckt: Was ist das für ein langes Objekt, das sich aus dem hügeligen Boden heraushebt? Was stellt die eigenartige schwarze, rissig wirkende Formation dar? Das Motiv ist in beiden Fällen schlicht: ein Apfel. Und die beiden hellen Kreise mit den Bläschen? Zwei Teegläser von oben. Das formale Pendant dazu mit dem Fleck in der Mitte ist ein Stiefmütterchen. Na klar!
Durch seinen Vater war Bjarne Geiges (*1942 in Bernau/ Hochschwarzwald) von Kindesbeinen an mit der Fotografie vertraut. Später absolvierte er eine Ausbildung zum Fotografen im Lette-Verein Berlin und führte dann lange Jahre sein eigenes Fotostudio in München für Reportagen und künstlerische Werbefotografie. In den 80er-Jahren begann er, seinen Schwerpunkt auf freie Arbeiten zu verlegen. Seit 2000 tritt er mit seinen Fotografien in Ausstellungen in Erscheinung. Seine Bilder überraschen und faszinieren, auch wenn weder Stil noch Technik noch Inhalt neu sind. Aber wann hat man das zuletzt gesehen? Bjarne Geiges greift Fotogeschichte auf und führt sie in eigener Manier fort: mit frischem Blick und neuen Motiven, kontemplativ und anregend, traditionell und nachhaltig im besten Sinn. ||
BJARNE GEIGES – »SCHWARZ IST VOR DEM LICHT«
Galerie Gudrun Spielvogel | Maximilianstr. 45 | bis 29. April, Mi–Fr 14–18, Sa 11–14 Uhr (Terminabsprache)
Weitere Ausstellungsbesprechungen finden Sie in der akutellen Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.
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