Mit »Kunst und Leben. 1918–1955« zeigt das Lenbachhaus wechselvolle Lebenswege von Künstlern und Künstlerinnen in Zeiten von Neuanfang und Niedergang.
Kunst und Leben. 1918-1955
Krieg und Nachkriegszeiten
1932 wurde ein Selbstbildnis von Fridel Dethleffs-Edelmann mit dem ersten Preis der Ausstellung »Die Frau im Bilde« des Badischen Kunstvereins ausgezeichnet. Auch eine Professur in Karlsruhe wurde der Malerin angeboten, die sie jedoch aus familiären Gründen ausschlug. Ein Detail aus 49 Karrieregeschichten, die das Lenbachhaus in seiner aktuellen Ausstellung »Kunst und Leben. 1918–1955« aufblättert. Noch größer als ihr damaliger Erfolg war die Wirkung der Künstlerin auf das Reiseverhalten vieler Deutscher: Damit sie auf den zahlreichen und weiten Familienreisen unterwegs besser arbeiten konnte, hatte ihr Mann Arist Dethleffs ein gut ausgebautes fahrbares Atelier und Wohnauto gebaut – die Grundlage für die erste deutsche Wohnwagenfabrik, bis heute erfolgreich mit ihren später »Camper« genannten Caravans. Auf ihrem Selbstbildnis im Malerkittel, den Pinsel in der Hand, vor dem Hintergrund eines Landschaftsgemäldes, blickt sie prüfend und sensibel, vielleicht ein wenig melancholisch, auf die Betrachter:innen. Das Motiv hat sie, selbstbewusst, 1952 vor einer Winterlandschaft und 1955 – mit Brille, vor Kandinsky-ähnlichen, abstrakten Kompositionen – wieder aufgegriffen. Eine besondere Station in dieser nach dem Alphabet gegliederten, spezifische künstlerische Haltungen und wechselvolle Biografien vermittelnden Schau.
1933 malte Maria Caspar-Filser den blühenden Apfelbaum vor ihrem Haus. Die höchst erfolgreiche und in vielen Organisationen aktive Ehefrau von Carl Kaspar ist ein seltenes Beispiel für eine gleichberechtigte künstlerische Partnerschaft: als einzige Frau gehörte sie zu den Gründungsmitgliedern der Gruppe SEMA und der Münchener Neuen Sezession. 1925 wurde sie als erste Frau mit dem Professorentitel gewürdigt – und ihr Mann hatte bei seiner Berufung an die Münchner Akademie 1922 darauf bestanden, dass beide ein Atelier dort teilten. Beide wurden auf der Feme-Schau »Entartete Kunst« 1937 wegen ihres Malstils diffamiert; Werke wurden aus Museen entfernt. Als während des Krieges das Malmaterial knapp wurde, verzichtete Carl Kaspar zugunsten seiner Frau auf Ölfarben und zeichnete nur noch. Ebenfalls im Jahr 1933 starb Käte Hoch, nachdem kurz zuvor ein SA-Trupp ihr Wohnatelier in Schwabing gestürmt und einen Großteil ihres Werks zerstört hatte.
1934 wurde in München vom nationalsozialistischen Bürgermeister ein Kulturamt gegründet, seitdem wurden nur mehr mit der NS-Kulturpolitik konforme Werke für das Kunst-Inventar der Landeshauptstadt angekauft (und kamen so in die Sammlung des Lenbachhauses). 1934 auch trat Maria Luiko dem »Jüdischen Kulturbund in Bayern« bei, die einzige Betätigungsmöglichkeit, nachdem sie 1933 aus dem »Reichsverband bildender Künstler in Deutschland« ausgeschlossen worden war. Und gründete das experimentelle »Münchner Marionettentheater Jüdischer Künstler«. Ihr Lebensweg endete im litauischen Kaunas, wo sie nach der Deportation mit ihrer Mutter und Schwester bei einer Massenerschießung von der SS ermordet wurde.
Von A bis Z
Der Buchstabe Z fehlt im Alphabet der Ausstellung, vertreten freilich ist er in der höchst informativen, vielschichtig das Zeitgeschehen sowie institutionelle Bedingungen des Kunstlebens nachzeichnenden Begleitpublikation. Denn hier wird auch die Entwicklung von Adolf Ziegler dokumentiert, der 1934 in München zum ordentlichen Professor ernannt wurde, dann als Vorzeige-Künstler des Regimes zum Präsidenten der Reichskammer avancierte, wo er die Beschlagnahmung und Vernichtung nonkonformer Kunst sowie auch die Ausstellung »Entartete Kunst« verantwortete.
1935 widmete sich Gabriele Münter intensiv einem speziellen Motiv: dem Bagger bzw. den Bauarbeiten an der Olympiastraße nach Garmisch, mit beeinflusst wohl von ihrem Lebensgefährten Johannes Eichner. Ein damals vermarktbares Sujet, bei dem die Kunsthändlerin und Hitler-Freundin Erna Hanfstaengl den Kontakt zur Autobahn-Ausstellung »Die Straßen Adolf Hitlers in der Kunst« herstellte. Während sich Münter ansonsten zurückzog, malerisch ihre »Baue Reiter«-Zeit wieder aufleben ließ und die Werke Kandinskys und des Freundeskreises in ihrem Murnauer Haus versteckt hielt.
Die Stiftung von Gabriele Münter und Johannes Eichner machte Ende der 50er Jahre die 1929 eröffnete Städtische Galerie im Lenbachhaus, eine der lokalen zeitgenössischen Kunst gewidmete Sammlung, zu einem Museum von Weltrang. Aktuell präsentiert es sich mit seinen Ausstellungen als 200 Jahre Kunstgeschichte darstellendes Haus: vom 19. Jahrhundert über die »Blaue Reiter«-Gruppe und die damit verbundene internationale Moderne schließt nun diese Ausstellung zur Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, der Weimarer Jahre, der NS-Zeit und des Zweiten Weltkriegs sowie der zweiten Nachkriegszeit – plus die Präsentation zur Kunst der documenta-Jahre ab 1955 – den Bogen zu Beuys, zur Zeitgenossenschaft und Gegenwart. ||
KUNST UND LEBEN 1918 BIS 1955
Städtische Galerie im Lenbachhaus | Luisenstr. 33 | bis 16. April 2023 | Di–So 10–18 Uhr, Do bis 20 Uhr | Führungen: 8. Dez., 5./12./26. Jan., 9. Feb., 9. März, jew. 17 Uhr; 14. Dez., 16 Uhr | Kunstgespräche mit Guides: 8./22. Dez., 18–20 Uhr; 10. Dez., 15. Jan., 15–17 Uhr
Weitere Austellungsbesprechungen finden Sie in der aktuellen Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.
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