Krieg und Unterdrückung nehmen weltweit zu – das spiegelt sich in einem deutlich politischeren Programm des Schamrock-Festivals der Dichterinnen mit Lesungen und Performances von Lyrikerinnen aus zwanzig Nationen.

Schamrock 2022

Lyrik der Frauen

»Where Are We Now?«, fragt der Titel des diesjährigen Schamrock-Festivals der Dichterinnen, das seit 2012 biennal in München stattfindet. Mit einer Standortbeschreibung mag das Festival zum zehnjährigen Jubiläum also resümieren, wo die explizit weibliche Dichtkunst mittlerweile in der Gesellschaft steht. »Als ich mich für Lyrik zu interessieren begann, gab es ja fast nur Männer, deren Gedichte ich lesen konnte. Die ganze Beatgeneration ist männlich besetzt. Und auch in Deutschland gab es nur Typen wie Rolf Brinkmann, aber so gut wie keine Frauen«, sagt Augusta Laar, Dichterin und Veranstalterin des Schamrock-Festivals. Mit ihrem Festival bietet Laar darum ein international genutztes Forum für Frauen, die hier ihre Dichtkunst präsentieren. Damit sei es immer noch das einzige seiner Art weltweit, betont die zweite Bürgermeisterin der Landeshauptstadt München, Katrin Habenschaden, im Grußwort ans Festival und lobt: »Aus gutem Grund wurde der Schamrock e.V. dieses Jahr mit dem Anita Augspurg Preis der Landeshauptstadt München ausgezeichnet.«

Tatsächlich gibt es darum heuer auch ein Wiedersehen mit einigen Dichterinnen, deren frühere Auftritte zum Erfolg des Schamrock-Festivals beigetragen haben. Etwa mit der ukrainischen Filmemacherin und Dichterin Iryna Tsylik, die gemeinsam mit anderen Dichterinnen aus der Ukraine schon 2018 zu Gast auf dem international besetzten Festival war. »Schon damals hatten die Ukrainerinnen die jetzige Situation samt dem Angriffskrieg der Russen vorausgesagt«, sagt Augusta Laar, die im diesjährigen Programm darum auch genauer hinhört, was Poetinnen aus den unmittelbaren Nachbarländern des Kriegsgebietes sagen, also aus Litauen, Estland und Belarus. »Von Anfang an war es für Schamrock ein Anliegen, nicht nur Dichterinnen zu Lesungen einzuladen, sondern auch die Bedingungen des lyrischen Schreibens in ihren jeweiligen Ländern zu diskutieren«, sagt Laar und freut sich auch auf die Zusammenarbeit mit dem deutschen PEN, dessen Writers-in-Exile-Programm mit gleich zwei Schwerpunkten vertreten ist. »Besonders freuen wir uns über die erneute Zusage der Dichterin und Aktivistin Tang Siu Wa aus Hongkong und hoffen, dass sie tatsächlich ausreisen kann«, schreibt Laar im Programmheft zum Festival und ergänzt in einem Telefonat mit dem »Münchner Feuilleton«: »Mir kommt es allerdings auch vor, als ob es immer mehr verfolgte Dichterinnen und Künstlerinnen gibt.« Wie die türkische Dokumentarfilmerin, Menschenrechtsaktivistin und Journalistin Şehbal Şenyurt Arınlı, die in ihrem Heimatland als erste Frau hinter der Kamera sich vor allem für die Rechte von Frauen und Minderheiten einsetzte. Ihr politisches Engagement und ihre Verbindungen zu kurdischen Medien führten schließlich zu einer Anklage und Inhaftierung. Nur durch einen Zufall kam sie frei und konnte nach Deutschland ausreisen.

Oder die syrische Dichterin, Kunstkritikerin, Publizistin und Aktivistin Kholoud Charaf, die sich insbesondere für die Lebensbedingungen von Frauen und Kindern im vom Bürgerkrieg zerrütteten Syrien engagiert. Dank des deutschen PEN lebt die von Zensur bedrohte Schriftstellerin derzeit im deutschen Exil. Abgerundet wird das auffällig politische Programm des diesjährigen Schamrock-Festivals der Dichterinnen mit musikalischen Darbietungen aus dem Netzwerk »Heroines of Sound«, wie die der chilenischen Klangkünstlerin und DJ Chica Paula und der kolumbianischen Komponistin Alexandra Cardeñas. Das Brooklyn Ballet mit Jasmin Mans wird per Livestream aus New York hinzugeschaltet. ||

SCHAMROCK FESTIVAL DER DICHTERINNEN
Werksviertel | whiteBOX, Werk3, Atelierstr. 18
4.–6. November | Website
Auch in Bamberg am 11. November.

Weitere Texte zum literarischen Geschehen findne Sie in unserer kompletten Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.

 


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