In seiner pointenreichen Satire »Triangle of Sadness« schickt Ruben Östlund die Schönen und Reichen auf einen Survival-Trip.

Triangle of Sadness

Wettbewerb der Unsympathie

triangle of sadness

Noch genießen Model Carl (Harris Dickinson) und seine Influencer-Freundin Yaya (Charlbi Dean) ihre Luxuskreuzfahrt. | © Fredrik Wenzel AlamodeFilm

Das »Dreieck der Traurigkeit« – so lernen wir es in diesem Film – bezeichnet exakt jene Gesichtspartie zwischen den Augenbrauchen und dem verlängerten Ende der Nasenwurzel, die angesichts irritierender Informationen aus der Außenwelt zu besonders ausgeprägtem Faltenwurf neigt. Auch dem männlichen Laufstegmodel Carl steht besagte Stirnrunzel ins ansonsten makellose Gesicht geschrieben, angesichts der Äußerungen eines exaltierten Modelscouts nämlich, der einem Reigen körperlich reich beschenkter Boys gerade einen Grundkurs in Sachen Mienenspiel auf dem Catwalk gibt. Carl teilt sein Glamour-Leben mit der aparten Instagram-Prinzessin Yaya. Die Influencerin für High-End-Artikel hat soeben eine Einladung erhalten, auf der Fahrt einer Luxusyacht teilzunehmen.

Regisseur Ruben Östlund schickt Yaya und Carl, gespielt von Charlbi Dean und Harris Dickinson, in »Trinagle of Sadness« gemeinsam mit einer Reihe Reicher und Schöner auf eine Ozeanfahrt, die ihre betuchte Existenz ins Wanken bringen wird. Der erlesene Kreis gibt sich an Bord einem wahren Wettbewerb der Unsympathie hin. Carl sorgt für die Demission eines Schiffsangestellten, der mit seiner Freundin geflirtet haben soll, und eine reiche Russin (Sunnyi Melles) erteilt dem Personal zweifelhafte Ratschläge in Lebensführung. Sie solle die ewige Plackerei doch einfach mal bleiben lassen und machen, worauf sie Lust habe, empfiehlt sie einer jungen Servicekraft. Zur Demonstration ihresErfolgsmodells ordnet die Milliardärsgattin Freiheit und Spaßbad für alle an und beordert die Crew an die Wasserrutschen des Schiffs. Ein älteres Ehepaar verdankt den Wohlstand, so erfahren wir, durch die Massenfabrikation einschlägiger Rüstungsgüter. Bei Tisch sinnieren die beiden über den zeitlosen Verkaufsschlager schlechthin, die Handgranate. Derweil ist eine andere Reisende in Folge eines Schlaganfalls den weltlichen Dingen gänzlichen entrückt. Gespielt wird sie von Iris Berben. Der einzige Satz, den sie zu äußern im Stande ist, lautet: »In den Wolken.«

Der anstehende Abend dieses prächtigen Settings verspricht ein reibungsloses Dinner purer Annehmlichkeit, doch gerät der Luxusdampfer alsbald in schweren Seegang. Was Regisseur Östlund in der Szene des Luxusmahls zelebriert, lässt sich als radikaler Wechsel des Aggregatzustands, auch als große Verflüssigungsaktion beschreiben. Oder einfach so: die feine Gesellschaft kotzt sich die Seele aus dem Leib. Doch schwere Seekrankheit bleibt nicht die einzige Geisel an Bord. Noch während sich unappetitliche Ströme (Marco Ferreris »Das große Fressen« drängt sich auf) surreal über die Decks der Megayacht ergießen, bringen Piraten das stolze Schiff zum Kentern. Ein paar der Reisenden, darunter auch Carl und Yaya, überleben den Untergang und stranden auf einer Insel, auf der sich die eingespielten Machtverhältnisse unter den Überlebenden bald schon verkehren. Die Putzfrau Abigail (Dolly De Leon) besitzt die größte Überlebenskompetenz unter den Gestrandeten. Da sie als einzige weiß, wie Nahrung herbeigeschafft wird, wird sie zur launenhaften Alleinherrscherin des Survivor-Trupps, den hübschen Carl erklärt sie kurzerhand zu ihrem Liebessklaven.

Östlund, der zuletzt mit Filmen wie »Force Majeure« und »The Square« für Aufsehen sorgte, inszeniert den Schiffbruch der Superreichen in seiner mitunter pointenreichen Sozialsatire »Triangle of Sadness« in sehr klaren und einfachen Bildern. Er belässt es nicht bei einer Abrechnung mit den kapitalistischen Verhältnissen der Gegenwart, sondern erteilt auch gesellschaftlich-emanzipatorischen Neuentwürfen eine Absage. Mit einer Vielzahl zynischer Spitzen inszeniert der Filmemacher die Machtgesten seiner weiblichen Inselherrscherin Abigail. Bald schon trägt sie gleich mehrere Rolex-Uhren am Arm. Ihre einstigen Besitzer werden aus ihrem gehobenen gesellschaftlichen Status in den Rang neuer Subalterner degradiert. Wenn Abigail ihre Pfeife schrillen lässt, kommt der schöne Carl liebesdienerisch herbeigerannt. Da gibt es köstliche Momente, in denen es zur Verbrüderung unter den Neu-Deklassierten kommt. Sie imitieren den Pfeiflaut der Herrscherin und Carl horcht wohlkonditioniert auf. Es folgt ein Gelächter der Klasse der Beherrschten. Am moralischen Bankrott aller Beteiligten delektiert sich der Regisseur am Ende aber unglücklicherweise etwas zu genüsslich. In der letzten Einstellung lässt Östland seinen Model-Jungen Carl schreiend durch das dichte Gestrüpp des Dschungels jagen, bis in dem einst makellosen Schönlingsgesicht tiefe, blutige Wunden klaffen. ||

TRIANGLE OF SADNESS
Schweden, Deutschland, Frankreich, Großbritannien 2022 | Regie: Ruben Östlund | Drehbuch: Ruben Östlund | Mit Harris Dickinson, Charlbi Dean, Dolly de Lein, Woody Harrelson | 149 Minuten | Spielfilm | Kinostart: 13. Oktober
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